Abschnitt 2

Der Oderbruch und seine Umgebung


Gusow


Der alte Derfflinger


»... Seine Kurfürstliche Durchlaucht sagten mir am 17., ich solle ihn in der Schlacht nicht verlassen, sondern immer bei seiner Person bleiben, und ich füge hinzu, daß dies Vertrauen, welches er mir zeigte, mich mehr verpflichtete, als hätte er mir 1000 Taler geschenkt. Er sagte auch, ich solle aufmerksam sein, wenn jemand in der Hitze des Kampfes sich an ihn schliche, so daß sich niemand nähern könne, ohne daß ich acht darauf hätte. Ich antwortete ihm, daß ich alles tun würde, was ein anständiger Mann tun könne. Da sagte Seine Kurfürstliche Durchlaucht: ›Ja, ich weiß es, daß Ihr es tut, und Ihr habt es bis jetzt immer getan.‹

Nachdem wir noch eine gute Stunde marschiert waren, ließ uns Generalmajor Lüdecke – der an diesem Tage die Avantgarde führte – sagen, daß der Feind zum größten Teil den Paß überschritten habe. Andere hielten noch in der geschlossenen Stadt; er bäte Seine Kurfürstliche Durchlaucht, ihm Dragoner zu senden...« (Dies geschah. Generalmajor Lüdecke warf den Feind aus der Stadt hinaus und empfing von dem nachrückenden Kurfürsten Befehl, statt bloßer weiterer Verfolgung eine Tournierung und Überholung zu versuchen, um so die Flüchtigen zwischen zwei Feuer nehmen zu können. Dieses in Erwägung der Terrainbeschaffenheit sehr schwierige Manöver führte Generalmajor Lüdecke auch aus, ohne jedoch den vorgedachten Zweck zu erreichen. Das Tagebuch erwähnt dieses Scheiterns in aller Kürze. Und zwar wie folgt:)

»Anderen Tages, am 18., brachen wir von dem Städtchen Kremmen her auf. Unterwegs stießen wir auf den uns entgegenkommenden Generalmajor Lüdecke, der den sich eilig zurückziehenden Feind nicht mehr zu überflügeln vermocht hatte. Jetzt bat der Prinz von Homburg um die Avantgarde, und nachdem er sie erhalten, folgte derselbige dem Feinde in gutem Trabe. Unterdessen beriet sich Seine Kurfürstliche Durchlaucht mit Herrn Derfflinger, was unter diesen Umständen zu tun sei. Derfflinger war der Meinung, alle Brücken und Dämme zu zerstören, dadurch dem Feinde jeden Sukkurs, aber zugleich auch jeden Rückzug abzuschneiden und ihn auf diese Weise zu zwingen, in spätestens zwei Tagen um sein Leben zu bitten.

Das war ein guter Plan; aber Seine Kurfürstliche Durchlaucht meinte, da man so nah am Feinde sei, müsse derselbe Fell oder Federn lassen, worauf der Feldmarschall Derfflinger antwortete: ›Wohlan, Monseigneur, ich glaubte, als General verbunden zu sein, meine Meinung zu sagen, welcher Art ich es für am vorteilhaftesten und sichersten hielte; aber wenn es Eure Hoheit gefällt, die andre Meinung zu wählen, so hält mich dies nicht ab, dem Feinde allen Schaden zu tun, wenn dies auch mit mehr Gefahr und größerem Wagnis verbunden ist.‹

Der Feind hatte mittlerweile, durch den Prinzen von Homburg gedrängt, seinen Rückzug immer weiter fortgesetzt und stand jetzt bei dem Dorfe Hakenberg, zwischen Linum und Fehrbellin. Er sperrte den über das Plateau führenden Weg und hatte das Luch zur linken, ein Gehölz zur rechten Hand. In Nähe dieses Gehölzes befand sich ein kleiner Sumpf, daneben ein paar Sandhügel, auf deren Höhe Strauchwerk wuchs. An dieser Stelle drangen wir vor, postierten auf die Höhe der Sandhügel unsre Geschütze und gaben ihnen, da wir keine Infanterie zur Hand hatten, das Regiment Derfflinger-Dragoner zur Bedeckung, das an diesem Tage, da sein Oberstlieutenant bei Rathenow getötet worden war, vom Capitain von Kottwitz geführt wurde. Bei jedem Geschütze standen 50 bis 100 Mann, einigermaßen durch die Büsche geschützt. Gleichzeitig stellten wir noch vier Schwadronen auf: eine von den Trabanten und drei vom Regiment Anhalt. Sie waren nicht gut placiert; aber wir mußten es, da das Fußvolk fehlte und wir die Geschütze nicht ohne Deckung lassen durften.

Der Prinz von Hessen-Homburg stand dem feindlichen linken Flügel gegenüber, also dem Luche zu.

Nun begannen wir, unsere Geschütze spielen zu lassen. Der Feind indessen, als er wahrnahm, daß wir kein Fußvolk hatten, avancierte mit einem Infanterieregiment gegen unsere Hügelposition. Dies wurde von G. E. 2) bemerkt. Er eilte sofort zum Generalfeldmarschall Derfflinger und sagte ihm: ›wenn er nicht schnell die vier Eskadrons von den Trabanten und dem Regiment Anhalt unterstütze, würden die Geschütze verlorengehen‹. Da er sich dabei ein gewisses Ansehen gab, welches dem Generalfeldmarschall Derfflinger nicht gefiel, so sagte dieser: ›er solle sich keine Sorgen machen, sondern nur tuen, was seine Schuldigkeit sei‹. Da ich mittlerweile sah, daß die Not wirklich drängte, so sagte ich dem Feldmarschall, während ich zugleich um der Freiheit willen, die ich mir nahm, um Entschuldigung bat, ›daß die Feinde schon mit gefällten Piken vorrückten und daß es sich vielleicht empfehlen würde, zwei oder drei weitere Eskadrons durch das kleine, ganz unbesetzte Holz vorrücken zu lassen, um die vier gefährdeten Eskadrons sowie die seines eigenen Regiments zu soutenieren‹. Dies fand er gut. Er sagte mir also: ›Mein Herr, da Sie heute die Gegend rekognosziert haben, kennen Sie die Situation; und so bitte ich Sie, drei Eskadrons, die Sie zuerst finden, durch das lichte Holz zu führen und die Geschütze dadurch besser zu decken.‹ Als ich drei Eskadrons zur Hand hatte, begegnete ich dem Prinzen von Homburg. Er fragte mich, ›wohin ich wolle‹, und als ich ihm die erhaltenen Befehle mitteilte, antwortete er mir, ›er wolle mitgehen‹. Und so nahm er das Kommando. Es war die höchste Zeit. Denn die vier Eskadrons von den Trabanten und dem Regiment Anhalt flohen bereits und schrien die Derfflinger-Dragoner um Hülfe an. Diese aber, die gewillt waren, sich bei den Geschützen niederhauen zu lassen, konnten ihnen keine Hülfe gewähren. In diesem Augenblicke war der Prinz von Homburg heran und attackierte das schwedische Fußvolk. Es war das Infanterieregiment Dalwigk, früher Königsmarck, und nachdem der Kampf eine Weile hin und her geschwankt hatte, wurde der Feind in Stücke gehauen. Nicht zwanzig Mann entkamen; sechzig oder siebzig wurden gefangengenommen, der Rest war getötet. Unter ihnen der Kommandeur, Oberstlieutenant von Maltzahn. Er fiel an der Tête des Regiments. Dies war ein sehr tapferer Mann, der in großer Achtung bei den Schweden stand. Er starb ja auch gut.«

Ich breche hier die Mitteilungen aus »von Buchs Tagebuch« ab, da mir nur daran lag, aus jenen Mitteilungen das herauszugreifen, was in nähere Beziehung zu Derfflinger tritt.

Fehrbellin war geschlagen, aber der Krieg nicht beendet. Zur Strafe für den tückischen Angriff sollten die Schweden jetzt in ihren eigenen pommerschen Besitzungen angegriffen werden. Und in der Tat, am 9. November selbigen Jahres ward ihnen Wolgast entrissen, damals der »Schlüssel zu Stettin«. Der schwedische Feldmarschall Mardefeld versuchte zwar eine Wiedereroberung und drang auch, da der Frost alle Gräben mit Eis bedeckt hatte, mit stürmender Hand bis an die Festungswälle vor, als er jedoch zur Wiederholung des Sturmes schritt, erschien Derfflinger und entsetzte die Stadt.

So blieb Wolgast unser.




2) Das Tagebuch, wie sehr oft, gibt auch hier nur Buchstaben statt des Namens. Wahrscheinlich soll es heißen: General d’Espence. Dieser war Oberstallmeister und Kommandeur der hier mit einer Eskadron engagierten Trabantengarde. In dieser Doppelstellung mocht er glauben, dem alten Feldmarschall gegenüber eine freiere Sprache führen zu dürfen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil