Abschnitt 3

Die Wenden
und die Kolonisation der Mark
durch die Zisterzienser


Die Zisterzienser in der Mark


1180 erschienen seine ersten Mönche in der Mark.
An wenigen Orten mochten die Vorzüge dieses Ordens deutlicher hervortreten als in der Mark, weil sie nirgends ein besseres Gebiet für ihre Tätigkeit fanden. Wo die Unkultur zu Hause war, hatten die Kulturbringer ihr natürlichstes Feld. Rechnen wir die Nonnenklöster desselben Ordens mit ein, die, wenigstens was die Bekehrung, Lehre und Unterweisung angeht, die gleichen Ziele wie die Mönchsklöster verfolgten, so haben wir über zwanzig Zisterzienserklöster in der Mark und Lausitz zu verzeichnen, von denen die große Mehrzahl vor Ablauf eines Jahrhunderts entstand. Weder die Prämonstratenser und Kartäuser gleichzeitig mit ihnen noch auch später die die Städte suchenden Dominikaner und Franziskaner sind ihnen an Ansehn und rascher Verbreitung gleichgekommen.
Dem Zeitpunkt ihrer Entstehung nach folgen diese märkisch-lausitzischen Zisterzienserklöster wie folgt aufeinander:

Zinna, Mönchskloster, in der Nähe von Jüterbog, 1171.
Lehnin, Mönchskloster, in der Nähe von Brandenburg, 1180.
Dobrilugk, Mönchskloster, in der Lausitz, 1180-1190.
Neuzelle, Mönchskloster, in der Lausitz, 1230.
Marienfließ oder Stepenitz, Nonnenkloster, in der Prignitz, 1230.
Dransee, Mönchskloster, in der Prignitz, 1233.
Paradies, Mönchskloster, im Posenschen (früher Neumark), 1234.
Marienthal, Nonnenkloster, in der Lausitz, 1234.
Zehdenick, Nonnenkloster, in der Uckermark, 1249.
Friedland, Nonnenkloster, im Ober-Barnim, um 1250.
Mariensee, Mönchskloster, auf der Insel Pehlitz im Parsteiner See, zwischen Oderberg und Angermünde (Uckermark), 1258.
Marienstern, Nonnenkloster, in der Lausitz, 1264.
Chorin, Mönchskloster, in der Uckermark, 1273.
Marienwalde, Mönchskloster, in der Neumark, 1286.
Heiligengrabe, Nonnenkloster, in der Prignitz, 1289.
Zehden, Nonnenkloster, in der Neumark, 1290.
Bernstein, Nonnenkloster, in der Neumark, 1290.
Reetz, Nonnenkloster, in der Neumark, 1294.
Himmelpfort, Mönchskloster, in der Uckermark, 1299.
Himmelstädt, Mönchskloster, in der Neumark, 1300.
Seehausen, Nonnenkloster, in der Uckermark, 1300.

Das wichtigste unter den hier aufgezählten märkisch-lausitzischen Klöstern war wohl das Kloster Lehnin. Es wurde das Mutterkloster für diese Gegenden, aus dem Neuzelle, Paradies, Mariensee, Chorin und Himmelpfort hervorgingen.
Alle diese Klöster, mit wenigen Ausnahmen, wurden in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts unter Joachim II. säkularisiert. Viele sind seitdem, namentlich während des Dreißigjährigen Krieges, bis auf die Fundamente oder eine stehengebliebene Giebelwand zerstört worden, andere existieren noch, aber sie dienen der Kultur dieser Lande nur noch insoweit, als sie, oft in ziemlich prosaischer Weise, der Agrikultur dienstbar gemacht worden sind. Die Abtwohnungen sind zu Amtshäusern, die Refektorien zu Maischräumen und Brennereien geworden. Es ist allen diesen Klöstern ergangen wie ihrer großen, gemeinschaftlichen Mater, dem Kloster zu Cîteaux, selber. Den Verfall, den Niedergang, den hierzulande die Reformation still und allmählich einleitete, schuf dort die Französische Revolution auf einen Schlag. »Auf den Trümmern der Abtei« – so erzählt der Abbé Ratisbonne, der eine »Geschichte des heiligen Bernhard« geschrieben hat und Cîteaux um 1839 besuchte – »erhob sich in dem genannten Jahre eine Runkelrübenzuckerfabrik, die selber wieder in Trümmer zerfallen war, und ein elender Schauspielsaal stand an der Stelle der Mönchsbibliothek, vielleicht an der Stelle der Kirche. Die Zelle des heiligen Bernhard, die vor ohngefähr zwanzig Jahren noch existierte, hatte inzwischen einem Schmelzofen Platz gemacht. Nur noch der Schutt der Zelle war vorhanden. Aus den bloßen Trümmermassen des Klosters waren drei Dörfer erbaut worden.«
In dieser kurzen Schilderung des Verfalls des Mutterklosters ist zugleich die Geschichte von über hundert Töchterklöstern erzählt. Auch die Geschichte der unsrigen.
Die Klöster selber sind hin. Viele von denen, die hierlands in alten Klostermauern wohnen, wissen kaum, daß es Klostermauern sind, sicherlich nicht, daß es Zisterzienser waren, die vor ihnen die Stätte innehatten. Und hörten sie je das Wort, so wissen sie nicht, was es meint und bedeutet. Und doch waren es die Pioniere, die hundert und tausend andern Kolonisten, die nach ihnen kamen, die Wege bahnten. Das Gedächtnis an sie und an das Schöne, Gute, Dauerbare, das sie geschaffen, ist geschwunden; uns aber mag es geziemen, darauf hinzuweisen, daß noch an vielen hundert Orten ihre Taten und Wohltaten zu uns sprechen. Überall, wo in den Teltow- und Barnim-Dörfern, in der Uckermark und im Ruppinschen alte Feldsteinkirchen aufragen mit kurzem Turm und kleinen niedrigen Fenstern, überall, wo die Ostwand einen chorartigen Ausbau, ein sauber gearbeitetes Sakristeihäuschen, oder das Dach infolge späteren Anbaues eine rechtwinklige Biegung, einen Knick zeigt, überall da mögen wir sicher sein – hier waren Zisterzienser, hier haben Zisterzienser gebaut und der Kultur und dem Christentum die erste Stätte bereitet.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 3. Teil