Dievenow - Seebad, Halbinsellage auf der Insel Wollin, Vorpommern

Dievenow in seiner Halbinsellage auf der Insel Wollin hat als Seebad offenbare Vorzüge vor mancher anderen Gegend des Ostseestrandes. Berg-Dievenow, auf einer Nehrung von etwa 1000 Schritt Breite am Kamminer Bodden, heißt der Hauptort für die Ansiedelung der Badegäste, die aber auch in den nahe liegenden Ortschaften Ost-, West- und Klein-Dievenow Unterkommen finden. Kammin, welches an jenem Binnensee liegt, ist in einer halben Stunde zu erreichen, und Stettin durch die tägliche Dampfschiffverbindung in wenigen Stunden.

Die Sommerhitze wird von zwei Wasserseiten her abgekühlt; der schwere Dünensand gibt keinen Staub; der Wellenschlag wird bedeutender durch das ins Meer sich streckende Land, welches keine Bucht bildet. Von der niedrigen Düne steigt man mit wenigen Schritten sicher und bequem in die See. Man unternimmt Lustfahrten auf dem Bodden in nächster Umgebung ganz leicht, ebenso Spaziergänge durch Erlengebüsche zu romantischen Waldhöhen. Diese ziehen sich bis Neuendorf (1/2 Meile von Wollin per Wagen) und eine Meile weiter bis Misdroy an der Pommerschen Bucht. Letzterer Badeort der Insel Wollin, mit einer gewählteren Gesellschaft und entsprechenden Preisen, hat in den vierziger Jahren Dievenow, das ältere Seebad, auf ähnliche Weise verdrängt wie Heringsdorf auf Usedom um 1830 Swinemünde, während nach Bevorzugung der Lage unmittelbar am Strande Heringsdorf mit Dievenow rangiert, nur dass letzteres seinen ländlichen Charakter nebst billiger Verpflegung bewahrt hat.


Doch wird Misdroy das Publikum darum nicht weniger befriedigen: denn — abgesehen dass jede Ansiedelung sich eigentümlicher Vorzüge erfreut, z. B. Misdroy eines vorzüglichen Trinkwassers und der herrlichen Strandpromenaden — es hat sich seine Beliebtheit durch Kultur und Komfort während der jüngsten 25 Jahre erworben und erhalten. Gar treffend schildert Virchow in seinem Archiv 1858 den physischen Eindruck des Meeres, den er dort empfunden. Er würdigt die Wirkung des Lichtreflexes am Meeresufer, den Ozongehalt und die Feuchtigkeit der Luft, den Choc des Eintauchens, den Wellenschlag und das Salz des Wassers, vor allen Dingen das Seebad als ein kaltes Bad von 9 bis 18° R. „Aber die größte Bedeutung gewinnt das Seebad gegenüber den Süsswasserbädern durch die gleichzeitige Wirkung der Seeluft.“