Abschnitt 2

Einiges aus dem See- und Schiffswesen der Handelsmarine


Jeden Morgen wird das Mitteldeck gewaschen, mag es schmutzig sein oder nicht, mag es regnen oder schneien oder die Sonne scheinen.


Die Fahrgeschwindigkeit wird mit dem Logg gemessen. Es giebt verschiedene Arten desselben, vom Handlogg an bis zu dem komplizierteren, selbstarbeitenden Patentlogg. An Bord der „Mira“ befindet sich das Garlandsche Logg, dessen Beschreibung hier folgen mag.

Es besteht aus einem Uhrwerk, einer etwa 30 m langen Leine und einer messingenen Schraube mit 4 Flügeln. An der Leeseite (Lee die vom Winde nicht getroffene Seite; Gegensatz: Luv) wird eine etwa 4 m lange Stange herausgesteckt und an dieser wird das Uhrwerk befestigt, während die Schraube ins Wasser geworfen wird. Durch die Fahrt des Schiffes dreht sich die Schraube und überträgt durch die Leine ihre Umdrehungen auf das Uhrwerk, welches mit Zeigern wie an einer gewöhnlichen Uhr versehen ist; auf dem Zifferblatt kann man nun die Anzahl der zurückgelegten Seemeilen ablegen. Dieses Logg hängt Tag und Nacht bei jedem Wetter hinaus.

Die Mahlzeiten werden ganz wie am Lande eingenommen; bei sehr stürmischem Wetter werden hölzerne Rahmen auf den Tisch gelegt, in welche die Teller gestellt werden, damit sie nicht umfallen.

Die Bewegung des Schiffes von hinten nach vorn (bei direktem Gegenwinde) nennt man Stampfen; die seitliche Bewegung (bei seitlichem Winde) Rollen oder Schlingern. Die Seekrankheit soll besonders durch das Stampfen befördert werden.

Bei Unsicherheit über die Tiefe des Wassers wird gelotet. Das _Lot_ ist ein 20 bis 40 Pfund schwerer Bleiklumpen, der unten ein Loch hat. In dieses wird Talg geschmiert, damit Sand oder Muscheln daran festkleben und man einen Anhalt über die Art des Grund und Bodens erhält. Das Lot wird an einer Leine heruntergelassen, wobei das Schiff natürlich nicht in Bewegung sein darf und die Maschine zu arbeiten aufhört.

Windstärke, Seezeichen, Verständigung auf See, sonstige
Eigentümlichkeiten.

Der Franzose Beaufort hat folgende Tabelle für die Windstärken aufgestellt, die allgemein angenommen ist:

Windstille = 0
Sehr leichter Wind = 1
Leichter „ = 2
Schwacher „ = 3
Mäßiger „ = 4
Frischer „ = 5
Starker „ = 6
Steifer „ = 7
Stürmischer „ = 8
Sturm „ = 9
Starker Sturm 10
Heftiger „ = 11
Orkan „ = 12

An den Küsten dienen Leuchtfeuer, die entweder auf Leuchttürmen oder auf Leuchtschiffen angebracht sind, zur Orientierung des Seemanns. Diese Leuchtfeuer sind sehr verschiedener Art. Wir nennen hier folgende: Festes Feuer zeigt ein farbiges Licht von gleichmäßiger Stärke. Festes Feuer mit Blinken ist ein Feuer, das in gleichmäßigen Zeitabschnitten von wenigstens 5 Sekunden Dauer lichtstärkere Blinke zeigt, welche auch eine von dem festen Feuer verschiedene Farbe haben können. Blinkfeuer sind weiße oder farbige Feuer, welche durch gleichlange Dunkelpausen geschiedene Blinke von allmählich zu- und abnehmender Lichtstärke zeigen. Endlich giebt es noch Funkelfeuer, Blitzfeuer, unterbrochene Feuer, Wechselfeuer u.a.m.

Seezeichen sind schwimmende Körper, Tonnen oder Bojen, die auf dem Meeresgrunde verankert sind. Sie haben verschiedene Farbe und Gestalt: kegelförmig, kugelförmig, stumpf, spitz, platt; die einfachsten Seezeichen sind die Pricken, das sind junge mit Ästen versehene Bäume, die in den Grund gesteckt werden und natürlich nur in ganz flachen Gewässern, z.B. im Wattenmeer, zu verwenden sind. Heultonnen sind mit einem Apparat versehen, durch welchen automatisch ein Ton erzeugt wird, der dem der Dampfpfeife gleicht; Leuchttonnen sind mit Gas gefüllt, das Tag und Nacht brennt, Glockentonnen sind mit einer Glocke versehen, die durch die Bewegung des Meeren zum Tönen gebracht wird. Sämtliche Seezeichen und Leuchtfeuer sind in die Seekarten eingetragen.

Die Verständigung auf See zwischen zwei Schiffen oder von Schiff zu Land geschieht durch Flaggen, vermittelst welcher eine ganze komplizierte Sprache gebildet wird. Das internationale Signalbuch, gegen 800 Seiten stark, enthält sämtliche vorkommende Wörter und Sätze; beispielsweise:

„Ich wünsche etwas mitzuteilen.“

„Woher kommen Sie?“

„Ich habe einen Brief für Sie.“

„Ich bin auf Grund.“

„Können Sie mir einen Maschinisten verschaffen?“

„Die Küste ist gefährlich.“

Mit den 18 Flaggen lassen sich 78612 Wörter, Namen, Zahlen und Sätze bilden, die von jeder Nation in der eigenen Sprache verstanden werden.

Die Benennung der Schiffe betreffend, so haben die größeren Gesellschaften den Grundsatz, ihren Schiffen möglichst gleichartige Namen zu geben und solche, die noch nicht oder wenig bei den seefahrenden Nationen vertreten sind. Der Bremer Lloyd hat bekanntlich eine Anzahl deutscher Flußnamen verwendet, wie Spree, Eider, Elbe, Neckar u.a. Die Hamburger Packetfahrtgesellschaft taufte eine Anzahl ihrer Schiffe nach den deutschen Dichtern: Goethe, Schiller, Wieland, Herder, Lessing, Gellert u.a. Eine englische Gesellschaft hat Namen auf o: Kairo, Crato, Cicero, Plato u.a., wobei denn ein buntes Durcheinander entsteht. Eine Flensburger Reederei giebt ihren Schiffen nur Sternennamen, und zwar solche, die auf „a“ enden: Capella, Wega, Gemma, Mira: das zuerst gebaute Schiff nannte sie Stern. Ein anderer Flensburger Reeder nennt seine Schiffe nach Mitglieder seiner Familie: Georg, Elsa, Helene u.s.w. An den Schornsteinen befinden sich gewöhnlich Zeichen oder Buchstaben, an denen man die Reederei, zu welcher der Dampfer gehört, schon von weitem erkennt.

An Bord jedes Schiffes befindet sich Lloyds Register, eine Art Schiffsadreßbuch, in welchem sämtliche Schiffe der Erde mit Angabe statistischer Notizen über Jahr der Erbauung, Tonnenzahl, Heimatshafen u.s.w. verzeichnet sind. Kennt man Namen und Heimatshafen eines Schiffes, so kann man sich aus diesem umfangreichen, sehr nützlichen Buche über alle Einzelheiten desselben orientieren. Beispielsweise will ich erwähnen, daß wir im Genter Hafen einst eine sehr altertümlich aussehende hölzerne Brigg sahen, die wie wir mit Holzabladen beschäftigt war. Mein Kapitän meinte, sie müsse ziemlich alt sein. Wir schlugen in Lloyds Register nach, und siehe da, als Geburtsjahr des Schiffes stellte sich heraus 1829! Ein solches Alter hätten wir ihm denn doch nicht zugetraut; es war übrigens so vielfach ausgebessert, daß von dem ursprünglichen Holz kaum noch etwas übrig war. Die heutigen Schiffe, besonders die aus Stahl und Eisen gebauten, erreichen ein solches Alter

bei weitem nicht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Haparanda bis San Francisco