Abschnitt 3

Der Oderbruch und seine Umgebung


Gusow


Der alte Derfflinger


Freilich, Anklam, Demmin und Stettin, dazu Rügen, Stralsund und Greifswald waren nach wie vor in Händen des Feindes, und es bedurfte noch einer beinah dreijährigen Kriegführung, ihnen auch diese Punkte zu entreißen.

Besonders bemerkenswert war die Eroberung von Rügen und Stralsund. Dabei wirkte die holländische Flotte mit. Auf einer Flotte von 210 Schiffen und 140 Booten – so schreibt Pauli – befand sich die kurfürstliche Macht. Den Oberbefehl führte Derfflinger. Der holländische Seeheld Tromp befand sich ebenfalls an Bord. Drüben auf Rügen befehligte Graf Königsmarck die feindlichen Streitkräfte. Am 13. September setzten sich die diesseitigen Boote auf die Insel zu in Bewegung. Königsmarck ließ sie mit acht Kanonen angreifen, aber sie landeten, und ihre Mannschaften erstiegen das Ufer. Zuletzt war auch Reiterei drüben. Derfflinger setzte sich an die Spitze derselben, nahm den Schweden eine Standarte und 200 Gefangene ab und vertrieb den Rest von der Insel. An diese Wegnahme Rügens schloß sich die von Stralsund. Ende September erfolgte die Zernierung, und am 10. Oktober eröffnete der berühmte Artillerieoberst Ernst Weiler das Bombardement. Und zwar aus achtzig Halbkartaunen, zweiundzwanzig Mörsern und fünfzig Haubitzen. Schon mit anbrechendem Morgen stand die Stadt in Flammen, und man sah alsbald drei weiße Fahnen auf Mauern und Türmen. Derfflinger ritt mit einem Trompeter heran, um die Meinung der Stadt zu hören, aber man wollte von Kapitulation nichts wissen, und so begann um neun Uhr die Beschießung von neuem. Und nun erschienen Abgesandte der Stadt. Die Verhandlungen wurden eingeleitet, und am 20. hielt der Kurfürst seinen sieghaften Einzug.

Diesem pommerschen Kriege, der von 1675 bis 1678 gedauert hatte, folgte wenige Monate später der so berühmt gewordene Feldzug in Ostpreußen. General Horn war von Livland aus über den Njemen gegangen und bedrohte Königsberg, und wie der Kurfürst im Mai 1675 in fliegender Eile von Schweinfurt aufgebrochen war, um die Schweden aus der Kurmark zu jagen, so brach er jetzt im Januar 1679 von Berlin her auf, um denselben Feind aus Ostpreußen hinauszuwerfen. »Der Schrecken ging vor ihm her, und der Sieg war sein Begleiter.« Die Schweden retirierten, und Derfflinger, ihnen den Rückzug abzuschneiden, ging in Schlitten über das Kurische Haff. Aber es gelang nur, ihren Nachtrab einzuholen. Daß sie nichtsdestoweniger beinah völlig vernichtet wurden, war den Strapazen und der Kälte zuzuschreiben. Ausführlicher über diesen Feldzug hab ich weiterhin in dem Kapitel » Tamsel« berichtet.

Endlich war wieder Frieden, und eine Reihe stiller Jahre begann, bis abermalige Zerwürfnisse mit Frankreich auch abermals an den Rhein und im Laufe des Feldzuges zur Belagerung von Bonn führten. Das war 1689. »Dieser Tage«, so heißt es in dem Belagerungsjournal, »ist der alte Feldmarschall Derfflinger angekommen«, und andern Aufzeichnungen entnehmen wir, »daß nach Ankunft des Feldmarschalls dann und wann eine Kriegskonferenz gehalten wurde«. Bald darauf ergab sich die Stadt. Am 10. Oktober.

Dies alles war wie der Nachklang eines kriegerischen Lebens, und der nun dreiundachtzigjährige Derfflinger zog sich, »des Treibens müde«, in sein ihm immer lieber gewordenes Gusow zurück. Er lebte hier ganz seinen nächsten Interessen, vor allem aber der Verschönerung und Pflege seines Parkes. Hof und Haus waren seine Welt geworden. Am 4. Februar 1695 starb er und wurde, seinem Letzten Willen gemäß, in dem schon fünfundzwanzig Jahre vorher von ihm erbauten Erbbegräbnisse beigesetzt, »ohne Gepränge und ohne Lobrede auf sein Leben und seine Taten«. Der Geistliche – Salomon Sannovius – hatte sich in seiner Predigt auf den Ausspruch zu beschränken, »Gott habe den Entschlafenen in fast fünfundsiebzigjährigen Kriegsdiensten von der niedrigsten bis zur höchsten Stufe gelangen lassen«.

Kurfürst Friedrich III. ließ seinem Feldmarschall zu Ehren eine Gedächtnismünze prägen, die auf der einen Seite Derfflingers Portrait, auf der andern sein Wappen zeigt. Darunter ein Mars und ein Herkules mit der Umschrift: »His Majoribus.« – »Durch diese Ahnen.«

Derfflinger war rüstig und stark, und die Natur schien ihn zum Krieger gebildet zu haben. Unter einer breiten Stirn eine römische Nase; dazu volles krauses Haar und starke Augenbrauen, aber nur wenig Bart über der Oberlippe und etwas verstutztes Haar am Kinn.

Soviel über seine äußere Erscheinung.

Was seinen Charakter angeht, so leuchtet sein großer Mut hervor, oder, wie sein ältester Biograph im Stile seiner Zeit sich ausdrückt: »Der Mut war sein Vater und die Schlacht seine Mutter, während sein Zelt dem eisernen Bette des Riesen Og von Basan glich.«

Es war ihm ein Stolz, sich aus allerniedrigster Lebenssphäre zur höchsten emporgearbeitet zu haben, und wohl durft er – dazu herausgefordert – dem französischen Gesandten Grafen Rebenac antworten: »Ja, Herr, der Schneider bin ich. Und hier die Elle, womit er alle feigen Seelen der Läng und Breite nach zu messen pflegt.« Der Hergang wird verschieden erzählt, aber im wesentlichen läuft er in all seinen Versionen auf dasselbe hinaus.

Durch und durch ein »Charakter«, scheint er all sein Leben lang zu den spezifisch Unbequemen gehört zu haben, obschon der Italiener Leti von ihm rühmt, »daß er sich bei Hofe in angemessener Sanftheit und Feinheit bewegt habe«. Aber wenn dies auch zutreffen sollte, so wird doch sein Auftreten »im Dienst« von seinem Auftreten bei Hofe sehr verschieden gewesen sein. »Tuen wir unsere Schuldigkeit als Generals«, rief er in einem Kriegsrat am 25. Dezember 1674 dem kaiserlichen Obergeneral Herzog von Bournonville zu, »und sitzen wir hier nicht still wie alte Weiber.« An solchen und ähnlichen Aussprüchen ist kein Mangel. Ohne Menschenfurcht, war er in seiner Rede voller Freimut. Es scheint aber doch, als ob er nicht nur freimütig, sondern auch in hohem Grade erregbar gewesen sei. Wir finden ihn immer unzufrieden, immer verletzt, eine Gemütsstimmung, der er denn auch in einem Reime Ausdruck gab, den er dem sächsischen Feldmarschall Grafen Baudissin in das Stammbuch schrieb:

Wind und Regen
Ist mir oft entgegen,
Ducke mich, laß es vorübergan,
Das Wedder will seinen Willen han.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil