Abschnitt 1

IV. De Festung Gr.


Kapitel 19


De Philosoph vertürnt sick mit den Kapteihn wegen den Begriff »Liebe«, mit Don Juannen wegen Paulussen, mit den Erzbischoff wegen de Waden un mit mi wegen unsen leiwen Unkel Dambach. Worüm ick tau den General up de Parad' müßt, un worüm de Kopernikus nich mit de Rotten in de Dackrönn spazieren gahn wull.

Dat was dat En'n von den einen Roman, un nu süll de anner anfangen.

Äwer ihre de losgahn süll, müßt irst de Sommer vergahn un de Spätharwst kamen, un wil dese Tid wiren wi gor nich in ruhige Taufredenheit, obschonst de Gegenbuhleri von den Kapteihn un den Kopernikus vullstännig uphürt hadd; denn min oll ihrlich Kapteihn höll Tuck; mit keinen Blick ströpte hei nah Aurelia'n räwer, mit keinen Faut peddte hei in ehre Fauttappen, un för sinentwegen stunn de Pal an de lütte Lind' grad as en Licht. Äwer – hei hadd en stillen Haß up Schr...men smeten, hei kunn em nich vör Ogen seihn, wil dat de dat farig kregen hadd, wat hei nich farig kregen hadd, nämlich 'ne Brudschaft. – Sei vertürnten sick denn ok bald, un tworst äwer den Begriff »Liebe«. – De Philosoph was allmählich dörch sine lütte, nüdliche, pummliche Brud up en Begriff von »Liebe« kamen, den min brawe Kapteihn in sine Ritterlichkeit un sine Opferstimmung unmöglich för den richtigen annemen kunn. »Er ist trotz aller preziösen Redensarten ein sinnlicher Selbstsüchtling«, säd hei un gung den Philosophen ut den Weg'.

Mit Don Juannen was de Philosoph glik in de irsten acht Dag' äwer den Faut spannt; sei wiren sick einanner an den Dichterwagen führt. – As Schr. tau weiten kreg, dat Don Juan ok in sin Fierabendstun'n en beten up Pegasussen spazieren riden ded, hadd hei em sinen höchsten Trumpf – Paulussen – entgegenspelt, üm em von vörnherin tau verblüffen. – Nu hadd äwer Don Juan en sihr schönes Lid makt nah de Melodi: »Morgenrot! Morgenrot!« 't fung äwer taum Unnerscheid mit den Abend an: »Hesperus! Hesperus! Bring dem Liebchen Gruß und Kuß!« usw. Un wil hei nu en schönen Baß un vele Liebchens hadd, de hei all mit Grüß' un Küss' unner de Ogen gahn müßt, stimmte hei dit alle Abend an, so drad sick sin Breiwdräger, de Abendstirn, an'n Hewen seihn let. Wi hürten denn andächtig tau, denn Gesang is en Artikel, de is ror up de Festungen; hewwen dat Lid äwer meindag' nich bet tau En'n tau hüren kregen, denn wenn hei so recht mit Grüß' und Küss' üm sick smiten un de Stimm dorbi erhewen ded, röp de Schildwacht ümmer: »Ruhe da drinnen!« – Na, dit Gedicht stek hei nu up Schr...men sinen Trumpf un begung dormit nah mine Ansicht 'ne grote anmaßliche Dämlichkeit. Denn wo kann einer mit en Gedicht von drei – na, will'n ok seggen, fiw – Vers' en grot Heldengedicht von dörtig Bagen aftrumpfen willen, un noch tau mit Biller? De Philosoph funn nu dat Richtige ok glik rute un lachte äwer Hesperussen, un taum Dank dorför lachte Don Juan äwer Paulussen; kortüm, de Gegenbuhleri was ok hir in vullen Gang', un wenn de tüschen en por richtige Dichter utbreckt, denn is sei säbenunsäbentigmal slimmer as de tüschen Leiwslüd', den bi des' kann doch bi Weg' lang ok noch de Großmaud utbreken, as uns de Kapteihn wis't hett, bi de richtigen Dichter äwer meindag' nich. – Dat Ei was also von Anfang an intwei.

Mit den Erzbischoff hadd hei de ganze Tid lang Fred hollen; äwer as Lewandowsky'n sin Regiment un den Erzbischoff sine Bekanntschaft mit de dicke Bäckerfru anfung, passierte en Stück, dat sei ganz un gänzlich utenanner bringen süll. – De Erzbischoff unnerhöll sick eins Dag's up sine gewöhnliche ihrbore Wis' mit de Bäckerfru äwer den Gorentun heräwer un twors von ehr Häuhner, denn as ick seggt heww, hei was sihr för't Ökonomsche; un de Bäckerfru klagte em, dat sei nah ehre grote Krankheit so sihr stark un kumplett worden wir, dat sei nu nich sülwst mihr nah den Hauhnerwim ruppe kamen kunn, un dat de Lihrburs, de dit nu besorgen müßt, ehr ümmer de Eier utsöp un nahsten säd: de Mort hadd't dahn. »Ja«, säd sei, »Sei glöwen gor nich, wat dat för 'ne Last is, wenn einer so utenanner geiht as en Weitendeig – un natürlich is dat nich!« set'te sei hentau. – Nu was de Erzbischoff ümmer vull Mitgefäuhl bi allerlei menschliche Leiden, hei wull de arme Bäckerfru trösten un säd: doräwer süll sei sick keine grisen Hor wassen laten, denn hei wull doch leiwer – nu gung grad de Philosoph achter em vöräwer, un hei kek sick üm –, hei wull doch leiwer up en Por dägte Waden in de Welt rümgahn as up en Por Stöcker, up de sick keiner för en Sößling Zyrup von en Kopmann tau halen trugte – un dorbi kek hei mit Vergnäugen sin eigen Unnergestell an un mag jo ok woll den Philosophen sin dorbi anseihn hewwen – wat weit ick? – Genaug, de Philosoph dreihte sick üm un säd: »So ein Klotz!« Dat Wurd smet hei em so – baff! – in dat Gesicht un dat in Gegenwart von de dicke Bäckerfru, de hei grad äwer ehr Vülligkeit trösten ded.

De Erzbischoff set'te also sine gesun'n Pal in Bewegung un so achter den Philosophen sine Stöcker achter drin, un, as dat nich anners sin kunn, de Pal würden de Stöcker Herr un grepen s' sick. – Un nu würd dat en häßlichen Strid tüschen de Stöcker un de Pal, un as wi annern doräwer taukemen, säd de olle gaudmäudige Erzbischoff: hei för sin Part vergew em den Utdruck »Klotz«, so vel christliche Besinnung hadd hei, obschonst dat en infamen Utdruck wir – äwer hei hadd dormit so baff üm sick smeten, un de Utdruck künn ok äwer den Tun flagen sin un künn de brave Bäckerfru, de jo noch kumpletter wir as hei sülwst, bet up't Blaud beleidigt hewwen, un de arme Fru hadd sowieso ehre grote Last tau dragen; hei verlangte also, de Philosoph süll de Bäckerfru Afbidd dauhn! – Natürlich! Dat kunn hei jo nich! – Un de beiden gesunnen Pal un de beiden drögen Stöcker sünd meindag' nich wedder tausamen kamen.

Nu blew den Philosophen blot noch de Kopernikus un ick tau de Unnerhollung up den Spaziergang, un de Kopernikus was gor nich tau reken, denn de stunn blot spazieren an de lütte Lind', un tau 'ne Unnerhollung hadd hei kein Tid nich; also ick was't allein, an den hei sinen Haken anslagen kunn. – Äwer't durt ok man so lang' as't duren süll. – Eins Dags kamm hei nah mi ranne un vertellt mi, dat wir nu afmakt, hei wull sin Brud nah sinen Vader schicken, dat sei noch mihr Bildung kreg. – »Wo?« segg ick, »du hest jo doch nu all twei Johr Bildung mit ehr drewen, hett sei noch nich naug?« – »Ne«, seggt hei, »de Fomilienbildung fehlt ehr noch.« – »Na, denn man tau!« segg ick. – »Ja«, seggt hei, »äwer't is mi tau wid afgelegen«, seggt hei, »ick müggt sei doch af un an mal eins bi mi seihn.« – »Verdenk ick di gor nich«, segg ick. – »Un deswegen«, seggt hei, »müggt ick mi von hir weg nah S. versetten laten, wil dat up de Neg' is.« – »Dauh dat nich!« segg ick, »ick weit dor Bescheid, dat Brod, wat di dor backt ward, kenn ick.« – »Langwiliger as hir kann't ok nich sin«, seggt hei. – »Dat nich«, segg ick, »äwer verdreitlicher.« – »Wo so dat?« frog hei. »Je«, segg ick, »kannst du en uprichtig Wurd verdragen?« – »Ja, dat kann ick.« – »Na«, segg ick, »denn will 'ck di man seggen, du steihst in keinen besondern Geruch bi all uns' Kammeraden von wegen de Unnersäukung her, un as wi hir herkemen, hewwen wi uns dat Verspreken gewen, dat wi di dat nich fäuhlen laten wullen. Nu hest du hir äwer allerlei Bubulum anfungen un hest di mit jedwereinen separat vertürnt, un dor warst du ok von dine Nücken nich laten; äwer de Ort, de dor sitt, de kenn ick; mit Paulussen kümmst du dor nich dörch, un keiner will von de Philosophi wat weiten, desto beter hewwen sei äwer noch Unkel Dambachen un Berlin in't Gedächtnis, un sei künnen di mit allerlei Fragen un Anspelungen unner de Ogen gahn, un denn setst du dor as de Pogg up't Glattis.« – Ick säd dit in de wollmeinenste Afsicht, un wil dat hei seggt hadd, hei kunn en uprichtig Wurd verdragen – äwer hei kunn't nich. – Hei tred en por Schritt von mi taurügg, dat hei mi ut de Fingern kamm, un säd dunn, indem dat hei mi von baben bet unnen besach un tauletzt ok mine Waden – grad as bi den Erzbischoff – in't Og faten ded: »So ein Klotz!« – grad as bi den Erzbischoff.

Ne, 't was würklich doch en ganz entfahmten Kirl!

As hei sick nu nah un nah mit uns alltausamen vertürnt hadd, schickte hei richtig sinen Schatz an sinen Ollen, un hei kam för sick üm Versettung nah S. in, un't gelung em; äwer vörher makte hei uns dor noch en Stück, wat uns uns' Hauptvergnäugen, den Spaziergang, binah gänzlich verleden un mit den ollen, braven General utenanner bringen süll. Was dat nu pure Rach', oder was dat dat häßliche Gefäuhl, wat hei hadd, wenn hei so allein ahn allen Verkihr mang uns rümmer gahn süll, kortüm, hei gung nah den ollen Herrn un bed em, wat hei nich up de anner Sid von dat Wagenhus spazieren gahn künn. Worüm? frog de oll Herr. – Anstatt nu de Wohrheit tau seggen, dat hei mit uns alltausamen up Karangzett stunn, säd hei, up unsen Spazierweg güngen em tau vele Minschen, ok männigmal Frömde, de uns niglich ankeken, un hei müggt ehr nich taum Ulenspeigel deinen. – De General gung dorup in un set'te hentau, denn süllen wi von jitzt af alltausamen dor gahn. Wi süllen also unsen schönen Spazierweg verlaten, wo de Sünn so schön warm schinte, wo wi doch Minschen tau seihn kregen, un wo jedwerein von uns all sinen lütten pläsierlichen Haken anslagen hadd, un süllen dorför uns achter'n ollen groten Kasten von Hus mang Kugelhümpel verlustieren, wo nich Sünn noch Man schinen ded, un wo wi keinen Minschen tau seihn kregen as Lewandowsky'n, un dat blot, wil de Philosoph slichte Waden hadd – denn dat was sin Hauptarger.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid