ADRIAEN VAN DER WERFF, Verstoßung der Hagar

Den Ritter Adriaen van der Werff aus Rotterdam kann man den letzten Malet des alten Hollands nennen. Holländisch ist allerdings an ihm so gut wie nichts mehr, und seine Bilder könnten auch überall sonst gemalt sein, denn er folgt ganz dem französischen Geschmack, der nun auch in Holland galt. Das heimatliche Sittenbild und die ungeschminkte Naturansicht erschienen der feiner gewordenen Gesellschaft als etwas Niedriges: wozu das noch malen, was man täglich um sich hatte, was mit seinen Unvollkommenheiten mehr Verdruss erregte als Gefallen! Das klassische Altertum hatte ja längst eine Schönheit gefunden, erfreulich und erhebend und außerdem noch interessant, denn was ließ sich alles lernen aus einer mythologischen Szene oder einer antiken Historie, und wie wenig dagegen aus Bauernbildern und Viehweiden? Jetzt konnte man die klassische Kunst einfach aus Frankreich beziehen, und es empfahl sie, dass sie einen deutlichen Strich zwischen Hoch und Niedrig machte, dass sie nur für die Vornehmen war, während von der nationalen holländischen Malerei alle etwas gehabt hatten. Mit den Gegenständen ändert sich auch der Ausdruck. Das Charakteristische ist nicht mehr erwünscht, alles soll einen großen Zug haben und ins Allgemeine gehen. Das fordert dann auch größere Flächen. Das Kabinettbild, das Schlussergebnis der holländischen Malerei, das die Leydener Feinmaler sogar noch in das Extrem übertrieben hatten, genügte nicht mehr. Die neue mythologisch-historische Malerei greift auf Decken und Wände über und wird dekorativ. Van der Werff verstand sich auf beide Maßstäbe. Als Schüler des Eglon van der Neer war er von Haus aus Feinmaler. Angeregt durch die Italiener und den Lütticher Gerard Lairesse, warf er sich aber auch auf die Plafondmalerei, und diese Schulung merkt man seinen höchst flüssig komponierten Staffeleibildern an. Sie sind eine Art Dekorationsmalerei in Kabinettformat. Inhaltlich freilich oder gar geistig sagen sie nicht viel, und den bewegenden Ernst eines mit Empfindung aufgefassten Vorganges dürfen wir nicht erwarten.

Die in die Wüste getriebene Hagar ist eine akademisch ganz auf den Anblick ihrer schönen Formen gestellte, statuengleiche Figur. Mit zierlicher Trauergebärde führt der volle Arm einen Hemdenzipfel an das verlorene Profil ihres antik frisierten Kopfes. Sie könnte ebenso gut eine Juno oder Diana vorstellen. Abraham steht würdig da, aber mehr theatralisch als von innen bewegt. Die anderen Figuren sind Füllstücke. Dazu eine Säulenhalle der Barockzeit und die dekorativ gehaltene Landschaft. Die Zeichnung wenigstens der beiden Hauptfiguren ist sicher und flott, die Farbe mit ihrem kunstvoll geführten Helldunkel von dem porzellanartigen Schmelz, aber auch von der naturwidrigen, stofflosen Glätte und Gleichgültigkeit, die man einst als den höchsten Vorzug dieses weitbegehrten Künstlers ansah. Denn Adriaen van der Werff wurde bald ein reicher Mann. Keinem holländischen Maler ist das Leben so leicht geworden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Dresdner Galerie