Vorwort

Mit diesem Bande ist die Reihe der Vorlesungen, wie sie unter verschiedenen Titeln veröffentlicht worden sind, geschlossen. Ein vollständiges Kompendium über die neuere und neueste Kirchengeschichte darf darin nicht gesucht werden. Einzelne Partien derselben, z. B. die Geschichte der Ausbreitung des Christentums (Missionsgeschichte) sind weggeblieben, während allerdings in den frühern Bänden auch auf letztere Rücksicht genommen und ihre Durchführung bis auf die neueste Zeit versprochen wurde. Allein entweder hatte ich die Missionsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts nur flüchtig berühren und dann grade das übergehen müssen, was zum Zweck dieser Vorlesungen gehört, nämlich das Eigentümliche des protestantischen Verfahrens auch auf dem Missionsgebiete nachzuweisen, oder wenn ich dieser Forderung hätte Genüge leisten wollen, so hätte ich fast eine neue Arbeit übernehmen müssen, die mich über die Grenzen meines ursprünglichen Planes zu weit hinausgeführt haben würde. Ich bedaure indessen um so weniger hier ein offenes Feld gelassen zu haben, als uns Hoffnung gemacht ist zu einer Reihe von Vorlesungen über diesen anziehenden Gegenstand von einer Seite her, von der man nur das Gediegenste und Gründlichste in dieser Hinsicht erwarten kann. Auch die griechisch-russische Kirche und ihre Stellung zum Protestantismus habe ich mit Stillschweigen übergangen, das Sektenwesen der übrigen Kirchen nur gelegentlich berührt, die römisch-katholische Kirchengeschichte in ein kurzes Bild zusammengedrängt und mich dabei nur auf den deutschen und französischen Katholizismus beschränkt, ohne von Italien, Spanien, Portugal, Irland und Polen, ein Wort zu sagen; auch Papst- und Ordensgeschichte habe ich keineswegs durchgeführt, und selbst über manche bedeutende Erscheinung in der protestantischen Kirche bin ich vielleicht allzu leicht weggegangen. Diese Lückenhaftigkeit an dem einen Orte dürfte dem, der hier ein Kompendium, sucht, noch mehr auffallen bei der Ausführlichkeit in andern Dingen; denn öfter wird der Leser eher sich mitten in der Literatur- als in der Kirchengeschichte zu befinden glauben, indem er fast mehr mit sogenannten Belletristen als mit Kirchenvätern sich zusammengeführt sieht. Über dieses scheinbare Missverhältnis gibt indessen die Einleitung zur ersten Vorlesung hinlänglichen Aufschluss; auch rechtfertigt es sich durch die Tendenz, die sich vom ersten Band an bis zum letzten durch das ganze Werk hindurchzieht, und welche weder eine gelehrte, noch selbst eine streng wissenschaftliche ist. Oder wäre es nöthig, zu wiederholen, daß es mir bei diesen Vorlesungen stets weniger um vollständige Mitteilung des Stoffes, als um Beleuchtung einzelner Partien, weniger um Dogmen, Statute u. s. w. als um lebendige Darstellung von Persönlichkeiten, weniger überhaupt um bloße Belehrung, als um religiös-sittliche Anregung und um die unsrer Zeit so nötige Vermittlung zwischen dem Glauben der Väter und der modernen Bildung zu tun war?

Aber auch noch in dieser Hinsicht dürfte sich die Erwartung der Leser getäuscht finden, indem grade das Allerneuste, die eigentliche Tagesgeschichte mehr nur berührt als auseinander gelegt wird. So habe ich selbst solche Erscheinungen der Gegenwart, über die mir von verschiedenen Seiten her interessante Mitteilungen gemacht worden sind, z. B. die religiösen Bewegungen in Königsberg, den Pietismus in Schlesien, die Mormoniten in Amerika, die Philalethen in Kiel u. a. m. nicht mehr in meine Darstellung aufgenommen. Ein vollständiges Bild der Gegenwart in religiöser und kirchlicher Hinsicht, mithin eine kirchliche Statistik zu geben, würde die Aufgabe einer besondern Reihe von Vorlesungen sein, die aber dann kaum mehr geschichtliche (im strengen Sinn des Wortes) heißen könnten. Ich wollte meinen Zuhörern bloß die nächste Unterlage geben, von der aus sie die heutigen Zeiterscheinungen begreifen könnten, und dazu gehörte vor allem eine ausführliche Charakteristik der verschiedenen Geistesrichtungen und des vorigen Jahrhunderts, so weit sie in das jetzige eingegriffen haben. Was vollends noch lebende Persönlichkeiten betrifft, so habe ich mich darüber in der 12. Vorlesung ausgesprochen, und dass im Verlaufe des Ganzen oft unbedeutendere Namen vorkommen mögen, während literarische Zelebritäten entweder gar nicht oder höchstens in einer Note angeführt sind, hat wieder seinen Grund in dem populären, und dazu noch durch die Örtlichkeit bedingten Standpunkte. Dies für die, welche etwa im Voraus das beigefügte alphabetische Register in kritischer Beziehung durchmustern mögen, wahrend es bloß den Besitzern des ganzen Werkes das Nachschlagen über schon Gelesenes erleichtern soll. Meinen Zuhörern endlich, welche in diesen gedruckten Vorlesungen den treuen Abdruck dessen suchen, was gesprochen wurde, bin ich die Erklärung schuldig, dass die 18. und 19. Vorlesung eine bedeutende Überarbeitung erlitten haben und dass die 20., welche wegen der vorgerückten Jahreszeit nicht mehr gehalten werden konnte, hier erst als schriftlicher Nachtrag folgt, mit Ausnahme der Schluss- und Abschiedsworte, die, wie gesprochen, so auch geschrieben sind und mit denen ich mich nun auch von dem geneigten Leser verabschiede.
Basel, in den Herbstferien 1843.
Der Verfasser.