Abschnitt 2

Rheinsberg


Zernikow


Auch Freiherr von Labes tat viel zur Verschönerung des Guts; eine Lindenallee wurde gepflanzt, ein englischer Park angelegt und der frühere Fasanengarten in einen Tiergarten mit Fischteichen, Wasserleitungen und Pavillons umgeschaffen. Er scheint andauernder als Fredersdorff in Zernikow gelebt zu haben und verschied daselbst am 27. Juli 1776. Frau von Labes aber, nachdem sie durch milde Stiftungen, besonders durch Erbauung eines Hospitals, segensreich gewirkt hatte, starb erst am 10. März 1810, achtzig Jahre alt, mehr denn fünfzig Jahre nach dem Tode ihres ersten Gatten. Aus ihrer zweiten Ehe waren ihr zwei Kinder geboren worden, ein Sohn und eine Tochter. Der Sohn, Geheimer Legationsrat von Labes, vermählte sich mit einer Comtesse Görtz-Schlitz, wurde selbst in den Grafenstand erhoben und nahm, nach der Burg Schlitz, die er sich im Mecklenburgischen erbaut hatte, den Namen Graf Schlitz an.

Dieser Graf Schlitz starb 1831. Er hinterließ nur eine Tochter, die sich 1822 dem Grafen Bassewitz vermählte, welcher letztre seitdem den Namen Graf Bassewitz-Schlitz führte. Das einzige Kind dieser Ehe, eine Tochter, wurde nur elf Jahr alt; von den Eltern starb die Mutter 1855, der Vater, Graf Bassewitz-Schlitz, im Juli 1861. Beide wurden auf Hohen Demzin, einem in der Nähe von Burg Schlitz gelegenen Familiengute, beigesetzt. Schon 1855, also nach dem Tode der Gräfin, waren die Fredersdorffschen Güter, da keine direkte Nachkommenschaft da war, auf die weibliche Linie, das heißt also auf die Nachkommenschaft der Tochter der Frau von Labes, übergegangen.

Diese Tochter war seit 1777 an den Freiherrn Joachim Erdmann von Arnim vermählt, starb aber schon 1781 infolge ihrer zweiten Entbindung, nachdem sie dem später so berühmt gewordenen Achim von Arnim das Leben gegeben hatte. Sie hinterließ zwei Söhne: Karl Otto Ludwig von Arnim, geboren am 1. August 1779, und Karl Friedrich Joachim Ludwig von Arnim (Achim von Arnim), geboren am 26. Januar 1781.

Von diesen beiden Brüdern starb der jüngere schon am 21. Januar 1831, der ältere (gemeinhin Pitt-Arnim geheißen) ererbte die Fredersdorffschen Güter, nach dem, wie vorstehend schon hervorgehoben, im Jahre 1855 erfolgten Tode der Gräfin Bassewitz-Schlitz. Er ist sechs Jahre lang im Besitz der Güter geblieben, bis zu seinem am 9. Februar 1861 erfolgten Tode. Da er kinderlos verstarb, so waren seine Neffen und Nichten, die Kinder Achims von Arnim und der Bettina Brentano, die nächsten Erben. Diese Kinder, drei Söhne und drei Töchter, sind jetzt die Besitzer von Zernikow.

Zernikow besitzt neben einer sehenswerten Kirche, in der sich, ebenso wie im Herrenhause, die Portraits von Fredersdorff, dem von Labesschen Ehepaar und von deren Tochter, der 1781 verstorbenen Frau von Arnim, befinden, auch ein mit Geschmack und Munifizenz hergestelltes Grabgewölbe, das Frau von Labes bald nach dem Tode ihres zweiten Gemahls errichten ließ. Es trägt an seiner Front die Inschrift: »Fredersdorffsches Erbbegräbnis, errichtet von dessen hinterlassener Witwe, gebornen Caroline Marie Elisabeth Daum, nachmals verehelichten von Labes. Anno 1777.« Darunter in goldenen Buchstaben folgende verschlungene Namenszüge: MGF (Michael Gabriel Fredersdorff) und CMED (Caroline Marie Elisabeth Daum). Sofort nach der Vollendung dieses Grabgewölbes nahm Frau von Labes in dasselbe die sterblichen Überreste ihrer Ehegatten Fredersdorff und von Labes auf, welche sich bisher in einer Gruft unter der Kirche zu Zernikow befunden hatten.

Der mit Leder überzogene und mit vergoldeten Füßen und Handhaben versehene Sarg Fredersdorffs, auf dem sich noch die Patrontasche befindet, die derselbe während seines Militärdienstes im Schwerinschen Regiment getragen hat, steht an der rechten Seitenwand, der Sarg des Freiherrn von Labes unmittelbar dahinter.

Vier Jahre später gesellte sich zu diesen beiden Särgen ein dritter. Noch nicht zwanzig Jahr alt, war die mehrgenannte Freifrau Amalie Karoline von Arnim, einzige Tochter der verwitweten Frau von Labes, im Januar oder Februar 1781 zu Berlin gestorben und wurde von dort nach Zernikow übergeführt. Ihr Sarg, in dessen Deckel ein kleines Fenster befindlich ist, steht an der Hinterwand des Gewölbes, und noch jetzt liegen auf demselben Kränze und Gedichte, welche letztren von der Hand der Mutter geschrieben sind. Am 10. März 1810 entschlief Frau von Labes selber und nahm, ihrem Letzten Willen gemäß, nach Freud und Leid dieser Welt, ihren letzten Ruheplatz an der Seite derer, die ihr das Teuerste gewesen waren. Auch auf dem Deckel ihres überaus prachtvollen Sarges ist ein kleines Fenster angebracht, durch das man die entseelte Hülle der alten Freifrau erblickt. Auf allen vier Särgen befinden sich die Familienwappen, auf drei derselben auch Name, Geburts- und Todestag.

Über fünfzig Jahre vergingen, eh ein neuer Ankömmling vor der Kirche hielt und Raum in der Familiengruft beanspruchte. Alles, was den Namen Graf Schlitz angenommen hatte, hatte sich auch im Tode noch von Zernikow, dem ursprünglichen Familiengut, geschieden und dem Graf Schlitzschen Mausoleum auf Hohen Demzin den Vorzug gegeben. Nicht so der älteste Sohn der Tochter der Frau von Labes. Am 16. Februar 1861 öffneten sich die schweren Gittertüren des Fredersdorffschen Erbbegräbnisses noch einmal, und der Sarg des Oberstschenk Karl Otto Ludwigs von Arnim wurde neben Mutter und Großmutter beigesetzt. Seine Inschrift lautet:

Dubius non impius vixi,
Incertus morior, non perturbatus;
Humanum est nescire et errare.
Ens entium miserere mei.
In Zweifeln hab ich gelebt, nicht unfromm,
In Ungewißheit sterb ich, nicht in Bangen;
Nichtwissen und irren ist Menschenlos.
Wesen der Wesen, erbarme dich mein.

Sein jüngerer Bruder, Achim von Arnim, ist auf dem Familiengute Wiepersdorf bei Dahme begraben. Auch Bettina (gestorben 1859 zu Berlin) ruht daselbst.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil