Chaluka

Bis weit in die talmudische Zelt reichen die Sammlungen für Palästina zurück. Durch das ganze Mittelalter hindurch wurden die palästinensischen Sendboten wie „Brüder aus dem fernen gemeinsamen Vaterhause“ überall in der Diaspora mit offenen Armen aufgenommen. Die heute in Amsterdam bestehende Verwaltung kann als ihr Geburtsdatum das Jahr 1809 ansehen. Aus der Einsicht heraus, daß das System der Sendboten unverhältnismäßige Kosten verursachte, übertrug man damals drei Amsterdamer Männern von hohem Ansehen, Goedeinde, Prins und Lehren, die alleinige Sammlung der Verwaltung der Erez-Israel Gelder. Die Verteilung selbst verursachte zu jener Zeit keine nennenswerte Schwierigkeit, weil es in Jerusalem nur eine, an Seelenzahl dazu nicht bedeutende Gemeinde gab, fast ausschließlich aus Sephardim bestehend. Der Zuzug nach Palästina aus „aschkenasischen“ Ländern (also Rußland und Westeuropa) erfuhr aber sehr bald eine wesentliche Verstärkung, so daß schon im Jahre 1824 aus Gründen der Billigkeit ein wesentlicher Teil der — zumeist aus Holland und Deutschland stammenden — Gelder der inzwischen zu einer Gemeinde angewachsenen deutschholländischen und der osteuropäischen Einwanderergemeinschaft zugewiesen werden mußte. Von jener Zeit an wurde, nachdem Rabbi Hirsch Lehren in beispielloser Hingebung für die Sammlung agitiert und eine Organisation geschaffen hatte, das Problem der Verteilung immer schwieriger.

Während einerseits auf Grund rein menschlicher, wie halachischer Erwägungen der holländisch-deutschen Gemeinde zweifellos ein gewisser Anspruch auf besondere Berücksichtigung zustand, forderten andererseits doch die ungeheure Überzahl der aus Osteuropa Eingewanderten, deren Chaluka im Verhältnis viel geringer war, und die Sephardim (die ja im Hinblick auf die Amsterdamer Chaluka das Sendbotenwesen aufgegeben hatten), entschieden Berücksichtigung. Daraus entstand das System des Pescher, d. h. der Schlüssel, nach dem die Eingänge auf die einzelnen „Kollim“ verteilt werden. Er wurde zuletzt im Jahre 1896 so festgesetzt, daß 45 — 48% der Eingänge auf die sehr kleine holländisch-deutsche, ca. 55% auf alle übrigen Gemeinden entfallen. Die erstgenannte ca. 200 Seelen umfassende Gemeinde erhält von Amsterdam — von den „Pekidim und Amarkalim“, wie die palästinensischen Gemeinden dort heißen — ihren Anteil bestimmt. Die übrigen 30 — 40 000 Seelen erhalten von palästinensischen Vorstehern je nach Belieben eine Quote zugebilligt.


Die Verteilung nach Landsmannschaften ist schon oft der Gegenstand scharfer Angriffe gewesen, weil sie die Judenheit der einzelnen Gemeinden in den Städten an der Vereinigung hindert und weil von den palästinensischen Verwaltern vielfach nach Willkür die Spenden auch an Nichtbedürftige abgegeben werden. Ordnung würde erst die von Dr. Friedemann vorgeschlagene Errichtung eines unabhängigen Chalukaamtes schaffen. Am 11. September 1906 beschäftigte sich eine Konferenz von Freunden des heiligen Landes aus orthodoxen Kreisen der Judenheit mit der Frage, welche wirtschaftlichen und religiösen Erfolge die Chaluka im heiligen Lande erziele oder erzielen könnte. Der erste vorläufige Erfolg ist ein Zirkular an die Vertrauensmänner der Chaluka, vom Juni 1907, das Reformen wenigstens anbahnt. Die jährlichen Einnahmen beziffern sich auf etwa 2½ Millionen Frcs., die bisher lediglich zur Förderung des Talmudstudiums dienen und gänzlich unproduktiv bleiben, während ohne Schmälerung des frommen Zweckes mit dem Gelde bei verständiger Verwendung Arbeitsgelegenheit für Tausende geschaffen werden könnte. Aber Eltern, deren Kinder moderne jüdische Schulen des Hilfsvereines, der Alliance etc. besuchen, verlieren z. B. heute die Unterstützung, wenngleich von Amsterdam keine Weisung in dieser Richtung gegeben ist. Die Vorsteher in Palästina halten sich aber fast immer an den „Cherem“ (Bann), der über den Schulen ruht.

Literatur: Dr. Berliner im Hamb. Isr. Familienbl. v. 5. Januar 1905. Dr. Friedemann daselbst 8. Dezember 1904, 5. Januar 1905 und 2. Februar 1905, sowie ,, Palästina, Reisebilder“ S. 47, 116, 119. Dr. Grünhut, Jerusalem, in der Rundschau Nr. 14 v. 1905, Dr. Löwe in „Zionistenkongress und Zionismus“ Brünner Volkskalender 5664, S. 151 ff. Eberhard, Chaluka und Chalukareform. Aus den Mitteilungen und Nachrichten des Deutschen Palästina Vereins abgedruckt in der Jüdischen Rundschau, 1908, Nr. 20 und 21.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch