Abschnitt 1

Schloss Basedow.


Das Ende des zwölften und die erste Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts war in Mecklenburg die Zeit des Widerstreites zweier Nationalitäten, der slavischen und der deutschen, und der endlichen Ausgleichung beider. Diese Ausgleichung fand zwar in allen allgemeinen und folgenreichen Beziehungen ganz zu Gunsten des deutschen Elementes statt, und es konnte nicht anders sein; denn das Wort der ewigen Wahrheit, Cultur und Gesittung, eine freiere Weltansicht und edlere Lebensgestaltung kam und kämpfte mit den Sachsen. Dabei aber ist wohl zu bemerken, dass diese Ausgleichung in den verschiedenen Gebietstheilen des alten Obotritenlandes verschiedene Wege einschlug und sich namentlich in der Nationalität der den einzelnen Gebieten angehörigen, edlen Geschlechter verschieden repräsentirt. In den von den Sachsen gestifteten Grafschaften und Bisthümern sehen wir das wendische Wesen mehr durch das Deutsche ersetzt, das erstere mundtodt gemacht und bei Seite geschoben; hier treten uns die Namen der deutschen Edlen entgegen, die die Waffen Heinrich's des Löwen getragen hatten oder ihren Siegen gefolgt waren. In den mecklenburgischen und nach der Theilung namentlich in den werle'schen Herrschaften dagegen vollzieht sich mehr eine wirkliche Ausgleichung. Das wendische Volkswesen macht hier den bleibenden realen Bestand aus, in welchem das deutsche Cultur-Element mehr durch die Religion und durch seine geistige Kraft, als durch zahlreiche und gewichtige persönliche Vertretung mächtig ward. An Borwin's I. († 1227) Hofe, wie wir denselben aus den Zeugen, seiner Urkunden erkennen, erscheinen deutsche Ritter nur in einem geringen Bruchtheil gegen die wendischen Edlen. Dies änderte sich freilich, als Borwin's Enkel zur Volljährigkeit gelangten. Aber es erhielt sich hier grosser Besitz und traditionelle Machtstellung wendischer Dynastengeschlechter auch dann noch, als dieselben die Formen des deutschen Ritterthums und häufig von ihren Lehen oder andern Merkmalen deutsche Namen angenommen hatten. Vielleicht war das Verlangen nach den Vorzügen dieser Stellung eine mitwirkende Ursache dazu, dass im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts eine Anzahl edler, besonders wendischer Familien aus dem Westen, dem Schwerinisch-Ratzeburgischen, nach dem Osten wanderte und dort sesshaft blieb.


Zu diesen aus dem Westen nach dem Osten Mecklenburgs verpflanzten Geschlechtern gehören auch die Hahn und die ihnen stammverwandten von Dechow. Die Feststellung der Stammverwandtschaft verschiedennamiger Familien bei gleichem Wappen gründet sich hauptsächlich auf das von Lisch (Geschichte und Urkunden des Geschlechts Hahn. 4 Bde. Schwerin 1844-56. gr. 8. Bd. I. Text S. 18. Urkunden S. 24-25.) urkundlich nachgewiesene Verhältniss dieser beiden Häuser, welche nach einer Urkunde von bald nach 1237 von zwei Brüdern, Godescalcus de Degowe et frater suus Eckehardus Gallus, abstammen. Oft kommt bei solchen durch den Namen unterschiedenen Zweigen desselben in der Gleichheit des Wappens vereint gebliebenen Stammes auch die Belehnung zu gesammter Hand vor, wie dies für die von Plate und von Bevernist in dem diesjährigen Jahrbuche des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde von Lisch nachgewiesen ist.

Eckhard Hahn († um 1250), der Stammvater des Geschlechts, war einer der vorzüglichsten Räthe des mecklenburgischen Fürsten Johann's des Theologen. Seine Besitzungen lagen ohne Zweifel, wie die seines Bruders Gottschalk von Dechow, im Lande Gadebusch oder im Ratzeburgischen. Vielleicht hatte er ein Burglehen zu Gadebusch. Sein Sohn, Nikolaus Hahn, der vertrauteste Rath und wahrscheinlich der Pathe des Fürsten Nikolaus von Werle zu Güstrow, wurde der Begründer des Hahn'schen Besitzes im östlichen Mecklenburg. Gewiss ist, dass ihm Schlakendorf in der Parochie Jördenstorf und zeitweilig auch Lupendorf (nahe bei Basedow) gehörten, und man muss annehmen, dass er im Lande Laage und im Lande Malchin noch andere Güter erwarb. Auch im Lande Röbel erscheint gleich nach ihm (er starb 1297) Solzow im Hahn'schen Besitze.

Dieses Nikolaus Sohn, Nikolaus II. Hahn, ein in wichtigen Staatsgeschäften viel genannter Rath der Fürsten Nikolaus II. von Verle-Parchim und Johann III. von Werle-Goldberg, wurde durch seine vier Söhne, ,,Clawes, Eckhard, Mathyas und echt Clawes.d. h. Nikolaus, Eckhard, Matthias und wiederum Nikolaus, der Stifter der vier Linien Basedow, Kuchelmiss, Klein-Wardow und Wozeten, d. h. der Gesammtlinie Basedow.

Den vier genannten Söhnen verlieh nämlich Fürst Johann III. von Werle-Goldberg am 3. Mai 1337 zu gesammter Hand die vorher von den von Luch (Luche) besessenen Güter Basedow, Gessin und Sand-Liepen (Holz-Liepen erwarb erst 1436 Lüdeke II. hinzu) zu einem erblichen Lehn mit Befreiung von allen möglichen Verpflichtungen, Diensten und Abgaben, nur einen Rossdienst und den Lehnsverband ausgenommen, im Uebrigen so frei, wie die werleschen Fürsten die Güter besessen hatten. Die Stiftung des Hauses Basedow aber, in welchem sich der Bestand des altberühmten Geschlechts fünfhundert Jahre lang erhalten, und das für den festen Besitz und den reichen Erwerb desselben an geistigen Schätzen immer der glanzvolle Mittelpunkt geblieben ist, knüpft sich an die Urkunde vom 11. November 1349, und wurde daher im Schlosse zu Basedow am 11. November 1849 festlich begangen. Dieser in unserer urkundlichen Geschichte einzige Freiheitsbrief des Fürsten Johann III. von Werle-Goldberg und seines Sohnes Nikolaus IV. hebt die Gesammtbelehnung der vier Brüder Hahn für die drei genannten Güter auf und giebt dieselben (dazu in besonderen Urkunden von demselben Tage Deutsch-Wargentin bei Basedow und Jahmen in der Vogtei Laage) dem ältesten der Brüder, dem Knappen Nikolaus III. und seinen Erben zu vollem, freiem Eigenthume, mit der höchsten und aller andern Gerichtsbarkeit, mit der Freiheit von allen Beden, Zehnten und anderen Abgaben, mit der Befreiung von jedem Dienst, sei es Rossdienst, Burgdienst oder Spanndienst, mit allem Eigenthum, ,,also alse heren eghendom hebben", mit der Befugniss, diese Güter an Jedermann verkaufen zu können, ausser an geborne Landesherren, und für den Käufer einen gleichen Freiheitsbrief von den Landesherrn fordern zu dürfen. Der volle Besitztitel für Deutsch-Wargentin wurde jedoch erst 1532 von dem Kloster Arendsee bei Salzwedel erworben, welchem Wargentin am 26. Juni 1215 von dem Pommernherzoge Casimir geschenkt und dadurch eine Pflanzstätte der Germanisirung und der Christianisirung für diese Gegenden geworden war. Wargentin ging im vorigen Jahrhunderte ganz zu Grunde; seine Feldmark liegt innerhalb der ausgedehnten Feldmark von Basedow, wo man zwischen Schloss und See, im Acker die Stelle der Kirche und des Kirchhofs an dem Domengebüsche auf erhöhetem und mit einem Graben umzogenen Boden noch erkennt. Dass Wargentin die angedeutete Wichtigkeit auch wirklich besass, dafür zeugt die ,,Wargentiner Strasse" und das „Wargentiner Thor" in Malchin noch heute; bis in das sechzehnte Jahrhundert ward der See nicht nach Malchin benannt, sondern hiess ganz allgemein der ,,Wargentiner See", und so lange noch Ueberreste des Dorfes vorhanden waren, wurde der jetzige Basedow'sche Thiergarten das „Wargentiner Holz" genannt. Durch diese Erwerbung so wie die von Wendischhagen, Bristow (seit 1352) u. s. w. umspannten die Hahn'schen Besitzungen den nördlichen Theil des See's ganz, so dass es nicht zu verwundern ist, wenn eine Urkunde von 1374.(Lisch, Maltzahn'sche Urkunden, Bd. II S. 262.) denselben den „Hahnen-See" nennt, gewiss im Anschluss an die damals im Munde des Volkes lebende Bezeichnungsweise, wie noch jetzt die Benennung „das Hahnenwasser" in volksthümlicher Ueblichkeit ist.

Nikolaus III. der Alte († um 1363) unternahm, wie Lisch (Bd. II. S. 48.) vermuthet, die erste Anlage des alten Schlosses zu Basedow. Er war es, der in dem mecklenburgisch-pommer'schen Kriege um die Länder Barth, Grimme und Triebsees als Führer eines Heerhaufens tapfer kämpfte, aber am 25. October 1351 am Sclioppendamme vor Loiz von dem Herzog Barnim III. von Pommern-Stettin eine Niederlage erlitt, deren Gedächtniss sich in dem pommerschen Spottverse erhielt:

Hane, Hane, wol 1) heft thoreten dinen kam?
Here, dat heft gedan hertoch Barnam;
idt is ein klein man von liwe,
overst ein held im kiwe 2).
Wo hestu denne gelaten vmse lude? –
Her, se synt in godem beholde,
synt se nich tom Sunde,
so synt se tom Gripswolde.

Nach seines Sohnes Nikolaus IV. Hahn († um 1372) Tode trat um das Jahr 1380 die Theilung der Linie Basedow in das Haus Basedow und das Haus Wendisch-Wargentin ein. Die Aufzählung der dabei zur Theilung kommenden Grüter zeigt, wie sehr der Basedow'sche Besitz durch neue Erwerbungen und Belehnungen wie durch den Anfall von anderen Linien in noch nicht fünfzig Jahren angewachsen war. Mit Basedow erhielt der Knappe Ludolf Hahn, der Bruder Nikolaus IV., mit welchem er bisher in Gemeinsamkeit des Besitzes gewesen war. Deutsch-Wargentin, Gessin, Sand-Liepen, Demzin, Jabel und die Mühlenfuhr zu Rambow. Seine Neffen, Nikolaus und Matthias, erhielten. Wendisch-Wargentin, Wendischhagen, Lilienberg, Theile von Remplin, Bristow, Grube, Jahmen, Wozeten, Klein-Wardow, endlich die Mühlenfuhr und das Kirchenpatronar zu Panstorf. Die Besitzungen beider Linien trennte das Flüsschen Peene; der Fischfang auf diesem Flusse wie auf dem See und der Burgwall Knipenburg blieb beiden.gemeinschaftlich.




1) D. h. wer..
2) D. h. Streite.