Hess, Moses

Allgemein bekannt als einer der Vorläufer des modernen Sozialismus, wie auch als Freund und Mitarbeiter von Karl Marx; wenig bekannt als einer der ersten Begründer des Zionismus in Deutschland, dessen grundlegende Ideen im Kern bereits in Hess Werk „Rom und Jerusalem“ enthalten sind.

Hess wurde geboren am 21. Januar 1812 in Bonn. Seine Eltern waren fromme Juden, die ihm eine gut jüdische Erziehung gaben. Lange Zeit lebte er im Hause seines Großvaters in Bonn, der ebenfalls dem Knaben eine tiefe Liebe für das Judentum einpflanzte. 1830 bezog er die Universität Bonn. Schon damals soll er eine wissenschaftliche Begründung des Sozialismus verfaßt haben. Jedenfalls aber führten seine sozialistischen Anschauungen zum Bruch mit dem Vater. Hess ging nach England, lebte auch eine Zeitlang in Paris, wanderte dann nach Deutschland zurück und blieb in einem Dorf bei Metz als Lehrer. Nach Versöhnung mit dem Vater trat er in dessen Geschäft in Köln ein, was jedoch nur den Anlaß zu einer neuen und definitiven Entzweiung mit dem Vater bot. Sein erstes größtes Werk erschien 1837 in Stuttgart unter dem Titel ,,Die heilige Geschichte der Menschheit. Von einem Jünger Spinozas“. 1840 heiratete er; seine Ehe blieb kinderlos. Ein geschichtsphilosophischer Versuch ist das 1841 in Leipzig anonym erschienene Buch „Die europäische Triarchie“, ein Werk, das geradezu prophetische Stellen enthält und in unserer Zeit aktueller ist als je. Es handelt von der Vereinigung der drei großen Mächte Deutschland, Frankreich und England. 1842 bis 1843 war er Redakteur bei der „Rheinischen Zeitung“, dem Organ der gesamten preußischdeutschen Opposition. In den folgenden Jahren arbeitete Hess von Paris aus an verschiedenen oppositionellen Zeitschriften mit, u. a. auch an den „Deutsch französischen Jahrbüchern“, die Marx und Rüge herausgaben. Paris wurde seine zweite Heimat, wo er mit einigen Unterbrechungen als Journalist lebte und am 6. April 1875 starb. Seine Leiche wurde, seinem letzten Wunsche gemäß, nach Deutz in das Erbbegräbnis seiner Eltern überführt


Sein für uns wichtigstes Werk ist das oben genannte 1862 erschienene Buch „Rom und Jerusalem“, das in die damalige Zeit der begeisterten Assimilation wie eine Stimme aus einer anderen Welt hineinklang. Es begegnete absoluter Verständnislosigkeit, und noch die beste Kritik gab der Herausgeber der Wiener „Neuen Zeit“, Simon Szanto, mit den folgenden Worten, die er freilich anders meinte als wir sie verstehen wollen: „Es ist eine neue Idee, die mit ihren Theorien viel zu spät kommt, es ist ein alter Gedanke, der mit seinen praktischen Forderungen viel zu früh kommt.“ In der Tat kam Hess dem deutschen Judentum um ein halbes Jahrhundert zu früh. — „Rom und Jerusalem“ erlebte 1899 eine Neuauflage, heraus gegeben von Dr. M. J. Bodenheimer. Die eingehendste und beste Studie über Hess, in der auch alle weiteren Literaturnachweise zu finden sind, schrieb Dr. Theodor Zlocisti in der breit angelegten Einleitung des von ihm herausgegebenen Buches „Moses Hess' jüdische Schriften“, Berlin 1905.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch