Der Rat der Zehn
Die neue Verfassung erhielt aus Anlass der Verschwörung des Tiepolo ihren Ausbau durch die Errichtung des Rates der Zehn (Consiglio dei Dieci). Er war ein Kind der Furcht und des Misstrauens, und mit ihm zog ein Geist in das venezianische Staatswesen ein, der dessen große Kräfte allmählich unterbunden und eine gesunde, natürliche Entwicklung des politischen Lebens ausgeschlossen hat. Beiläufig 200 Familien bemächtigten sich der Leitung des Staates und sahen von nun an in jedem Angriffe auf ihr angemaßtes Recht ein Verbrechen wider den Staat selbst, dessen Existenz mir der Erhaltung der neugeschaffenen Aristokratie in untrennbare Verbindung gebracht wurde. Das überaus künstliche Gebäude einer Verfassung, die den Mitgliedern dieser Familien große Verpflichtungen auferlegte, sie aber auch zu Teilhabern der Souveränität und aller aus deren Begriffe sich ergebenden Vorrechte machte, musste in einen mystischen Zusammenhang mit dem heiligen Staatspatron gebracht und unter eine Kontrolle gestellt werden, die bei der großen Menge den Eindruck einer übernatürlichen Macht auszuüben bestimmt war. Die Wurzel dieser Kontrolle war das Misstrauen, das jede der 200 Familien der andern entgegenbrachte. Der Doge, bei dessen Wahl man ohnehin schon die weitestgehenden Vorsichtsmaßregeln anwandte, wurde mit seinem Amtsantritte der Gegenstand des Misstrauens; aber nicht nur er wurde von seinen Räten überwacht, auch die zur Gesetzgebung und Regierung berufenen Körperschaften konnten sich kaum genugtun in gegenseitiger Überwachung, und nun entstand in diesem „Rate der Zehn“ noch eine zuerst außerordentliche, seit 1335 bleibend eingesetzte Überwachungskommission, der die höchste Macht überlassen wurde und die nach ihrem Ermessen alle Befugnisse des Großen Rates an sich reißen durfte, wenn sie den Staat in Gefahr erachtete. Alle Staatsverbrechen und Akte der Felonie von seiten eines Nobile unterstanden diesem Rate, der zum Tribunal wurde, sobald eine Verfassungsverletzung auch nur vermutet wurde. Keine Familie durfte durch mehr als ein Mitglied in demselben vertreten sein, kein Mitglied durfte in dem seiner Amtsepoche unmittelbar folgenden Jahre wieder gewählt werden, kein Verwandtschaftsband durfte die Mitglieder umschließen. Sie erhielten auch keine Entlohnung für ihre Dienstleistung und traten nach Ablauf ihrer Tätigkeit in den Stand eines einfachen Bürgers zurück, der sich jeder Anklage gegen seine Amtshandlungen unterwerfen musste.
Aus der Zehn wurden drei Capi gewählt, die nach jedem Monate wechseln konnten und dazu auch Veranlassung hatten, denn solange sie im Dienste waren, durften sie keinen Spaziergang in der Stadt unternehmen, keine Wirtschaft und überhaupt keinen öffentlichen Ort besuchen, an dem sich der Adel zu versammeln pflegte, um jeder Gelegenheit zum Verrate oder zu heimlichen Verhandlungen zu entgehen. Sie beriefen außer den jede Woche dreimal stattfindenden ordentlichen Ratsversammlungen auch außerordentliche, um dringende Fälle zur Besprechung zu bringen, sie führten ein Verzeichnis aller Eingekerkerten und berieten über die erstatteten Anzeigen, auch über jene, welche heimlich in das berühmte ,,Löwenmaul“ geworfen wurden. Zu den Versammlungen der Zehn, die entweder zeitlich morgens oder abends abgehalten wurden, mussten auch der Doge und seine sechs Räte, sowie einer der Avvogadoren erscheinen. Als sich durch die Häufung von Sitzungen der verschiedenen Ratsversammlungeu für die meist hoch betagten Dogen die Unmöglichkeit herausstellte, allen derartigen Verpftichtungen nachzukommen, wurde ihnen gestattet, dem Rate der Zehn fern zu bleiben dagegen konnte bei besonders wichtigen Fällen auch eine Zonta, eine Verstärkung von 20 Personen, berufen werden. In die Kompetenz der Zehn gehörten die Kriminalfälle der Adeligen, Verrat, Verschwörungen, politische Unruhen, geheime Verhandlungen über Gebiete und Orte, geheime Anträge zum Vorteile der Republik, die Vereinigungen der sogenannten ,,Scuole grandi“, die Verwaltung der Kasse für geheime Auslagen, alle Fälle von Ungehorsam der Statthalter (Rettori) und Beamten, später auch noch Falschmünzerei, die Verwaltung der Wälder und Bergwerke, der Glasarbeiten in Murano, der Gebrauch der Waffen, die Theater, Maskenbälle und dergleichen.
Über die ordentlichen Verwaltungsbehörden, über die staatliche Diplomatie, über den Dogen und den Senat war also noch eine geheime Regierung gesetzt worden, die sich nach ihrem Ermessen uud gegen nachträgliche Genehmigung des Großen Rates zu einer vollständigen Diktatur erheben konnte. Sie besaß das uneingeschränkte Vertrauen der Adelsgemeinde und hatte deren Interesse als oberstes Staatsprinzip zu wahren. Jeder Versuch, die Macht derselben zu brechen, jedes Aufflammen einer politischen Leidenschaft, jeder ehrgeizige Plan einer politischen Individualität, eines Kriegsmannes, eines Optimaten scheiterte an der Wachsamkeit dieser Decemvirn, die mit ihrem Knopfe ihren Auftraggebern hafteten. Das System der Aristokratie war vor jeder Erschütterung gesichert, es konnte alle seine Vorzüge entfalten, es gab aber auch keine Korrektur gegen seine Einseitigkeit mehr, keinen Ausgleich der Stände, keine Erneuerung der Volkskraft. Der Organismus der venezianischen Republik konnte, solange er sich nach außen zu schützen und zu behaupten vermochte, alle seine Fähigkeiten aufs höchste anspannen, aber er musste zerfallen, wenn er seine Lebenskraft verbraucht hatte.
Aus der Zehn wurden drei Capi gewählt, die nach jedem Monate wechseln konnten und dazu auch Veranlassung hatten, denn solange sie im Dienste waren, durften sie keinen Spaziergang in der Stadt unternehmen, keine Wirtschaft und überhaupt keinen öffentlichen Ort besuchen, an dem sich der Adel zu versammeln pflegte, um jeder Gelegenheit zum Verrate oder zu heimlichen Verhandlungen zu entgehen. Sie beriefen außer den jede Woche dreimal stattfindenden ordentlichen Ratsversammlungen auch außerordentliche, um dringende Fälle zur Besprechung zu bringen, sie führten ein Verzeichnis aller Eingekerkerten und berieten über die erstatteten Anzeigen, auch über jene, welche heimlich in das berühmte ,,Löwenmaul“ geworfen wurden. Zu den Versammlungen der Zehn, die entweder zeitlich morgens oder abends abgehalten wurden, mussten auch der Doge und seine sechs Räte, sowie einer der Avvogadoren erscheinen. Als sich durch die Häufung von Sitzungen der verschiedenen Ratsversammlungeu für die meist hoch betagten Dogen die Unmöglichkeit herausstellte, allen derartigen Verpftichtungen nachzukommen, wurde ihnen gestattet, dem Rate der Zehn fern zu bleiben dagegen konnte bei besonders wichtigen Fällen auch eine Zonta, eine Verstärkung von 20 Personen, berufen werden. In die Kompetenz der Zehn gehörten die Kriminalfälle der Adeligen, Verrat, Verschwörungen, politische Unruhen, geheime Verhandlungen über Gebiete und Orte, geheime Anträge zum Vorteile der Republik, die Vereinigungen der sogenannten ,,Scuole grandi“, die Verwaltung der Kasse für geheime Auslagen, alle Fälle von Ungehorsam der Statthalter (Rettori) und Beamten, später auch noch Falschmünzerei, die Verwaltung der Wälder und Bergwerke, der Glasarbeiten in Murano, der Gebrauch der Waffen, die Theater, Maskenbälle und dergleichen.
Über die ordentlichen Verwaltungsbehörden, über die staatliche Diplomatie, über den Dogen und den Senat war also noch eine geheime Regierung gesetzt worden, die sich nach ihrem Ermessen uud gegen nachträgliche Genehmigung des Großen Rates zu einer vollständigen Diktatur erheben konnte. Sie besaß das uneingeschränkte Vertrauen der Adelsgemeinde und hatte deren Interesse als oberstes Staatsprinzip zu wahren. Jeder Versuch, die Macht derselben zu brechen, jedes Aufflammen einer politischen Leidenschaft, jeder ehrgeizige Plan einer politischen Individualität, eines Kriegsmannes, eines Optimaten scheiterte an der Wachsamkeit dieser Decemvirn, die mit ihrem Knopfe ihren Auftraggebern hafteten. Das System der Aristokratie war vor jeder Erschütterung gesichert, es konnte alle seine Vorzüge entfalten, es gab aber auch keine Korrektur gegen seine Einseitigkeit mehr, keinen Ausgleich der Stände, keine Erneuerung der Volkskraft. Der Organismus der venezianischen Republik konnte, solange er sich nach außen zu schützen und zu behaupten vermochte, alle seine Fähigkeiten aufs höchste anspannen, aber er musste zerfallen, wenn er seine Lebenskraft verbraucht hatte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt