Charkow

Die Diskussion des Ugandaprojektes auf dem VI. Kongress hatte die heftigen Meinungskämpfe verursacht, die sich während der folgenden Monate mehr und mehr verschärften. Ein großer Teil der russischen Landsmannschaft befand sich in entschiedenem Gegensatze zu dem Plan einer Besiedlung Ostafrikas, der nach ihrer Ansicht nur das Aufgeben Palästinas zur Folge haben konnte, obwohl Dr. Herzl in der Schlussrede zum VI. Kongress feierlich sein Festhalten an Palästina beteuert hatte. Der Ausdruck ihrer Stimmung war die Konferenz von Charkow. Dort vereinigten sich im Oktober 1903 unter Führung Ussischkins eine Anzahl russischer Zionisten, unter ihnen mehrere Mitglieder des Großen Aktions-Komitees, und fassten eine Reihe von Beschlüssen, die vielleicht infolge der allseitigen Erregung verständlich, für die Partei aber höchst schädlich waren. Die wesentlichsten dieser Beschlüsse wenden sich in schroffster Form gegen das Projekt, das als Verletzung des Baseler Programms bezeichnet wird, und fordern von Dr. Herzl schriftliche Erklärungen, daß er es aufgeben werde. Diese Forderungen sollten ihm in der Form eines Ultimatums überreicht werden. Für den Fall der Ablehnung desselben scheute man sich nicht, den offenen Widerstand und die Bekämpfung Dr. Herzls, Zurückbehaltung der Schekelgelder und Gründung einer Sonderorganisation zu proklamieren. Die Maßlosigkeit dieser Forderungen, der Versuch, die Parteileitung durch ein Ultimatum zu terrorisieren, veranlaßte eine lange Reihe von Gegenkundgebungen, die dem A.K. das Vertrauen der Zionisten aus drücken sollten.

Erst im April 1904 kam der Streit zur Ruhe. In einer Tagung des Großen Aktien-Komitees gab Dr. Herzl Aufklärungen, die das Misstrauen der russischen Mitglieder zerstreuten und ihnen die Gewißheit gaben, daß die Leitung unablässig für die Gewinnung Palästinas arbeitete.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch