Abschnitt 2

Der Oderbruch und seine Umgebung


Quilitz oder Neu-Hardenberg


Neu-Hardenberg (Quilitz) seit 1814


Es war dies eine außerordentlich wertvolle Sammlung. Das Beste derselben ging nach der Schlacht bei Jena verloren. Davoust nämlich, auf seinem Raub- und Siegeszuge durch die Mark, ließ vier Wagen voll dieser Kunstschätze nach Paris schaffen 2) , und als im Jahre 1814 die Rückgabe alles dessen erfolgte, was Napoleon in zehn Siegesjahren mit nach Paris geschleppt hatte, leistete der Fürst-Staatskanzler auf die Rückforderung des ihm persönlich Genommenen Verzicht. Welche Gründe ihn dabei leiteten, ist nicht recht klar. Doch scheint es, daß er in jener vornehmen Feinfühligkeit, die ihm allerdings eigen war, von seinen eigenen Ansprüchen absah, um die Wiedererstattung all dessen, was anderen (auch dem Staate) genommen worden war, mit um so mehr Nachdruck, weil mit größerer Unbefangenheit, betreiben zu können. So blieb denn der größte Teil jener Kunstschätze, die einst die Säle von Schloß Tempelberg geschmückt hatten, in Paris zurück, und nur die von Davoust übersehenen Reste wurden 1814 von Tempelberg nach Neu-Hardenberg hinübergeschafft. Allerdings erfuhr diese Sammlung, bis zum Tode des Staatskanzlers, durch einzelne Ankäufe und Geschenke eine Erweiterung, aber immerhin blieb sie nur ein Bruchstück der alten Herrlichkeit.

Wir schreiten nun dazu, diese Bruchstücke, zumal Portraits und Bilder, in Augenschein zu nehmen.

Im Billardzimmer:

1. Alte Familienportraits des freiherrlichen Hauses Hardenberg, bis zurück ins sechzehnte Jahrhundert. Das älteste und deshalb interessanteste dieser Bilder ist klein, nicht ganz handhoch und zeigt die Jahreszahl 1558. Es stellt dar: Eler Hardenberg, seines Alters zweiundsechzig Jahr.

2. Portrait des Staatskanzlers; von dem französischen Maler Quinzon. – Naglers Künstlerlexikon bringt diesen Namen nicht, auch keinen ähnlich klingenden, so daß ich, hinsichtlich der Rechtschreibung, nicht sicher bin.

3. Portrait des Sohnes des Staatskanzlers, damals etwa fünfzehn Jahr alt. Ein sehr hübsches Bild. – Christian Heinrich August Graf von Hardenberg-Reventlow, einziger Sohn des Fürsten-Staatskanzlers aus seiner ersten Ehe mit Friederike Juliane Christine Gräfin von Reventlow, wurde am 19. Februar 1775 geboren und starb als dänischer Hofjägermeister und Geheimer Konferenzrat am 16. September 1840. Er war von Jugend an in dänischen Diensten. Im Jahre 1814 führte dies zu einer eigentümlichen Begegnung, wie sie die Annalen der Diplomatie vielleicht nicht zum zweiten Male aufzuweisen haben. Am 25. August des genannten Jahres wurde zwischen Preußen und Dänemark, das bekanntlich auf französischer Seite gefochten hatte, der Friede zu Berlin geschlossen. Die Beauftragten waren Vater und Sohn: der Staatskanzler Fürst Hardenberg für Preußen, der Geheime Konferenzrat Graf Hardenberg-Reventlow für Dänemark. Der letztere verblieb in seinen alten Beziehungen und ging darin so weit, daß er sogar auf den Fürstentitel verzichtete, als ihm, nach dem im November 1822 erfolgten Tode seines Vaters, die Herrschaft Neu-Hardenberg zugefallen war. Man hat preußischerseits dies ablehnende Verhalten getadelt, ein Verhalten, das im wesentlichen sagte: »Ich zieh es vor, ein dänischer Graf zu bleiben.« Aber wenn es dieser Ablehnung allerdings an Verbindlichkeit gegen Preußen gebrach, so geziemt sich doch andererseits die Frage: »War der Sohn zu solcher Verbindlichkeit überhaupt verpflichtet?« Man darf wohl antworten: »Nein.« Der jüngere Hardenberg war ein geborner Hannoveraner, seine Mutter war eine Dänin. Als sein Vater in den preußischen Staatsdienst trat, gehörte er (der Sohn) bereits mit Leib und Leben dem dänischen Staate an. Wenn durchaus eine Schuld gefunden werden soll, so liegt sie jedenfalls nicht bei dem Sohne, sondern in häuslichen Verhältnissen, die er am wenigsten ändern konnte. 1787 oder 1788 trennten sich bereits die Eltern, und die begleitenden Umstände, vor allem die bald erfolgende Wiederverheiratung des Vaters, ließen es ratsam oder selbst geboten erscheinen, daß der erst zwölfjährige Sohn der Mutter folgte. Unter Einfluß und Leitung des Vaters wäre er natürlich preußisch geworden, dieser Leitung indes enthoben, war es selbstverständlich, daß die dänische Aussaat auch dänische Frucht trug.

Neben dem Billardzimmer:

1. Die alte Burg Hardenberg im Hannoverschen, wie sie noch vor etwa 150 Jahren war.

2. Die jetzige Burg Hardenberg (Ruine).

3. Ein eingerahmtes Blatt mit den oben mitgeteilten Versen Goethes, die derselbe zum siebzigjährigen Geburtstag des Staatskanzlers an diesen richtete.

Im Gartensalon und dem angrenzenden Zimmer:

1. Große Malachitvase; Geschenk des Kaisers von Rußland.

2. Portrait Friedrich des Großen; von Bardou gemalt (schon erwähnt; vielleicht aus der Prittwitz-Zeit).

3. General von Prittwitz.




2) Davoust war wohl kein Mann der Literatur. Dieser Umstand mag es erklären, daß er sich mit der Wegführung glänzender, als wertvoll in die Augen springender Kunstwerke begnügte und die 16 000 Bände zählende Bibliothek in Tempelberg zurückließ. Ebenso entging seinem Auge eine Anzahl Mappen, mit alten, zum Teil seltnen Stichen gefüllt. Bibliothek und Kupferstichmappen befinden sich noch im Neu-Hardenberger Schloß.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil