Die Viehzucht

Der Viehbestand Algeriens, welcher mit Ausnahme der Schweine überwiegend im Besitz der Eingeborenen ist und zeitweilig auch unter Dürre leidet, wies im Jahre 1901 folgende Zahlen auf:

Rinder 1 Mio, Schafe 7.638.000, Ziegen 3.923.000, Pferde 215.000, Esel 263.000, Maultiere 163.000, Kamele 200.000, Schweine 88.000,


ist also recht bedeutend und gestattet eine ansehnliche Ausfuhr von lebenden Schafen, Rindern, Wolle, Häuten und Fellen nach Frankreich und den anderen Mittelmeerländern. Freilich könnte der Viehstand bei rationeller Zucht und Pflege ein weit größerer sein, wenn man für Beschaffung künstlicher Weide, Trockenfütterung und Errichtung von Ställen mehr als bislang tun wollte. Von Januar bis Juni findet das Vieh auf den natürlichen Weiden reichliche Nahrung, im Juli und August eben noch zur Not ausreichende vertrocknete Gräser und Kräuter, von September bis Dezember aber ist die Nahrung so ungenügend, dass ein guter Teil des Viehs mangels genügender Nahrung eingeht und der Rest stark an Gewicht verliert. Es müsste also mehr für Anpflanzung von Hafer, Futtergerste, Opuntien und anderen Futterpflanzen gesorgt werden, um den Tieren in Zeiten der Not damit aushelfen zu können. Bislang ist Wiesenwirtschaft und Ausnutzung des natürlichen Düngers, zum lebhaften Bedauern weitsichtigerer Fachleute, erst ganz ungenügend entwickelt; erst nach der französischen Eroberung eingeführt, hat sie seitdem nur sehr geringe Fortschritte gemacht und im Jahre 1901 umfassten die künstlichen Wiesen der ganzen Kolonie nur 8.100 ha, meist Luzerne.

Die Rinder sind klein, fleisch- und milcharm, und das Fleisch ist überdies oft zäh und wenig wohlschmeckend, sodass Fleisch, Milch und Butter auch von Europa eingeführt werden; im Winter lassen sich gutsituierte Europäer und die großen Hotels ihren Bedarf an Rind- und Kalbfleisch von Marseille kommen. Im übrigen ist das einheimische Rind widerstandsfähig und geeignet zur Kreuzung mit dem europäischen, zu welchem Zweck man spanische und schweizer Stiere eingeführt hat.

Die Schafherden machen den einzigen Reichtum der südlichen, den äußersten Saum der Wüste bewohnenden Stämme aus, und zwar sind auch hier die minderwertigen Fettschwanzschafe und die wertvolleren und zahlreicheren „arabischen“ Schafe vertreten. Seit langer Zeit bereits hat man versucht, die einheimischen Rassen zu verbessern, doch sind die erzielten Erfolge bislang nur langsame und geringe geblieben. Hauptmarkt für die ziemlich minderwertige Wolle der Wüstenschafe ist Constantine. Auch die Ausfuhr von Schafen via Marseille nach Frankreich — 1902 1 1/3 Millionen Stück — bildet einen sehr bedeutenden Erwerbszweig und einen der wenigen, in denen Araber engagiert sind. Laut Erlass von 1902 dürfen allerdings in Frankreich, um Ansteckung auszuschließen, nur noch gegen Räude geimpfte Schafe eingeführt werden.

Von den genügsamen Ziegen, die überall, am besten in gebirgigen Gebieten gedeihen, sind neben der eigentlichen arabischen Ziege auch die kleinen und milcharmen Kabilen-Ziegen und die milchreichen Malteser vertreten.

Die algerischen Pferde sind schlank, leicht und nervig und deshalb hauptsächlich als Renner und zu militärischen Zwecken, aber nicht als Zug- und Arbeitstiere geeignet; die Regierung unterhält drei Landesgestüte und hat seit 1852 angefangen, auch die arabischen Stämme zur Verbesserung der Pferdezucht zu veranlassen, da sich bei den Arabern im allgemeinen nur minder edle Rassen von Pferden finden.

Das Kamel dient ebenso wie Esel und Maultier zu Transportzwecken, und das trockene und heiße Klima bekommt ihm gut.

Schweine wurden erst nach der französischen Eroberung nach Algier verpflanzt, und ihre Produkte werden von Moslims und Juden gleichmäßig verachtet.

Hühner und auch Tauben dagegen sind überall zahlreich vertreten und geschätzt, und die Eingeborenen treiben auf den städtischen Märkten einen recht bedeutenden Handel mit Geflügel und Eiern.

Für Straußenzucht wurde 1879 von Pariser Kaufleuten eine Gesellschaft gegründet, deren Resultate sehr bescheidene blieben.

Die einst bedeutende Seidenraupenzucht ist seit 1882 ganz zurückgegangen, soll aber laut Gesetz vom 2. April 1898 durch Gewährung von Prämien gefördert werden, womit freilich bislang wenig erreicht wurde; dagegen besaßen im Jahre 1893 26.500 Bienenzüchter, worunter nur 1.400 Europäer, zusammen 210.000 Bienenstöcke.

Blutegel werden zahlreich in den Sümpfen der Provinz Oran gezüchtet.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Algerien