Abschnitt 4

An Rhin und Dosse


Garz


Albrecht Christoph von Quast


Die vom Pfalzgrafen gewählte Position war geschickt genug: in Front ein Graben, der, durch ein mooriges Terrain gezogen, an einzelnen Stellen mit Wasser gefüllt, an andern, schmaleren aber derart verschüttet war, daß sich ein Übergang ermöglichte, selbst für Kavallerie. Diese leicht zu verteidigenden Übergänge dienten dem schwedischen General als Ausfallbrücken. Den rechten Flügel kommandierte der Pfalzgraf selbst, den linken Generallieutenant Horn; im Zentrum stand der erfahrene General Stenhock mit vierzehn Compagnien Fußvolk und fünf Geschützen vor seiner Front. Reserven, weil es an Mannschaften fehlte, hatte die schwedische Aufstellung beinahe gar nicht.

Dies war die Position, gegen welche die Verbündeten am Morgen des 24. November anrückten. Das Zentrum (holländische Infanterie unter den Obersten Killegray, Alowa und Meteren) führte Feldmarschall Schack, den linken Flügel Eberstein, den rechten unser Albrecht Christoph von Quast. Das zweite Treffen bestand ausschließlich aus den dänischen Regimentern Trampe, Rantzau, Ahlefeldt, Brockhausen, Güldenleu. Die alliierte Armee war zahlreicher als die schwedische, die schwedische aber, kriegsgewohnter, hatte zudem noch den Vorteil, ein Ganzes zu bilden, während die Alliierten aus ganz widerstrebenden Nationalitäten zusammengesetzt waren. Im Kommando scheint auf beiden Seiten keine rechte Einigkeit geherrscht zu haben, jedenfalls handelten die Generale der Alliierten zumeist auf eigene Hand.

Der linke Flügel der letztren eröffnete das Gefecht. Hier standen (wenn ein alter Schlachtenatlas 4) , den wir zu Rate ziehen, das Richtige angibt) unter Führung des dänischen Feldmarschalls von Eberstein die brandenburgischen Reiterregimenter Quast, Kannenberg, Gröben und ein Dragonerregiment. Ihr Angriff scheiterte an der Ungunst des Terrains. Sie wurden geworfen. Der rechte Flügel teilte das Schicksal des linken. Hier, wie wir wissen, kommandierte Quast in Person und führte zunächst die kaiserlichen Regimenter Matthias und Graf Caraffa, ferner das dänische Regiment von der Natt und die polnische Brigade Przimsky ins Feuer. Aber auch sie konnten nichts ausrichten. In diesem kritischen Momente, wo die Reiterei, die zum Teil in das Moor einsank, ersichtlich den Dienst versagte, rückte von Quast mit einer Abteilung Infanterie (Pikenträger) gegen den Pfalzgrafen vor, und dieser Angriff entschied. Quast erhielt zwei Kugeln in den Leib, ließ sich aber, als er infolge so schwerer Verwundung nicht mehr reiten noch gehen konnte, auf die Schultern seiner Pikeniere heben und durchbrach so den feindlichen linken Flügel. Dies gab gleichzeitig das Zeichen zum Vorrücken der holländischen Brigaden im Zentrum, die bis dahin untätig dem Kampfe zugesehen hatten. Und jetzt griff auch die Reiterei wieder ein und warf den Feind über den Haufen. Der Rückzug der Schweden wurde bald eilige Flucht. Ihr Führer, der Pfalzgraf, entkam auf einem Fischerboote, mitten durch die holländische Flotte, nach Korsör auf Seeland, wo er dem harrenden Schwedenkönige die Nachricht von der verlorenen Schlacht brachte. Nyborg, das General von Horn zu halten versuchte, fiel schon am andern Tag; er und das ganze schwedische Corps wurden kriegsgefangen.

Unser Quast hatte den entscheidenden Schlag getan, darüber sind alle Berichte so ziemlich einig, und nur darin weichen sie voneinander ab, mit welchen Regimentern er den feindlichen linken Flügel durchbrach. Es scheinen unter allen Umständen keine Brandenburger gewesen zu sein, denn die Truppen, die brandenburgischerseits an der Affaire teilnahmen, waren zugestandenermaßen Reiterregimenter, die, gleichviel, an welchem Flügel sie gestanden haben mögen, das Schicksal der kaiserlichen Reiterei teilten und nirgends die feindliche Schlachtreihe zu durchbrechen vermochten. Quast gab allerdings den Ausschlag, aber an der Spitze dänischer Pikeniere, die seinem Flügel zunächst in Reserve standen. (Nach einem andern Bericht hätten die holländischen Brigaden des Zentrums die schon halb verlorene Schlacht wieder zum Stehen gebracht. Dann erst hätte Quast mit dem wieder gesammelten rechten Flügel den letzten Schlag getan. Auch diese Lesart hat manches für sich.) Der Sieg von Nyborg war entscheidend. Die Nachricht von der totalen Niederlage seines Heeres soll den schwerkranken Schwedenkönig so erschüttert haben, daß er infolge davon starb, ein Todesfall, der bald danach zum 'Frieden von Oliva und durch ebendiesen Frieden zur endgültigen Oberhoheit Brandenburgs über das Herzogtum Preußen führte. Die Alliierten, nachdem sie zwei Jahre lang die Kimbrische Halbinsel besetzt gehalten hatten, räumten nunmehr das Land. In Hamburg schon wurden die Regimenter entlassen, und auch Quast (übrigens im Dienste des Kurfürsten verbleibend) ging auf seine Güter.




4) Dieser Schlachtenatlas (kein gedrucktes, sondern ein mit Wasserfarben und Frakturschrift sauber ausgeführtes Werk) führt den Titel: »Ein Buch aller der fürnehmsten Bataillen und Campementen, so in diesem Säculo, und zwar von 1620 bis 1693, von Jahren zu Jahren seind gehalten worden«. Das neununddreißigste Blatt enthält die Aufstellung beider Armeen in der Schlacht bei Nyborg. Halte ich alles zusammen, was ich in Pufendorf, Orlich und in zwei Aufsätzen von Professor Dr. Stuhr (»Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staats«. Berlin, Mittler 1831) und von Hofrat L. Schneider (»Soldatenfreund«. Septemberheft 1864) gelesen habe, so komm ich immer wieder zu der Ansicht, daß der alte Schlachtenatlas wahrscheinlich mehr recht hat als irgendeine andre Beschreibung. Unter den verschiedenen Punkten, worin derselbe von den Angaben der Historiker abweicht, ist der eine für uns von Belang, wonach Generalmajor von Quast – wie oben im Text des näheren angeführt werden wird – auf dem rechten Flügel keine brandenburgischen, sondern kaiserliche Reiterregimenter, Dänen und Polen unter seinem Kommando hatte. Der Atlas gibt die Namen der Regimenter genau an, und dies Vertrautsein mit den Details spricht dafür, daß der Verfasser überhaupt Bescheid wußte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil