VIII. Kongress

Der VIII. Kongress fand im Haag statt und währte vom 14. — 21. August. Etwa 400 Delegierte waren erschienen, und ein zahlreiches Publikum folgte den Verhandlungen. Der Präsident des A.-K, Herr David Wolffsohn, gedachte in seiner Eröffnungsrede der schweren Leiden, die das jüdische Volk in den letzten Jahren zu dulden hatte und berichtete über die von der zionistischen Organisation eingeleiteten Notstandsaktionen. Gegenüber der aussichtslosen Arbeit der Philanthropie bleibe das zionistische Programm in seiner Klarheit und Bestimmtheit bestehen. Auf dem dreifachen Wege der Politik, der Vorbereitung des Volkes und der Vorbereitung des Landes müsse es verwirklicht werden. Darauf erhob sich Dr. Max Nordau zu einer großen Rede, in der er die grundlegenden Ideen des Zionismus nochmals darstellte und die zahlreichen Irrtümer und Missverständnisse beleuchtete, welche über den Zionismus verbreitet würden. Wenn auch die bisherigen materiellen Erfolge gering seien, so dürfe man dieselben doch nicht unterschätzen und die Hoffnung sei gerechtfertigt, daß auch die Regierungen für die zionistischen Ideen gewonnen werden könnten. Nach der Wahl des Präsidiums wurde die erste Sitzung geschlossen. In der Nachmittagssitzung ergriff Herr N. Sokolow das Wort zum Rechenschaftsbericht des A.-K Der Bericht betont die Schwierigkeiten, welche mit der Übersiedlung des Zentralbureaus nach Köln verbunden waren. Die Einrichtung einer neuen Filiale der A. P. C. in Beirut, die Legalisierung des N. F., die Hilfeleistung bei den Progromen und die Einberufung der Brüsseler Konferenz nahmen alle Kraft in Anspruch. Die „Welt“ und der „Jüdische Verlag“ wurden nach Köln verlegt; für das hebräische Gymnasium und das hebräische Wörterbuch wurden Subventionen bewilligt. Was die Lage des Zionismus in den einzelnen Ländern betrifft, so hat die russische Organisation unter der Ungunst der Verhältnisse, schwer gelitten. In Österreich stand die innerpolitische Betätigung und die Bildung des Jüdischen Klubs im Reichsrat im Vordergrund des Interesses. In allen anderen Ländern breitet sich die Bewegung ständig aus.

Nach dem Kassenbericht sind für das Jahr 5667 100.263 Schekel im Betrage von 83.750 M eingegangen. Am Freitag den 16. erstattete Herr Prof. Warburg den Bericht der Palästinakommission. Der Mangel an Mitteln erschwere die Arbeit außerordentlich. Die Forschungsarbeiten in Palästina seien fortgesetzt worden, die Zeitschrift „Palästina“ erscheine mit Unterstützung jüdischer Kolonisationsvereine. Die P. C. sei an der Leitung des Bezalel beteiligt und habe den „Pflanzungsverein Palästina“ sowie das „Palästina Industrie-Syndikat“ ins Leben gerufen. In Aussicht genommen sei eine Arbeiter-Heimstätten-Genossenschaft“, ein Agrarfonds und eine Agrikultur-Gesellschaft. Zum Schluß fordert Prof. Warburg die Schaffung eines Palästina-Ressorts im Engeren A.-K. sowie neue Einnahmequellen für die P. C.


Dr. Bodenheimer erstattet den Bericht über den N. F., der gegenwärtig ca. 60.000 £ besitze. Nach der Legalisierung des N. F. habe das Direktorium ein Grundstück zur Anpflanzung des Herzlwaldes sowie für den Bezalel angekauft.

Die nächste Sitzung wurde darauf auf Sonntag den 18. vertagt. In dieser referierte Herr Dr. Katzenelsohn über die Jüdische Kolonialbank. Die Bank werde sehr vorsichtig verwaltet und zeige eine allmähliche Entwicklung. Ihr Tochterinstitut, die A. P. C, nehme einen großen Aufschwung und sei ein wichtiger Faktor im wirtschaftlichen Leben des Orients geworden. Große Schwierigkeiten bereite die Frage der Abänderung der Statuten. Nachdem diese mehrfach beschlossen war, erfolgten entsprechende Anträge beim englischen Gericht, welches die Entscheidung jedoch vertagte, weil von territorialistischer Seite Einspruch erhoben wurde. Da nunmehr eingehende Erhebungen über die Stimmung der Aktionäre angeordnet seien und der Ausgang des Prozesses, der für die Bank materiell sehr ungünstige Folgen haben könne, nicht abzusehen sei, so müsse man sich fragen, ob dieser Prozess weitergeführt werden solle. An das Referat schloss sich eine ausführliche Debatte. Endlich beschloß der Kongress, die Entscheidung der Frage dem Engeren A.-K. unter Zuziehung von drei Juristen zu überlassen.

Sodann referierte Herr Dr. Schemarjahu Lewin über ,,Nationale Erziehung in Palästina“. Das wichtigste Mittel, die jüdische Jugend in Palästina bodenständig zu machen, sei die Pflege der hebräischen Sprache. In dieser Hinsicht müsse ein einheitliches System des Unterrichts geschaffen werden.

Den Höhepunkt des Kongresses bildete die Palästina-Debatte, in der zahlreiche Redner das Wort ergriffen, vor allem Leo Motzkin, Dr. Alex. Marmorek und Dr. Weizmann. Die Bedeutung politischer Arbeit und die Abgrenzung der praktischen Tätigkeit in Palästina bildeten die Hauptprobleme der Debatte. Im Gegensatz zu den Verhandlungen des Vll. Kongresses waren jedoch prinzipielle Gegensätze nicht zu konstatieren. Die Vertreter der mehr politischen Richtung opponierten nicht gegen jede Tätigkeit in Palästina; nur wünschten sie, daß die großen politischen Gesichtspunkte nicht vergessen würden, daß die praktische Arbeit in den Rahmen des politischen Zionismus eingefügt und nicht zum Selbstzweck werde. Von der anderen Seite wurde auf die große Bedeutung hingewiesen, welche die praktische Arbeit für den Zionismus habe. Der Kongress beschloß, innerhalb des Engeren A.-K. ein Palästinaressort zu schaffen, dem 25% der Einnahmen des A.-K. zufließen sollen. Diesem Ressort wird in Palästina selbst ein Palästinaamt unterstellt. Ferner soll bei der A. P. C. eine Abteilung für langfristige Kredite auf ländlichen und städtischen Boden eingerichtet werden, welche auch das Recht haben soll, Boden zu kaufen und zu verpachten. Nach dem ausführlichen Referat des Herrn Dr. Ehrenpreis nahm der Kongress eine Reihe von Thesen, betreffend die nationale Erziehung, sowie den Antrag Sokolow, die hebräische Sprache im Prinzip als offizielle Sprache der zionistischen Bewegung einzuführen, an. Herr Moser stiftete 10.000 M. für den Bezalel und 80.000 M für das hebräische Gymnasium in Palästina. Für die misrachistische Schule wurden 10.000 M gezeichnet

Dienstag nachmittag folgte die Debatte über das neue Organisationsstatut (s. d.), welches neben anderen Änderungen die Bestimmung enthält, daß 3000 Schekelzahler mit Genehmigung des Engeren A.-K. auch über die Grenzen einer Landsmannschaft hinaus eine Föderation bilden dürfen.

Mittwoch nachmittags fand die Schlusssitzung statt. Auf Antrag des Präsidenten Herrn Wolffsohn beschloß der Kongress die Einführung einer einmaligen Parteisteuer von 5 Frcs.. Es wurde darauf vom Kongress gewählt das engere A.-K, bestehend aus David Wolffsohn als Präsidenten, Prof. Warburg, Jakobus Kann. Nachdem die Wahlen für das Große A.-K. vollzogen waren, wurde der Kongress durch Herrn Wolffsohn geschlossen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch