Abschnitt 1

Der Oderbruch und seine Umgebung


Kunersdorf


Graf und Gräfin Itzenplitz
1803–1848


General Lestwitz hatte eine einzige Tochter, die Frau von Friedland, gehabt, an die Kunersdorf-Friedland und die dazu gehörigen Güter übergegangen waren. Frau von Friedland hatte wiederum eine einzige Tochter: Henriette Charlotte, die nun das reiche Erbe antrat.

Diese einzige Tochter, Henriette Charlotte von Borcke, geboren zu Potsdam am 18. Juli 1772, vermählte sich am 23. September 1792 mit dem eben damals zum Kriegs- und Domainenrat ernannten Peter Alexander von Itzenplitz, geboren am 24. August 1768 zu Groß Behnitz im Havelland, eine Vermählung, infolge deren das Lestwitz-Erbe an die Familie Itzenplitz überging. Gleich nach der Hochzeit trat das junge Paar eine besonders auch auf landwirtschaftliche Zwecke gerichtete Reise nach Holland und England an. Während dieses Aufenthaltes in England schrieb von Itzenplitz, auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Ministers von Struensee, verschiedene Berichte über landwirtschaftliche und kommerzielle Fragen, worin er seine Beobachtungen und seine Ansichten über das, was sich seinem Auge dargeboten hatte, niederlegte. Diese landwirtschaftliche Reise dehnte sich bis ins zweite Jahr hinein aus. Das junge Paar würde gern auch Frankreich besucht und die Agrikulturverhältnisse dieses Landes kennengelernt haben, wenn nicht die Französische Revolution, die eben damals auf ihrer Schreckenshöhe stand, die Ausführung dieses Planes verhindert hätte. Bei der Rückkehr erwies sich die Reise von den segensreichsten Folgen für die Bewirtschaftung der eigenen Güter. Besonders waren es die englischen Verhältnisse, denen, als einem Vorbilde, nachgestrebt wurde. In allem sah sich von Itzenplitz von seiner Gemahlin unterstützt, die den Geist ihrer Mutter geerbt hatte und namentlich nach dem Tode dieser die Verwaltung der Güter mit einer dort heimisch gewordenen Umsicht und Energie betrieb.

Von 1794 bis 1804 war von Itzenplitz Landrat des havelländischen Kreises. In dieser Zeit machte er auch die Bekanntschaft Thaers, der das junge Itzenplitzsche Paar auf Schloß Kunersdorf, im Hause der damals noch lebenden Frau von Friedland, kennenlernte. Die Beziehungen gestalteten sich so freundschaftlich, daß im Jahre 1803, bei Gelegenheit der französischen Okkupation Hannovers, Thaer seine Frau und Töchter zu größerer Sicherheit nach Kunersdorf schicken konnte, wo sie von dem Itzenplitzschen Ehepaar auf das fürsorglichste aufgenommen wurden. An anderer Stelle habe ich ausführlicher erzählt, wie es vorzugsweise die freundschaftliche Vermittelung Itzenplitz’ war, die im Jahre darauf (1804) zur Übersiedelung Thaers von Celle nach Moeglin führte. Itzenplitz befürwortete jene günstigen Bedingungen, ohne welche Thaer seine alte sichere Stellung nicht hätte aufgeben können, um eine neue, immerhin unsichere anzutreten.

1804 legte von Itzenplitz sein Landratsamt nieder, um sich ausschließlicher der Verwaltung seiner Güter widmen zu können. 1810 indes zum Geheimen Staatsrat und Generalintendanten der Domainen und Forsten ernannt, gab er sich ganz dieser schwierigen Verwaltungstätigkeit hin, doppelt schwierig und verantwortungsvoll eben damals, wo die Kriegsdrangsale die Veräußerung der königlichen Domainen nötig machten. Er blieb in dieser verantwortungsvollen, das höchste Vertrauen bekundenden Stellung bis 1814, wo er ausschied. Das Jahr darauf ward er wegen seiner in den Kriegsjahren betätigten aufopfernden Vaterlandsliebe in den Grafenstand erhoben, während zugleich auf seinen und seiner Gemahlin Wunsch das Wappen des inzwischen ausgestorbenen Lestwitzschen Geschlechts mit dem Itzenplitzschen Wappen vereinigt wurde.

Seit 1815 lebte Graf Itzenplitz auf seinen Gütern, namentlich auf Kunersdorf. Das Beispiel, das seine und seiner Gemahlin Art der Güterbewirtschaftung sowohl in der Mark wie in Pommern gab, hat in beiden Provinzen höchst segensreich gewirkt und die Agrikultur weiter Distrikte auf eine höhere Stufe gehoben. Aber der im besten Sinne reformatorische Eifer des gräflichen Paares beschränkte sich nicht auf Ackerbestellung und Bodenkultur, auch die schwierigen Verhältnisse der Gutsherrschaft zu den Bauern wurden auf den Itzenplitzschen Gütern durch freies Übereinkommen geregelt und die Hofedienste in mäßige Geld- und Kornabgaben umgewandelt, lange bevor an eine Gesetzgebung von 1811 gedacht war. Ebenso sind bei allen Gemeinheitsteilungen und Servitutsablösungen die Itzenplitzschen Güter immer Muster und Vorbild gewesen.

Graf Peter Alexander von Itzenplitz starb am 14. September 1834 zu Groß Behnitz im Havellande; seine Gemahlin zu Berlin am 13. April 1848.

Die Herrschaft Friedland ging an den zweiten Sohn, den Grafen Heinrich August Friedrich von Itzenplitz (geboren den 23. Februar 1799), über.

Nachdem ich bis hierher die Personen vorgeführt habe, die seit 1763 in Kunersdorf heimisch waren, versuch ich nunmehr, die Lokalität und, anknüpfend an diese, die lokalen Ereignisse während eines halben Jahrhunderts zu schildern.

Lestwitz baute das Schloß. Wie er es baute, ist es noch. Eine Einfahrt von der Dorfgasse her bildet zugleich die Scheidelinie zwischen den ausgedehnten Wirtschaftsgebäuden zur linken und den Wohngebäuden zur rechten Seite. Das Schloß ist in jenem Stil gebaut, der damals in der Mark ausschließlich Geltung hatte und am richtigsten als »verflachte Renaissance« bezeichnet worden ist. Ein Erdgeschoß, eine Beletage, eine Rampe, ein geräumiges Treppenhaus, ein Vorflur, dahinter ein Gartensalon und von dem Salon aus ein Blick in den Park. Das Ganze breit, behaglich, gediegen. 1765 hatte der damalige Oberst von Lestwitz Kunersdorf gekauft, aber erst 1773, wie die Jahreszahl über dem Portal besagt, wurde der Schloßbau beendet. Bis zu diesem Jahre also haben wir unseren Lestwitz, kurze Besuche behufs Inspizierung des Baues abgerechnet, schwerlich in Kunersdorf zu suchen; ohnehin hielt ihn der Dienst bei dem Bataillon Garde, das er kommandierte, in Potsdam fest. Dieser Dienst gestattete auch wohl von 1773 ab einen immer nur gelegentlichen Aufenthalt, und von einem wirklichen Beziehen des Schlosses, von einem Heimischwerden darin konnte wohl erst die Rede sein, als unser Lestwitz, inzwischen zum Generalmajor avanciert, den Dienst überhaupt quittiert hatte. Dies war 1779. Von da ab bis zum Tode des Generals (1788) gehörten die Sommermonate Kunersdorf, während der Winter in der Hauptstadt zugebracht wurde. Die Stadtwohnung war das wohlbekannte Nicolaische Haus in der Brüderstraße.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil