Abschnitt 1

Rheinsberg


Zernikow


            »So heute Mittag die Sonne scheint,
            werde ich ausreiten; kom doch am Fenster,
            ich wollte dihr gerne sehn.«
                                        Friedrich an Fredersdorff

In der Nähe von Boberow-Wald und Huwenow-See liegt noch ein anderer Güterkomplex, der durch den Aufenthalt des Kronprinzen Friedrich in Rheinsberg zu historischem Ansehn gelangt ist – ich meine die sogenannten Fredersdorffschen Güter, die Friedrich der Große, beinahe unmittelbar nach seiner Thronbesteigung, seinem Kammerdiener Fredersdorff zum Geschenk machte. Ursprünglich bestand die Schenkung nicht aus jenen vier Besitzungen, die man jetzt wohl als »Fredersdorffsche Güter« zu bezeichnen pflegt; es war vielmehr ein einziges Gut nur, Zernikow, das der Kronprinz, am 17. März 1737 von Lieutenant Claude-Benjamin le Chenevix de Beville käuflich an sich bringend, nach dreijährigem Besitz unterm 26. Juni 1740 seinem Kammerdiener urkundlich vermachte. Erst nach zehn Jahren begann Fredersdorff selber sein Besitztum durch Ankauf zu erweitern: 1750 erwarb er Kelkendorf, 1753 Dagow und 1755 Burow. Dagow ist seitdem wieder aus der Reihe der Güter ausgeschieden, Schulzenhof aber dafür angekauft worden, so daß der Besitzstand nach wie vor aus vier Gütern besteht.

Das Wenige, was man über Fredersdorff weiß, ist oft gedruckt worden, außerdem hat Friedrich Burchardt in seinem Buche »Friedrichs II. eigenhändige Briefe an seinen Geheimen Kämmerer Fredersdorff« diesen Briefen auch noch eine Biographie Fredersdorffs beigegeben. Ich verweile deshalb nicht bei Aufzählung bekannter Tatsachen und Anekdoten, deren Verbürgtheit zum Teil sehr zweifelhaft ist, und beschränke mich darauf, bei jenem einzig neuen Resultat einen Augenblick stehnzubleiben, welches die seitdem erfolgte Durchsicht der Gartzer Kirchenbücher hinsichtlich der Herstammung Fredersdorffs ergeben hat.

Es galt bisher für zweifelhaft, ob Fredersdorff wirklich zu Gartz in Pommern (vier Meilen von Stettin) oder aber in Mitteldeutschland geboren sei, ja die meisten Stimmen neigten sich der letztern Ansicht zu und bezeichneten ihn als einen durch Werber aufgebrachten wohlhabenden Kaufmannssohn aus Franken. Diese Ansicht ist aber jetzt mit Bestimmtheit widerlegt. Im Gartzer Kirchenbuche findet sich eine Angabe, daß ein dem Stadtmusikus (musicus instrumentalis) Fredersdorff geborner Sohn am 3. Juni 1708 getauft worden sei und die Namen Michael Gabriel erhalten habe. Da nun der Kammerdiener Fredersdorff nach übereinstimmenden Nachrichten wirklich Michael Gabriel hieß, auch wirklich 1708 geboren wurde, so kann nicht gut ein längerer Zweifel an dieser Streitfrage walten. Zwar findet sich auf Fredersdorffs Bild in der Zernikower Kirche die Angabe: »geboren am 6. Juni 1708« (wonach er nicht am 3. Juni getauft sein kann), diese Angabe ist aber entweder einer jener Irrtümer, wie sie auf derartigen Bildern sehr häufig vorkommen, oder es hat sich umgekehrt bei Eintragung ins Kirchenbuch ein Fehler eingeschlichen. Vielleicht muß es heißen: am 13. Juni.

Fredersdorff war achtzehn Jahre lang, von 1740 bis 1758, im Besitz von Zernikow, an welche Tatsache wir die Frage knüpfen, ob er dem Dorf und seinen Bewohnern ein Segen war oder nicht. Die Beantwortung der Frage fällt durchaus zu seinen Gunsten aus. Wie er, trotz Ehrgeiz und einem unverkennbaren Verlangen nach Ansehn und Reichtum, doch überwiegend eine liebenswürdige und gutgeartete Natur gewesen zu sein scheint, so erwies er sich auch als Gutsherr mild, nachsichtig, hülfebereit. Seine Bauern und Tagelöhner hatten gute Zeit. Und wie den damaligen Bewohnern, so war er dem Dorfe selbst ein Glück. Die meisten Neuerungen, soweit sie nicht bloß der Verschönerung dienen, lassen sich auf ihn zurückführen. Er fand eine vernachlässigte Sandscholle vor und hinterließ ein wohlkultiviertes Gut, dem er teils durch Anlagen aller Art, teils durch Ankauf von Wiesen und Wald das gegeben hatte, dessen es zumeist benötigt war. Die Tätigkeit, die er entwickelte, war groß. Kolonisten und Handwerker wurden herangezogen und Weberei und Strohflechterei von fleißigen Händen betrieben. Zu gleicher Zeit und mit Vorliebe nahm er sich des Seidenbaus an. Gärten und Wege wurden mit Maulbeerbäumen bepflanzt (schon 1747 standen deren 8000), und das Jahr darauf hatte er zum ersten Male einen Reinertrag aus der gehaspelten Seide. Kaum daß er ein Stück guten Lehmboden auf seiner Feldmark gefunden, entstand auch schon eine Ziegelei, so daß er 1746, und zwar aus selbstgebrannten Steinen, das noch jetzt existierende Wohnhaus erbauen konnte. Noch im selben Jahre führte er, ebenso wie in Spandau und Köpenick, große Brauereigebäude auf, in denen das so beliebt gewordene und nach ihm genannte »Fredersdorffer Bier« gebraut wurde. In allem erwies er sich als der gelehrige Schüler seines königlichen Herrn, und an der ganzen Art und Weise, wie er die Dinge in Angriff nahm, ließ sich erkennen, daß er den organisatorischen Plänen des Königs mit Verständnis zu folgen und sie als Vorbild zu verwerten verstand. Er mocht es dabei, besonders was die Mittel zur Ausführung anging, leichter haben als mancher andere, da ein König, der ihm schreiben konnte: »Wenn ein Mittel in der Welt wäre, Dir in zwei Minuten zu helfen, so wollte ich es kaufen, es möchte auch so teuer sein, wie es immer wolle«, sehr wahrscheinlich auch bereit war, durch Geschenke und Vorschüsse aller Art zu helfen. Es scheint indessen, daß diese Hülfen immer nur innerhalb beschränkter Grenzen blieben und daß die Meliorationen erst von 1750 ab einen größeren Maßstab annahmen, wo sich Fredersdorff mit Karoline Marie Elisabeth Daum, der reichen Erbtochter des schon 1743 verstorbenen Banquier Daum, vermählt hatte. Wenigstens beginnen von da ab erst jene Güterkäufe, deren ich schon oben erwähnt habe. Fredersdorff lebte mit seiner jungen Frau in einer sehr glücklichen, aber kinderlosen Ehe. Daß er andauernd in Zernikow gewesen sei, ist nicht anzunehmen, doch scheint es, daß er von 1750 ab (also nach seiner Vermählung) wenigstens sooft wie möglich auf seinem Gute war und namentlich die Sommermonate gern daselbst verbrachte. Ob er seine alchimistischen Künste und Goldmacheversuche auch in ländlicher Zurückgezogenheit geübt habe, ist nicht zu ermitteln gewesen, übrigens nicht wahrscheinlich. Er starb zu Potsdam in demselben Jahre (1758), das seinem königlichen Herrn so viele schwere Verluste brachte, und seine Leiche wurde nach Zernikow übergeführt. Michael Gabriel Fredersdorff war am 12. Januar 1758 gestorben. 1760 vermählte sich seine Witwe zum zweiten Male, mit dem aus Pommern stammenden Geheimen Stiftsrat zu Quedlinburg, Hans Freiherrn von Labes, der, ursprünglich bürgerlich, erst später vom Kaiser in den Adelsstand erhoben worden war.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil