Abschnitt 1

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Wilhelm Ulenoge ist ein Zeit- und Schicksalsgenosse Alfonso Ceccarellis, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien die Urkundenfälschung gewerbsmäßig betrieb und im Jahre 1583 seine zahlreichen Verbrechen mit dem Tode büßen mußte. Wie bei Ceccarelli, so war es auch bei Ulenoge niedrige Gewinnsucht, die zur Hingabe an ein verbrecherisches Gewerbe geführt hatte. Aber zwischen der Thätigkeit beider besteht doch insofern ein Unterschied, als wohl für Ulenoge, nicht aber für Ceccarelli das Streben nach materiellem Vortheil allein die Gelegenheit zum ergiebigen Betriebe des Fälschergewerbes darbot. Das zu jener Zeit die italienischen Adeligen beherrschende Streben, den Ursprung ihrer Familien in möglichst frühe Zeit zurück zuverlegen, gab Ceccarelli die Handhabe, reichen Lohn zu ernten, indem er diesem Familienehrgeiz durch geschickt angelegte Fälschungen zu Hülfe kam. Was aber Ulenoge seine Kundschaft zuführte, war lediglich das Streben nach Besitz. Für das an Ceccarelli gespendete Gold erwarben die Betrogenen nur einen vorüber gehenden Glanz ihres Namens, sie büßten eine Modethorheit mit schweren Opfern; die Kunden Ulenoges wollten durch die geringsten Opfer möglichst großen materiellen Gewinn ernten. Auch wenn sie die Betrogenen waren, suchten sie die ausbedungene Bezahlung hinauszuschieben oder ganz zu umgehen. Waren sie aber Ulenoges Mitschuldige oder wußten um seine Verbrechen, so konnten sie ihn um sehr billigen Lohn für sich arbeiten lassen.


Ulenoges Lebensgeschichte liegt im Dunkeln. Wir wissen nur, daß er aus Westfalen stammte und in Rostock, wo er in kinderloser Ehe verheirathet war, den Beruf eines Notars ausübte. Ein Bruder von ihm, Georg mit Namen, war Bürger zu Stralsund.

Nur wenige Jahre hatte Ulenoge seine Fälschungen betrieben, als er durch einen Zufall entdeckt wurde: Mitte November 1569 war in Rostock der Graveur Lambrecht Albrechts, gebürtig aus Hasselt in Geldern, wegen Wahrsagerei und Zauberei verhaftet worden. Die bei ihm vorgenommene Haussuchung förderte die Abdrücke mehrerer alter herzoglich meklenburgischer Siegel zu Tage. Als man den verhafteten Graveur nach der Herkunft dieser Abdrücke fragte, bekannte er freiwillig, daß im vergangenen Sommer Wilhelm Ulenoge im Auftrage der Herzöge die entsprechenden Siegel bei ihm bestellt habe.

Der dadurch auf Ulenoge gelenkte schwere Verdacht wurde noch verstärkt durch die umlaufenden Gerüchte, nach denen Ulenoge an manche Adelige Briefe verkauft und im verflossenen Sommer durch vier Schreiber Pergament-Urkunden habe anfertigen lassen. Mehr aber noch als dies sprach gegen ihn der Umstand, daß er flüchtig geworden war. In Ribnitz, wo er sich angeblich aufhielt, war er für Bürgermeister und Rath zu Rostock nicht mehr erreichbar. Diese meldeten daher das Geschehene den Herzögen Johann Albrecht und Ulrich, die dann das Weitere zur Festnahme des Flüchtlings und zur Beschaffung des nöthigen Beweismaterials veranlaßten. Am 9. Dezember erging ein Befehl Herzog Ulrichs an den Rostocker Rath, Haus und Sachen des Notars Ulenoge zu versiegeln; und Tags darauf befahl Herzog Johann Albrecht dem Amtmann, sowie Bürgermeister, Stadtvogt und Gericht zu Ribnitz, in aller Stille Wilhelm Ulenoge gefänglich anzunehmen „vnd gebunden vnd wol verwart auf einem Wagen . . . anhero [nach Schwerin] zu pringen“, auch nöthigenfalls für Geleitsleute zu sorgen.

Den eifrigen Nachforschungen, die jetzt auf Geheiß der Herzöge und durch die Stadt Rostock angestellt wurden, gelang es, einiges wichtige Material beizubringen: So konnten am 15. Dezember Bürgermeister und Rath zu Rostock dem Herzog Ulrich die Gefangennahme eines der Ulenogeschen Schreiber, des Nicolaus von Stade, berichten. Dieser hatte sofort gestanden, auf Veranlassung und nach den Konzepten Ulenoges für die Moltkes zu Teutenwinkel 18 bis 19 Urkunden auf Pergament geschrieben zu haben. Am 17. Dezember war Rostock bereits im Besitz einer weiteren hochwichtigen Nachricht, die es ermöglichte, die Spur des inzwischen aus Ribnitz entwichenen Ulenoge wieder aufzunehmen. Dieser sollte nach glaubwürdigem Berichte am Dienstag, den 13. Dezember, mit der verwittweten Frau von Moltke in Tüzen bei Neubukow gewesen sein und beabsichtigen, in seine westfälische Heimath zu entkommen.

Aber wie schon vorher die Ribnitzer Meldung, so führte auch diesmal die gute Nachricht nicht zur Ergreifung des Flüchtlings. Der Stadtvogt von Neubukow fand ihn nicht mehr in Tüzen vor und mußte sich mit der Festnahme des dortigen Vogtes Hans Arends begnügen, der dann allerdings wichtige Aussagen über die weitere Flucht Ulenoges und die ihm dabei gewordene Unterstützung machen konnte.

Während so alle Mittel in Bewegung gesetzt wurden, um des Flüchtlings habhaft zu werden, eilte dieser unstät von Ort zu Ort. Sowie die Ergreifung des Wappenschneiders Albrechts ihm zu Ohren kam, war er aus Rostock entflohen in der Meinung, dieser wäre seinetwegen gegriffen worden. Zunächst begab er sich nach Ribnitz. Aber hier litt es ihn nicht lange; schon am Abend des 18. November erschien er zu Teutenwinkel im Hause Elisabeths von Halberstadt, der Wittwe Carin Moltkes, angeblich durch ein Schreiben von deren Tochter Ilse Hand herbeigerufen. Tags darauf kehrte er schon wieder nach Ribnitz zurück, wo er im Hause Gottschalk Preens abstieg. Mit diesem fuhr er Montag, den 21. November, nach Wehnendorf zu Heinrich Preen, um einen Vertrag über die Preenschen Erbgüter vermitteln zu helfen. Am Mittwoch, den 23. November, traf er wieder in Teutenwinkel ein und stieg in Abwesenheit von Carin Moltkes Wittwe im Kruge ab; erst am Donnerstag Abend hatte er eine Unterredung mit ihr auf dem Hofe.

Carin Moltkes Wittwe hatte durch eine Magd zwei gefälschte Moltkesche Petschafte aus Ulenoges Schreiblade in Rostock holen lassen. Die Magd brachte auch Ulenoges Gattin mit, die nun zum ersten Male mit ihrem Manne seit dessen Flucht zusammentraf. Das Wiedersehen war nur von kurzer Dauer. Als Ulenoges Gattin begann, der Herrin von Teutenwinkel Vorwürfe zu machen, wurde ihr von dieser der Hof verboten.

Ulenoge selber fuhr am Freitag, den 25. November, wieder nach Ribnitz zu Gottschalk Preen, den er am Sonntag nach Pantlitz in Pommern begleitete, wo Angelegenheiten der Familie Steinkeller geregelt werden sollten. Mittwoch Abend kehrten sie mit einander nach Ribnitz zurück.

Am Donnerstag, den 1. Dezember, kam Ulenoges Bruder Georg, der Stralsunder Bürger, auf einer Reise von Lübeck durch Ribnitz und nahm den Flüchtigen am Freitag auf seinem Wagen mit nach Stralsund. Dort blieb Ulenoge nur Sonnabend und Sonntag und fuhr am Montag, den 5. Dezember, wieder nach Ribnitz und von dort, nachdem er wieder mit Gottschalk Preen zusammengekommen war, am Mittwoch wieder nach Teutenwinkel.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen