Abschnitt 1

Der Oderbruch und seine Umgebung


Das Oderbruch


2. Die Verwallung


            Graben und Wall
            Haben bezwungen das Element
            Und nun blüht es von End zu End
            Allüberall.

Fische und Heu hatten jahrhundertelang den einzigen Reichtum der Oderbruchgegenden gebildet; die Bewohner hatten davon gelebt, indessen, im großen und ganzen, selbst in guten Jahren kärglich genug. Gute Jahre gab es aber nicht immer. Gab es statt dessen ein Wasserjahr, so daß die Überschwemmungen weiter gingen oder länger andauerten als gewöhnlich, so war Not und Elend an allen Enden.

Zwar wurden schon im sechzehnten Jahrhundert Versuche gemacht, der Wassersnot durch Eindeichung des linken Oderufers, namentlich auf der Straße von Frankfurt bis Küstrin, ein Ziel zu setzen, aber alle diese Arbeiten waren teils auf kleinere Strecken beschränkt, teils mangelhaft in sich. Schon unter der Regierung des Kurfürsten Johann George, etwa um 1593, hatte man mit solchen Verwallungen den Anfang gemacht und Arbeiter aus Holland, Brabant, Schlesien herbeigerufen; die aufgeführten Dämme zwischen Reitwein und dem Küstriner Kietz bewährten sich aber schlecht, und 1613 brach die Oder von neuem durch. Auch der Große Kurfürst zog Holländer und Bewohner der unteren Elbufer, also Leute, die sich auf Damm- und Deichwirtschaft verstanden, ins Oderbruch hinein, ihre sehr beschränkten Mittel indessen reichten nicht aus, eine viele Meilen lange Schutzmauer aufzuführen, ohne welche die Anstrengungen des einzelnen in den meisten Fällen nutzlos bleiben mußten. Nur einige wenige Dominien, die durch kleine Höhenzüge eines natürlichen Schutzes genossen und vielleicht nur an einer schmalen Stelle noch eines Damms bedurften, waren glücklicher und brachten es dahin, sich zu einer Art Festung zu machen, in die das Wasser nicht hinein konnte.

Eine solche kleine Festung, die den Anprall des Wassers glücklich abgeschlagen hatte, lernte König Friedrich Wilhelm I. kennen, als ihn eine Reiherbeize, die er bekanntlich sehr liebte, in dem großen Überschwemmungsjahre 1736 in diese Gegenden führte. Der König sah die Verheerungen, die das Oderwasser angerichtet hatte, sah aber auch zu gleicher Zeit, daß die geschickt eingedeichten Besitzungen seines Staatsministers von Marschall auf Ranft von diesen Verheerungen wenig oder gar nicht betroffen worden waren. Was er in Ranft im kleinen so glücklich ausgeführt sah, mußte bei größeren Mitteln und Anstrengungen auf der ganzen Strecke des Oderbruches, zwischen Frankfurt und Oderberg, möglich sein, und energisch, wie er ans Werk gegangen war, das große Havelländische Loch trockenzulegen, war er jetzt nicht minder entschlossen, auch das Oderbruch zu einem nutzbaren Fleck Landes zu machen.

Er nahm die Sache persönlich in Angriff und beauftragte seinen Kriegsrat Haerlem, einen Holländer, der sich schon durch ähnliche Wasserbauarbeiten ausgezeichnet hatte, ihm ein Gutachten einzureichen, ob das Oderbruch auf seiner ganzen Strecke eingedämmt und gegen Überschwemmungen gesichert werden könne. Haerlems Gutachten lautete dahin: »daß das allerdings geschehen könne; daß die Arbeit aber schwierig, weit aussehend und kostspielig sei«.

Dem König schien dies einleuchtend, und so vertagte er ein Unternehmen, dessen Wichtigkeit er sehr wohl erkannte, mit den Worten: »Ich bin schon zu alt und will es meinem Sohn überlassen.«

Es ist anzunehmen, daß Friedrich II. von dieser Äußerung seines Vaters Kenntnis erhielt und Veranlassung daraus nahm, bald nach seinem Regierungsantritt einesteils zur Entwässerung, andererseits zur Eindeichung des Bruchs Veranstaltungen zu treffen. Dies geschah nach Beendigung des Zweiten Schlesischen Krieges.

Der Plan zur Ausführung des Werkes wurde sehr wahrscheinlich von demselben Manne, Kriegsrat von Haerlem, entworfen, der schon unter Friedrich Wilhelm I. sein Gutachten in dieser Angelegenheit abgegeben hatte; um aber bei einem Unternehmen von solchem Umfange möglichst sicherzugehen, wurde von seiten des Königs noch eine besondere Kommission zur örtlichen Besichtigung und zur Begutachtung des Unternehmens ernannt. Es war dabei der ausdrückliche Befehl des Königs, daß der berühmte Mathematiker Bernhard Euler, dazumal anwesendes Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften, an den Beratungen dieser Kommission teilnehmen solle. Der König hatte guten Grund, nach Möglichkeit Autoritäten und berühmte Namen in diese Kommission hineinzuziehen, da er im voraus von dem Widerstande überzeugt war, dem er, wie immer in solchen Fällen, bei den Anwohnern des Bruchs, den adligen und den bäuerlichen, begegnen würde. Etwas von der Opposition, die später, und zwar namentlich von 1748 bis 1752, der am Rande des Oderbruches reichbegüterte Markgraf Karl machte, mochte schon damals zu Ohren des Königs gedrungen sein.

Die Kommission ging ans Werk und stattete ihren Bericht ab. Dieser Bericht, von Schmettau, Haerlem und Euler unterzeichnet, ist umfangreich, aber in Erwägung der Schwierigkeit und Wichtigkeit der Materie verhältnismäßig kurz gefaßt und läuft, hinsichtlich seiner Vorschläge, auf drei Hauptpunkte hinaus:

der Oder einen schnellen Abfluß zu verschaffen,

die Oder mit tüchtigen Dämmen einzufassen,

das Binnenwasser aufzufangen und abzuführen.

Alle drei Aufgaben sind im wesentlichen gelöst worden.

Ad 1. Um der Oder einen schnelleren Abfluß zu verschaffen, wurde ihr auf der Strecke von Güstebiese bis Hohensaaten ein neues Bett, und zwar zur Abkürzung ihres Laufs, gegraben. Die Oder nahm früher, das heißt also vor den Arbeiten von 1746 bis 1753 (sieben Jahre, weshalb man von einem in der »Stille geführten Siebenjährigen Krieg« gesprochen hat), auf der eben angegebenen Strecke einen anderen Lauf als jetzt; sie machte, statt in gerader Linie weiterzufließen, drei Biegungen, und zwar zuerst bei Güstebiese nach Westen, dann bei Wriezen nach Norden, endlich bei Freienwalde nach Osten, so daß sie, mehrfach ein Knie bildend, auf ihrem langen Umwege drei Linien statt einer beschrieb. Diesem Umwege, der dem raschen Abfluß hinderlich war, sollte abgeholfen werden; mit anderen Worten, der Lauf des Flusses, der bis dahin etwa diese Gestalt gehabt hatte, sollte durch ein neues Bett nunmehr einfach eine gerade Richtung erhalten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil