Abschnitt 2

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Bis dahin gewähren die im Zickzack unternommenen Reisen Ulenoges durchaus nicht das Ansehen einer Flucht. Indem er es vermied, Rostock zu berühren, aber sehr häufig in nächster Nähe der Stadt weilte, konnte er stets über die sich dort entwickelnden Dinge unterrichtet sein. Und diese hatten bis dahin für ihn noch keine ungünstige Wendung genommen. Die Verhaftung des Graveurs Lambrecht war nicht, wie Ulenoge vermuthet hatte, wegen dessen Mithülfe an den Fälschungen geschehen. Trotzdem war es durch die Vorsicht geboten, daß Ulenoge sich einstweilen an Orten aufhielt, an denen er nicht von den Rostocker Behörden ergriffen werden konnte. Denn so lange die Verhaftung und das Verhör des Graveurs andauerte, konnte jeder Tag zur Entdeckung der Geschäftsverbindung beider führen. Wurde der Graveur wieder auf freien Fuß gesetzt, ohne daß diese Angelegenheit zur Sprache kam, so konnte Ulenoge wie von einer längeren Geschäftsreise wieder nach Rostock zurückkehren. Andernfalls, scheint er gehofft zu haben, auch nach der Entdeckung seiner Fälschungen noch genügend Zeit zu haben, sich durch eine beschleunigte Flucht in Sicherheit zu bringen.


Von Mitte November bis in den Dezember hinein war er so von Rostock abwesend, aber doch noch nicht eigentlich auf der Flucht gewesen. Zweimal war er während dieser Zeit in Pommern und hätte, sich von dort wohl weiter helfen können, wenn er nicht an der Möglichkeit festgehalten hätte, noch unentdeckt zu bleiben. So war er wieder nach Meklenburg und in die Nähe von Rostock zurückgekehrt.

Aber jetzt nach seiner zweiten Rückkehr aus Pommern sollte für ihn die Entscheidung fallen. Als er am Mittwoch, den 7. Dezember, wieder in Teutenwinkel eintraf, war man in Rostock bereits auf die Spur seiner Uebelthaten gekommen. Am gleichen Tage hatten Bürgermeister und Rath von Rostock ihre Entdeckung den Herzögen von Meklenburg mitgetheilt, und von nun an war Ulenoge an keinem Orte des Landes mehr sicher. Jetzt wagte es auch Carin Moltkes Wittwe nicht länger, ihn in Teutenwinkel zu beherbergen. Schon am Donnerstag führte ihn nächtlicher Weile Ilse Moltke auf Geheiß ihrer Mutter in einem Wagen nach Neukirchen, wo sie Freitag Morgens auf dem Moltkeschen Hofe ankamen.

Am Sonntag kam Carin Moltkes Wittwe selber mit Ulenoges Gattin nach Neukirchen nach. Letztere versorgte ihren Mann mit den zur Fortsetzung der Flucht nöthigen Geldmitteln. Sie brachte ihm angeblich „104 stück golts vnd etlich muncz gelt biß in 3500 fl.“ Hier in Neukirchen sollen auch Kopieen falscher Briefe verbrannt worden sein. 3) Zur Fortsetzung der Flucht wurde wieder die Nacht benutzt. Carin Moltkes Wittwe führte selber Ulenoge zu Wagen in der Nacht von Montag auf Dienstag nach Mitternacht von Neukirchen fort. Etwa zwei Stunden vor Tagesanbruch kamen sie am Dienstag, den 13. Dezember, auf einem anderen Moltkeschen Gute, dem schon erwähnten Tüzen, an.

Während Ulenoge hier bis Sonnabend blieb, kehrte Carin Moltkes Wittwe sofort nach Neukirchen zurück. Erst am Sonnabend früh, am 17. Dezember, kam sie wieder nach Tüzen und brachte die Nachricht mit, daß ihr Schreiber unter dem Verdacht, mit Ulenoge Handlung gepflogen zu haben, und Ulenoges Gattin in Rostock verhaftet worden seien, daß man sogar ihr, der Wittwe, selber nachtrachtete. Für sie, die sich durch die mehrfache Beherbergung und Weiterhülfe des Flüchtlings schon schweren Verdacht zugezogen hatte, war es jetzt die höchste Zeit, sich Ulenoges zu entledigen.

Was zwischen beiden bei diesem letzten Zusammentreffen in der Freiheit vorgegangen, darüber besteht durch die sich ergänzenden Aussagen beider ziemliche Klarheit. Der einzige Ausweg, den Moltkes Wittwe noch wußte und Ulenoge anrieth, war sich das Leben zu nehmen. Als Ulenoge sich dessen weigerte, benutzte sie die letzten Stunden des Beisammenseins noch, um wenigstens ein Beweismittel zu erhalten, auf welches gestützt sie ihre Unschuld an den Ulenogeschen Verbrechen darthun zu können hoffte. Sie forderte und erhielt von Ulenoge eine schriftliche Erklärung des Inhalts, daß er für sie keine falschen Briefe gemacht hätte. Außerdem mußte er schwören, was auch mit ihm geschehen würde, sie nicht anzugeben.

Am Nachmittage desselben Sonnabends wurde Ulenoges Flucht fortgesetzt. Zunächst wurde er von dem Wagentreiber der Wittwe Moltke in einem kleinen Kahn über den Tüzer See gerudert. Ulenoge war durch das letzte Auftreten seiner Beschützerin so eingeschüchtert worden, daß er bestimmt glaubte, sie habe dem Knecht befohlen, ihn in den See zu werfen. Nachdem die angstvolle Seefahrt beendet war, wurde bis zum Anbruch der Nacht im Walde gewartet. Endlich kam ein Wagen, geführt vom Tüzer Vogt Hans Arendes, und nahm den Flüchtigen auf. Vorne im Wagen saßen Ilse Moltke und eine Nonne; Ulenoge nahm hinten im Dunkeln unter dem Wagentuch Platz. Carins Wittwe hatte selber dem Vogt Befehl gegeben, ihre Tochter nach Stück zu fahren.

Vier Pferde vor dem Wagen, hielten sie nicht die gewöhnliche Straße inne, sondern kamen nach einer Nachtfahrt auf Abwegen am Sonntag, den 18. Dezember, früh Morgens in Groß-Trebbow an, als die Leute gerade zur Kirche gingen. Im Kruge von Tarzow hatten sie während der Nacht eine kurze Rast gehalten.

In Groß-Trebbow wurde der Wagen mit Ulenoge in Christoph Rabens Scheune geführt und Ulenoge nicht aus der Scheune gelassen, „vnangesehen das er Kelte halben gerne zum feur gewesen“. Bald erschien die aus Stück herbeigerufene Gattin Christoph Rabens. Sie war eine Schwester der Elisabeth Halberstadt, der Wittwe des Carin Moltke. Während mit ihr ein Imbiß eingenommen wurde und darnach eine kurze Unterredung zwischen ihr und Ilse Moltke stattfand, mußte Ulenoge allein in der Scheune warten.

Endlich wurde die Scheune wieder geöffnet; Christoffer Rabens Gattin trat zu Ulenoge herein und erklärte ihm nach einigen Fragen über die Veranlassung seiner Flucht, sie könne ihn nicht verbergen, denn sie säße dem Herzog Johann Albrecht zu nahe vor der Thür; aber sie habe zu Klein-Trebbow einen zuverlässigen Mann, der ihm schon weiter helfen würde.




3) Diese Darstellung der Flucht Ulenoges stützt sich vorwiegend auf die von ihm selber im Verlaufe des Verhörs gethanen Aussagen. Während Ulenoge im ersten Verhör, am 29. Dezember 1569, dies und jenes zu bemänteln sucht, sind seine im zweiten Verhör (beginnend am 23. Februar 1570) gethanen Aussagen, die er in schweren Folterqualen aufrecht erhielt und mit seinem Tode besiegelte, im Großen und Ganzen zuverlässig. Im Folgenden ist auch die Aussage des Vogtes von Tüzen, Hans Arendes, mit herangezogen. Sie stimmt mit der Ulenogeschen überein

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen