Abschnitt 2

Ein Nachmittag bei den Karthäusern


Schließlich wurden wir in ein Speisezimmer geführt, das mit den Bildnissen der 12 Apostel geschmückt war. In der Mitte stand ein gedeckter Tisch. Unser Führer forderte uns auf zum Sitzen und verließ uns mit einem kurzen Gruß so schnell, daß wir gar keine Zeit hatten, uns zu bedanken. Wir haben ihn nicht wieder gesehen.


An seiner Statt trat gleich darauf ein anderer Bruder ein, der Gastbruder, und brachte zwei Flaschen Wein, Weißbrot, Butter und Käse, alles reichlich und gut, und wollte verschwinden. Wir baten ihn jedoch, uns statt des Weines Bier zu bringen, was denn auch geschah. Mit großem Appetit machten wir uns über die Vorräte her und besprachen dabei die Eindrücke, die wir empfangen hatten. Ich blätterte nebenbei in dem Fremdenbuche, das zum Einschreiben bereit gelegt war, und las meinen Gefährten daraus vor.

Da schreibt einer:

Wo sind Fried und Ruh
Und Herzensglück zu Hause?
Ich weiß es genau:
Hier in der Karthause.
Ein dankbarer Freund des stillen, lieben Klosters.

Ein anderer:

Wie schön und erbauend ist es, wo Brüder beisammen wohnen!
Herzlichen Dank allen Patres und Fratres für liebevolle
Gastfreundschaft.

Den Schluß eines längeren Gedichtes bilden die Verse:

Drum pflege nicht den Leib zu sehr,
Sonst wird dir einst das Scheiden schwer!
Hast du die Seele treu gepflegt,
Du bangst nicht, wenn die Stunde schlägt.

Wir konnten nicht umhin, die beiden ersten dieser Verse uns selber nochmals zuzurufen im Hinblick auf den uns noch bevorstehenden, langen schattenlosen Weg nach Düsseldorf.

Ein Mann, der vermutlich aus Sachsenland stammt, schreibt:

Härzlichen Dank für die gute Bedinung!


Ein echter Dichterfürst thut sich kund in den kurzen aber markigen Versen:

Besten Dank
Für den guten Trank.

Ein Trappist schreibt:

Gratias intimo ex corde
Carissimi Confratres Cartusiae
Oremus pro invicem.

(Name)
Trappista.

Sehr anmutend fand ich die Eintragung:

Die zufriedenen und glücklichen Patres in ihrer einsamen
Klause lassen mich an die Wahrheit des Spruchs denken:

Der Adler fliegt allein, der Rabe scharenweise;
Gesellschaft braucht der Thor, und Einsamkeit der Weise.

(Rüdert.)

Eine enttäuschte Angehörige des schönen Geschlechts, dem der Zutritt verboten ist, schreibt:

Leider hab' ich nichts gesehen,
Doch braucht ich nicht unbewirtet nach Hause zu gehen.

Frau X.

Endlich noch zwei lateinische Sprüche:

Cartusis clara
Eras mihi preclara
Eris mihi cara!

und

O beata solitudo,
O sola beatitudo!

Eigentümlich bewegt verließen wir die Karthause. Der Pförtner grüßte freundlich, das Thor fiel hinter uns zu; wir waren wieder draußen im heißen Sonnenschein. Ein Eichenwald, noch ganz jung, ist rings außerhalb der Klostermauern angepflanzt. Die Stämmchen sind kaum mannshoch. Ich mußte an die Zeit denken, wo einst das Kloster ganz im Grün versunken sein und nur der verhaltene Klang der Glocke dem vorüberziehenden Wanderer verkündigen wird, daß dort die Karthause träumt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Haparanda bis San Francisco