Abschnitt 1

Der Oderbruch und seine Umgebung


Schloß Friedersdorf


Ein kurzer Lebensabriß des »Paladin« möge zunächst hier seine Stelle finden.

Joachim Ernst von Görtzke,


ein Sohn Joachims von Görtzke und der Elisabeth von Wichmannsdorf, wurde den 11. April 1611 zu Bollersdorf in der Mittelmark geboren. Er war Page bei der Prinzessin Marie Eleonore, Schwester des Kurfürsten Georg Wilhelm, und folgte dieser, bei Gelegenheit ihrer Vermählung mit Gustav Adolf, in gleicher Eigenschaft nach Schweden hinüber. Das war 1620. Drei Jahre später ward er Page beim König selbst und machte von 1626 bis 1628 den Feldzug in Preußen mit, zu welchem Behuf er als Soldat in die königliche Leibwache trat. In dieser stand er noch, als Gustav Adolf im Sommer 1630 an der pommerschen Küste landete. Bald nach der Leipziger Schlacht (1631) avancierte Görtzke zum Offizier, focht im folgenden Jahre mit bei Lützen und empfing jene schwere Verwundung, deren ich, bei Besprechung seines Portraits über dem Kamin der Friedersdorfer Halle, bereits erwähnt habe. Kaum wiederhergestellt, ward ihm, in dem Reiterregimente des schwedischen Generalmajors Adam von Pfuel, eine Rittmeisterstellung angeboten. Görtzke nahm an, machte den »Pfuelschen Zug« mit und stieg bald danach zum Oberstwachtmeister, zum Oberstlieutenant auf, nachdem er sich 1636 bei Wittstock gegen General Hatzfeld und 1642 in der zweiten Schlacht bei Leipzig gegen Piccolomini ausgezeichnet hatte.

Bis hierher fehlt es an Einzelheiten. Aber von 1644 an wird seiner im besonderen und gelegentlich mit einer gewissen Ausführlichkeit erwähnt. Torstenson, als er nach Jütland aufbrach, hatte den erst Dreiunddreißigjährigen zur Verteidigung Schlesiens und Mährens zurückgelassen und ihn mit dem Oberbefehl über elf feste Plätze betraut. In dieser Stellung bewies er sich als einen würdigen Schüler Gustav Adolfs und zeigte neben dem Mute des Soldaten zugleich auch die Klugheit und Gesinnung eines protestantischen Feldherrn. Er rief die von ihren Kanzeln vertriebenen Geistlichen wieder zurück, besetzte die vakant gewordenen Stellen und stellte, soweit seine Macht reichte, den lutherischen Gottesdienst wieder her. In allem fand er so sehr die Zustimmung des Stockholmer Hofes, daß ihm – auch wohl, um sich seiner ferneren Dienste zu versichern – der Befehl über eins der schwedischen Reiterregimenter übertragen wurde. Diesem Regimente stand er während der letzten Kriegsjahre vor. Aber unmittelbar nach der Friedensunterzeichnung nahm er den Abschied und zog sich auf seine märkischen Güter zurück. Erst 1656, zwei Jahre nach seiner Vermählung mit Lucia von Schlieben, trat er wieder in Dienst, diesmal in kurbrandenburgischen, und beteiligte sich im selbigen Jahre noch an dem Kriege gegen Polen (dreitägige Schlacht bei Warschau), dann aber, in hervorragender Weise, an den durch fast drei Jahrzehnte sich hinziehenden Kämpfen mit Schweden und Frankreich.

1672, mittlerweile zum General aufgerückt, stand er als Chef und Inhaber an der Spitze dreier Regimenter des brandenburgischen Heeres. Dieses selbst aber hatte zu genannter Zeit, nach Paulis Angaben, folgende Zusammensetzung:

Tabelle

1674 war Görtzke mit am Oberrhein, ward am folgenden Neujahrstage zum Generallieutenant erhoben und focht in allen Bataillen der nun folgenden Jahre. Nirgends glänzender als in Ostpreußen während des Winterfeldzuges von 1679. Er war, während der Kurfürst seine Streitkräfte sammelte, mit 3000 Mann vorausgeschickt worden, um das durch 16 000 Schweden unter General Horn bedrohte Königsberg zu decken. Dieser schwierigen Aufgabe scheint er sich mit besonderem Geschick unterzogen zu haben. Als er in Königsberg eintraf, waren die Schweden schon diesseits des Njemen. Ihnen eine Schlacht zu bieten, dazu war er numerisch zu schwach. Er vereinigte sich deshalb mit der etwa 4000 Mann starken ostpreußischen Landmiliz und nahm eine gute Stellung bei Wehlau, von der aus er durch einen unausgesetzten Scharmützelkrieg den Feind zu beschäftigen und an einem ernsten Vorgehn zu hindern trachtete. Er erreichte jedoch seinen Zweck nur halb. Die Wehlauer Stellung, weil alle Wässer mit Eis bedeckt waren, war auf die Dauer nicht zu halten, und Görtzke mußte sich auf Königsberg zurückziehen, zu dessen Entsatz der Kurfürst jeden Tag erscheinen konnte. Als dies geschah, ergriff Görtzke ungesäumt die Offensive wieder und leitete durch den Übergang über das zugefrorene Frische Haff jene berühmt gewordene Verfolgung ein, die mit der Vernichtung des schwedischen Heeres endigte. Über diese Verfolgung selbst hab ich in dem Kapitel »Tamsel« ausführlicher berichtet.

Der Friede von St-Germain machte diesen Kriegswirren ein Ende, und Görtzke zog sich nunmehr ruhebedürftig in seine Statthalterschaft Küstrin zurück. In nächster Nähe lagen seine Güter und gestatteten ihm Besuch und Aufenthalt. Um diese Zeit war es auch, daß er, lange vor seinem Hinscheiden, sich einen Sarg anfertigen ließ, den er mit der Standhaftigkeit eines hoffenden Christen zu betrachten liebte. Den 27. März 1682 starb er, seines Alters im zweiundsiebzigsten, und ward einen Monat später, am 27. April, von Küstrin aus nach Friedersdorf in seine Gruft übergeführt. Hans Otto von der Marwitz hat ihm die Standrede, Garnisonprediger Johann Heinrich Grunelius die Leichenrede gehalten.

Aus seiner Ehe mit der Lucie von Schlieben waren ihm drei Töchter: Maria Elisabeth, Barbara und Lucie Hedwig, geboren worden. Die mittlere (Barbara) starb jung, während sich die älteste mit dem anhalt-zerbstischen Hofmarschall Johann Georg von der Marwitz, die jüngste mit dem brandenburgischen Obersten und Kommandanten von Küstrin, Ulrich von Lüderitz, vermählte.

Der »alte Paladin« selbst aber muß im Rat und Herzen seines Kurfürsten in hohem und besonderem Ansehn gestanden haben.

Dennoch gebricht es an Erinnerungsstücken an ihn, auch die Tradition schweigt, und alles, was die Stätte seines Heimganges von ihm aufweist, ist das Schloß, das er sich schuf, und die beiden Bildnisse, die seine Züge der Nachwelt überliefert haben.

Soviel über den »Paladin«. Aber zurücktretend von seinem Bilde, werden wir bei weiterer Umschau gewahr, daß andere jetzt an dieser Stelle zu Hause sind. Den Marwitzen gehört das Feld. Und vor allem auch diese Kirche. Von rechts her Gestalten und Inschriften, die der Epoche vor dem Siebenjährigen Kriege zugehören, von links her die Namen und Bildnisse derer, die seitdem gekommen und gegangen sind.

Da sind zunächst (zur Rechten) die Bildnisse Hans Georgs und seiner zwei Frauen, Medaillonportraits, deren eines träumerisch und wehmutsvoll aus dem weißen Kopftuche hervorblickt. Da sind, an derselben Stelle, die Monumente seiner beiden Söhne, von denen der eine, voll Eifer für die Wissenschaften, jung und unvermählt verstarb, während der andere (August Gebhard) in die Armee trat und, als Gardecapitain den Dienst quittierend, seine Tage auf Friedersdorf beschloß.

Von diesem August Gebhard von der Marwitz, dem Urgroßvater des gegenwärtigen Besitzers, existieren noch ein paar Überlieferungen, die hier Platz finden mögen, weil sie ein anschauliches Bild von dem Leben geben, das ein märkischer Edelmann vor den Tagen des Siebenjährigen Krieges zu führen pflegte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil