Verhältnis zu Byzanz und zu den Franken
Die „Duces“ waren bis in die Anfänge des achten Jahrhunderts hinein byzantinische Beamte, sie bedurften mindestens der Anerkennung des Basileus von Konstantinopel. Dieses Verhältnis hat aber dem in der Entwicklung begriffenen Staatswesen nicht den Charakter einer byzantinischen Provinz aufzudrücken vermocht, das Inselvolk blieb sich stets bewusst, dass es dem Despoten am Bosporus nur so weit verpflichtet war, als ihm selbst beliebte; es freute sich, wenn seine Beamten in den luxuriösen Uniformen der Oströmer auftraten, wenn sie von den Kaisern des Orients als Hypati (Konsuln) begrüßt wurden. Es fehlte nicht an Gegengewicht gegen den byzantinischen Einfluss, der in den vornehmen Familien Eracleas am wirksamsten war. Die Herren von Malamocco neigten den Langobarden zu und erreichten für kurze Zeit sogar die Verlegung des Sitzes der Regierung in ihr Gemeinwesen. Aber bald trieb die Gefahr, die von besten drohte, die Seebündler wieder den Byzantinern zu. Das Langobardenreich war dem Angriffe eines mächtigeren germanischen Staates erlegen, die Franken waren die Nachbarn von Seevenetien geworden und nahmen den Versuch, dasselbe ihren Interessen dienstbar zu machen, mit stärkeren Mitteln auf. Es konnte nicht fehlen, dass im Insellande selbst der Gegensatz zwischen Byzanz und dem neuen römischen Kaisertum Karls des Großen eine schärfere Scheidung der Parteien hervorrief, welche den Anschluss an eine dieser beiden Mächte betrieben. Es standen sich Dogen aus dem griechisch gesinnten Eraclea und aus Malamocco gegenüber, wo man sich wie früher mit den Langobarden, jetzt mit den Franken verbinden wollte. Eraclea wurde zweimal bekriegt, das zweitemal auch zerstört. Viele angesehene und reiche Familien suchten sich neue Wohnsitze in Malamocco, Torcello und jenem zwischen Eraclea und Malamocco gelegenen Eilande Rivo alto, wo bereits ein sehr lebhafter Handelsverkehr sich bemerkbar gemacht und immer mehr Zuzüge von anderen Inseln hervorgerufen hatte. Aus Eraclea kamen jetzt die Partecipazi später (Badoër), Orseoli, Candiani, Faledri (Falieri), Mauroceni (Morosini), Caloprini und viele andere, die zu den vornehmsten Familien von Seevenetien zählten. Sie wurden die Führer einer Partei, die weder byzantinisch noch fränkisch werden wollte. Vergeblich hatte Karl die Hilfe des Papstes und des Patriarchen von Aquileja Fortunatus, eines Triestiners, in Anspruch genommen, um sich auf dem Wege der Intrige des Inselstaats zu bemächtigen. Es war dazu gekommen, dass der Doge Obelierius (Willeri) 805 zu Diedenhofen sein herzogliches Amt vom Kaiser zu Lehen genommen hatte, aber bald daraus wurde er auch in Konstantinopel zum Spadarius ernannt, was ebenfalls einen Lehenseid voraussetzte; Fortunatus suchte zwischen dem Kaiser und der demokratischen Partei Venetiens zu vermitteln, die sich der Übermacht der vornehmen, schon damals die Regierung beherrschenden Familien entwinden wollte und dies unter dem Schutze der kaiserlichen Autorität durchsetzen zu können meinte. Von drei Seiten war Seevenetien bereits von der fränkischen Macht umsponnen, seitdem auch Istrien ein Bestandteil der Friauler Mark geworden war.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt