Adolf Damaschke: Zionismus und Bodenreform.

Ein Brief von Adolf Damaschke, Präsidenten des Bundes deutscher Bodenreformer.

Als Bodenreformer interessiert mich in erster Reihe die kolonisatorische Seite in Ihrer Bewegung. Ob Sie hier Ihr Ziel erreichen können, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich das Menschenmaterial, auf das es zumeist ankommt, die Israeliten Osteuropas, nicht aus eigener Anschauung kenne.


Palästina kenne ich ein wenig. Aus den Unterhaltungen, die ich mit den schwäbischen Bauern der deutschen „Templer-Kolonien“ hatte, klang stets eine gewisse Befriedigung über das Erreichte und eine feste Hoffnung auf weitere Erfolge.

Es ist mir gewiss, dass tüchtige Menschen, die über die schweren Enttäuschungen und Entbehrungen der ersten Jahre und vielleicht Jahrzehnte durch die Begeisterung für ein hohes Ziel hinweggetragen werden, gerade in Palästina viel erreichen könnten.

Dass eine Kolonisation großen Stiles heute einfach die Landeigentumsverhältnisse Deutschlands, Österreichs etc. zur Grundlage nehmen würde, ist wohl so gut wie ausgeschlossen. Hier haben wir noch nicht ein Jahrhundert die Mobilisierung des Vaterlandes, und das unaufhaltsame Wachstum seiner Verschuldung (in Deutschland beträgt die Zunahme der Hypothekarverschuldung alle Jahre circa 1500 Mill. Mark) und der Schrei der Verzweiflung, der durch unsere Landwirtschaft geht, und die zum Teil furchtbare Wohnungsnot unserer Großstädte: Das sind die Früchte, die das Wesen dieses Systems klar erkennen lassen.

Wer etwas wahrhaft Großes aufrichten will, der wird das alte Bibelwort, dass die Gerechtigkeit allein ein Volk erhöhet, nicht in der Ordnung der grundlegenden sozialen Verhältnisse, in denen des Bodeneigentums, vergessen dürfen, der wird den Weg gehen müssen, der allein persönliche Freiheit und soziale Gerechtigkeit vereint, den der Bodenreform.

Und was sollte in Palästina näher liegen als sie? Henry George's, unseres Lehrers, grandiose Vorlesung: „Moses“ ist weit über das anglosächsische Sprachgebiet hinaus bekannt. Wenn auch andere Zeitverhältnisse andere Verwirklichungsformen bedingen mögen — die Grundwahrheit der Bodenreform ist noch von keinem anerkannten Führer eines Volkes so klar und konsequent vertreten worden, wie von dem gewaltigen Führer des Exodus.

Das überraschend schnelle Vorwärtsdrängen der Bodenreform, namentlich in Amerika, England, Australien etc. zeigt, dass es sich hier nur um ein Stück Zukunft unserer Kultur handelt.

Es ist gewiss, dass in dem Augenblick, da Ihre Kolonisationsbestrebungen bewusst auf diese Grundlage gestellt werden, Sie des ernsten Interesses der weitesten Kreise sicher wären.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionisten und Christen