Oberhausen

„Tausend fleißge Hände regen,
Helfen sich in munterm Bund;
Und in feurigem Bewegen
Werden alle Kräfte kund.“

Schiller


Als Oberhausen gegründet wurde, stritten sich Rhein, Ruhr und Emscher, an welchem dieser Flüsse die Stadt liegen sollte. Jeder der drei wollte sie an seine Ufer haben, keiner gönnte sie dem andern. Da sprach der liebe Gott: Wenn Ihr Euch nicht einigen könnt, so bekommt sie niemand. Und so geschah es, daß Oberhausen an keinem der drei Flüsse liegt, sondern mitten dazwischen; doch so, daß jeder leicht und schnell zu erreichen ist.

Von allen Rheinlandstädten ist Oberhausen die jüngste. Wo jetzt eine rührige Bevölkerung von über 40.000 Einwohnern wirkt und schafft, war vor einem halben Jahrhundert nichts als Haide, rotblühende Haide. Feierte doch die Stadt erst im Jahre 1899 das Fest ihres 25jährigen Bestehens! Wahrhaft amerikanisch kann demnach ihr Wachstum genannt werden, amerikanisch mutet auch die Anlage der Straßen an. Schnurgrade, lang und außergewöhnlich breit kreuzen sie sich in rechtem Winkel; damit aber Poesie und Gesundheit nicht fehlen, hat man sie fast alle mit zwei, teilweise sogar drei Reihen Bäumen bepflanzt. So macht die Stadt einen überaus freundlichen und sauberen Eindruck, ebensowohl in der eigentlichen Geschäftsstadt, als auch in dem Villenviertel, wenn dieser Ausdruck gestattet ist. In jener bildet die Marktstraße die Hauptverkehrsader; sie ist von stattlichen Häusern und zahlreichen großstädtischen Läden und Bazaren eingefaßt. An ihr liegt auch der Altmarkt, der aber, wie alles in Oberhausen, nicht alt, sondern neu ist. Bäume umgeben den vollständig asphaltierten, stets reinlichen Platz, auf dem die Wochenmärkte abgehalten werden; in der Mitte erinnert eine schlanke Säule an die siegreichen Thaten unseres Heeres. Um die Mülheimerstraße gruppieren sich die Straßen des Villenviertels: die Grillo-, Hermann-, Wilhelm-, Elbe-, Falkenstein- und andere Straßen. Elektrische Bahnen durchsausen die Stadt nach allen Richtungen und verbinden sie mit anderen Städten z.B. Essen und Mülheim.

Mehr als manche Großstadt steht Oberhausen im Zeichen des Verkehrs. Als Bahn-Ausgangs- und -Kreuzungspunkt hat es von jeher Bedeutung gehabt; direkte Verbindungen bestehen mit vielen Hauptstädten Europas, über Oberhausen gehen die Linien Köln-Berlin, Köln-Hamburg, Amsterdam-Basel-Genua London-Vlissingen-Süddeutschland und andere. Wenn auch neuerdings eine Anzahl Zuge statt über Oberhausen über Duisburg-Essen geleitet werden und dadurch der Bahnhof etwas entlastet ist, so kommen doch täglich immer noch 120 Personen-, Schnell- und D-Züge von allen Richtungen an und ebenso viele gehen ab, nicht zu gedenken der Güterzüge. Der Bahnhof mit seinen drei geräumigen Hallen und hübschen Wartesälen würde mancher Großstadt zur Zierde gereichen.

Vom Bahnhof führt die Schwartzstraße nach der Mülheimerstraße. An der Schwartzstraße, nach dem verdienstvollen früheren Bürgermeister Schwartz so genannt, liegt u.a. das Rathaus mit einem wundervollen Bismarckbilde von Walter Petersen in Düsseldorf und das Realgymnasium, an der Elsestraße die schmucke, noch in der Entwicklung begriffene höhere Mädchenschule. Von den katholischen Kirchen ist die domartige Berg- oder Marienkirche, von den evangelischen die neue an der Lipperhaidstraße architektonisch bemerkenswert. Am Neumarkt liegt die prächtige Badeanstalt, in deren großem Bassin auch im Winter dem Schwimmsport gehuldigt wird - eine Einrichtung, die man in Hunderten von Mittelstädten vergeblich suchen würde.

Es versteht sich von selbst, daß Oberhausen in erster Linie der Industrie sein fabelhaftes Aufblühen verdankt. Und doch merkt man in der Stadt selbst recht wenig davon. Das bedeutendste industrielle Werk, die unter Leitung des Geheimen Kommerzienrats Carl Lueg stehende Gutehoffnungshütte, liegt ziemlich weit außerhalb der Stadt. Mit ihren 13.000 Angestellten ist sie eines der großartigsten Werke, das überhaupt existiert. Von ihrer Ausdehnung zeugt die Thatsache, daß die Hütte über 60 Kilometer Eisenbahn auf ihrem Gebiete besitzt. Von ihr sind u.a. gebaut Brücken über den Rhein, die Elbe, die Weichsel, den Nord-Ostsee-Kanal, die sämtlichen Brücken der Gotthard-Bahn, die mächtigen Hallen des Frankfurter Hauptbahnhofs u.s.w. An sonstigen Fabriken sind noch zu erwähnen die Zinkweißhütte, die Glasfabrik, die Porzellanfabrik, mehrere Eisenwerke und die Zechen „Konkordia“ und „Oberhausen“.

Den Glanzpunkt Oberhausens bildet der mit einem Denkmal Wilhelms I. geschmückte Kaisergarten, eine städtische Anlage, die vor einigen Jahren von der Stadtverwaltung angekauft ist und fortwährend verschönert wird. Mit seinen schattigen Wegen, lauschigen Ruheplätzen und einen großen Teich, der zu Bootfahrten einlädt, bietet er einen erquickenden und angenehmen Aufenthalt. Nur durch den Emscherfluß getrennt, schließt sich an den Kaisergarten der ausgedehnte Park des Grafen Westerholt; darin liegt Schloß Oberhausen, dem die Stadt ihren Namen verdankt.

Die Umgegend von Oberhausen ist ziemlich eben, bietet jedoch einige hübsche Punkte, so das auf einem Hügel gelegene freundliche Dorf Frintrop, Borbeck mit der idyllischen Waldschenke und dem Schloß Fürstenberg, den Kahlenberg bei Mülheim und die großen Waldungen bei Duisburg. Die Großstädte Düsseldorf und Essen sind in kaum einer halben Stunde, Köln in einer Stunde, die Seeküste (Scheveningen) in drei Stunden zu erreichen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Haparanda bis San Francisco