Wir schaffen unsere Widerstandsorganisation

Das Leben in Auschwitz war schon deshalb grausam, weil das Lager den ausgesprochenen Charakter einer Vernichtungsstätte trug. Diese Vernichtung wurde zunächst durch Prügel, Hunger, Abspritzen, Massenerschießungen usw. betrieben.

Wir erinnern uns noch, dass man einmal binnen drei Tagen 12.000 russische Kriegsgefangene bis auf wenige, die von guten Kameraden versteckt gehalten wurden, vernichtete.


Eines Tages verbreitete sich die Nachricht, im alten Krematorium des Stammlagers habe man einen Versuch gemacht, Häftlinge mit Gas zu töten. Sehr bald bestätigte sich diese Meldung. Im Nebenlager Birkenau wurden vier große Krematorien mit Gaskammern erbaut. Lähmendes Entsetzen legte sich über das ganze Lager, als dann die ersten Häftlinge aus dem Krankenbau für den Gastod ausgewählt wurden. Es folgten Selektionen aus dem Lager und viel häufiger Transporte, die man direkt aus der Freiheit in die Gaskammern führte. Aus Polen, Frankreich, Deutschland, Tschechoslowakei, Ungarn, Italien, Griechenland, Belgien, aus allen von Hitler besetzten oder beeinflussten Ländern schleppte man die Juden und Freiheitskämpfer gegen das Hitlerjoch zur Vernichtung herbei. Nur ein geringer Prozentsatz besonders Kräftiger wurde ausgewählt, um als Arbeitsvieh ausgenutzt zu werden. Alle anderen, einschließlich Frauen und Kinder, wurden sofort vergast.

Wir standen diesen Massenvergasungen machtlos gegenüber, ja, wir bekamen diese Menschen überhaupt nicht zu sehen. In allen Lagern, die zum Lagersystem Auschwitz gehörten, fanden nun ständig Selektionen statt. Immer diejenigen, deren Arbeitskraft nach Ansicht der SS-Gewaltigen verbraucht war, wurden dem Gastod zugeführt. Manchmal, wenn die Belegschaft des Lagers durch Einzeltransporte zu groß wurde, schickte man einfach eine bestimmte Anzahl Häftlinge zur Vergasung.

Viele politische Gefangene aus deutschen und anderen Zuchthäusern sind hier in Auschwitz in den Gaskammern umgekommen. Die letzten der Freiheitskämpfer des Warschauer Ghettos, viele französische, sowjetische und andere Partisanen wurden hier vernichtet. Neben diesen Vergasungen wurden im Block 11 die Massenerschießungen von Polen fortgesetzt. Durch diese Umstände waren die Häftlinge in ihrer großen Masse Fatalisten. Sie lebten von einer Selektion bis zur nächsten. Andere dagegen stellten sich morgens die bange Frage: Werde ich am Abend noch leben oder schon vergast sein?

Wir mussten also angesichts dieser Hölle versuchen, den Menschen wieder Lebensmut zu geben und ihnen zeigen, dass es einen Ausweg aus dieser Not gibt. Dieser Ausweg konnte nur der gemeinsame Widerstand sein, wir durften uns nicht kampflos unserem Schicksal überlassen.

Als erstes gaben wir die Losung aus: Wenn man uns auf die Autos packt, um uns an die Vergasungsstätte zu bringen, dann springen wir an der großen Bahnlinie Oberschlesien — Krakau (die man kreuzen musste) von den Wagen ab und werden uns mit der SS auseinandersetzen. Wir hatten ja nichts, aber auch gar nichts zu verlieren.

Insbesondere in den Reihen der Juden fand diese erste, äußerst primitive Losung ein Echo und wurde ein Mittel zur Sammlung der aktiven Kräfte unter ihnen. Die Schlacht von Stalingrad war längst geschlagen, aus den Ländern des Balkans hörten wir von großen Partisanenkämpfen, aus Frankreich von Häftlingen, wie heldenhaft die Antifaschisten gegen das Hitlerjoch kämpften. Und bei uns hier im Osten erlebten wir aus nächster Nähe den opferreichen Kampf des polnischen Volkes um seine Freiheit. Immer mehr Partisanentrupps tauchten in der Nähe des Lagers auf. Die Sowjetfront rückte näher. Angesichts dessen nahmen österreichische und deutsche Kommunisten und Sozialisten die Verbindung auf, um gemeinsam die Widerstandsorganisation aufzubauen. Zuerst stießen wir bei den polnischen Kameraden auf Misstrauen, dann einigten wir uns darauf, dass die Polen ihre Organisation allein und wir mit den übrigen Nationalitäten gemeinsam die unsrige aufbauen. Nur in der Spitzenleitung wollten wir gemeinsam arbeiten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Widerstand in Auschwitz