Abschnitt 1

I. De Festung G.


Kapitel 1


Worüm den Minschen friren ward, un worüm ok Linsen männigmal gaud smecken. Wat woll de Oberst B. von Stemhagen un Schill-Sommern wüßt, un worüm de Kreih hausten würd, as de witte Duw' an ehr Husdör vörbiflog.

»Wat so'n Minsch all erlewen deiht!« säd oll Vader Rickert – dunn lewt hei noch –, as sin Jehann von den Walfischfang taurügg kamen was un nu 's Abends in'n Schummern von Isbarg' un Isboren vertellte.

»Wat so'n Minsch all erlewen deiht!« säd oll Schult Papentin, as hei 's Abends mit oll Bumgoren ut den Kraug nah Hus gung, wo Friedrich Schult von de Slacht von Leipzig vertellt hadd. »Unserein kann säbentig Johr olt warden, äwer erlewen deiht bei nicks.« – »Du hest recht, Vadder«, säd Bumgoren.

Ick äwer segg, de Schult hett unrecht! – So egal un so sacht flütt kein Lewenslop, dat bei nich mal gegen einen Damm stött un sick dor in en Küsel dreiht oder dat em de Minschen Stein in't klore Water smiten. Ne, passieren deiht jeden wat, un jeden passiert ok wat Merkwürdiges, un wenn sin Lewenslop ok ganz afdämmt ward, dat ut den lewigen Strom en stillen See ward; hei möt man dorför sorgen, dat sin Water klor bliwwt, dat Hewen un Ird sick in em speigeln kann.

Min Lewenslop is mal tau so'n See upstaut worden, lange Johren hett hei still stahn müßt, un wenn sin Water ok nich ganz klor un ruhig was un af un an in wille Bülgen slog, so gaww dat doch ok Tiden, wo sick Hewen un Ird in em speigeln kunn.

Wat heit dit? – Wider nicks, as dat sei mi mal säben Johr lang inspunnt hewwen. – Worüm? – Dat weit de leiw' Gott! – Stahlen un namen heww ick nicks, ok nich lagen un bedragen.

Äwer drei Johr hadd ick all seten; ick was taum Dod verurtelt; dat hadden sei mi schenkt, äwer dorför hadden sei mi dörtig Johr Festung schenkt. So'n Present kann keiner richtig taxieren, as einer, de all drei Johr un irst drei Johr seten hett. De Utsicht was slimm, de Insicht slimmer. Dortau kamm, dat sei mi von ein Festung nah 'ne anner versetzen deden. Wo ick west wir, hadd ick Kammeraden, gaude Frün'n un Bekannten, wo ick hen süll, was ick allein.

An einen bitterkollen Winterdag satt ick in en Planwagen, en Schandor satt neben mi. Drei Dag' lang durte de Fohrt, de Mann was fründlich tau mi, äwer ick frür. De Küll un de Ungewißheit, wat nu kamen künn, schüddelten mi dörch de Knaken. Wenn den Minschen en Schicksal bevörsteiht, wat hei nich wennen kann, denn drängt sick dat Blaud taum Harten, un denn frirt em. Den Soldaten in de heite Slacht, den Matrosen bi'n Schippbruch unner de gläugnige Sünn, den Verbreker up dat Blaudgerüst trett de Frost an.

Wi kemen up de nige Festung an. – Natürlich tauirst taum Platzmajur! – De Mann satt un att Middag, hei stunn up, namm den Schandoren de Pappieren af un las; hei winkt sine leiwe Fru tau; sei bröchte en reinen Teller un setzte en Stauhl an den Disch, un hei frog mi, ob ick sin Gast sin wull. Wo girn! – Dat was doch wat! – Gott segen den Mann för sine Fründlichkeit! – Sinen braven Namen kann ich hir nich nennen, denn dat künn de annern Namen verraden, un dat wull ick nich girn.

Wi eten Bratwust un Linsen. Meindag' hewwen mi kein Linsen so gaud smeckt; ick bün süs nich sihr för Linsen.

De Schandor namm Affschid von mi, un ick was in de Hand von frömde Minschen up en frömdes Flag.

De Platzmajur stek sinen Degen an de Sid un winkte mi: wi wullen gahn. Wi gungen up de Kummandantur taum irsten Kummandanten. Hei let mi nich vör. Dat was en eigen Gefäuhl. De Mann hadd in minen Ogen en groten Namen; hei was de Brauder von einen Mann, de Anno 13 in aller Welt Mun'n lewen ded, unner den sin Fahn mine leiwsten Lihrers, mine eigenen Unkels in't Feld tagen wiren. Ick hadd sinen Namen up den Turnplatz sungen, hei was in minen Sinn Swesterkind von Maud un von Friheit: un wat was't denn anners, wat mi up de Festung bröcht hadd, as dat ick des' nah mine Ort in'n Harten drog? – Un nu let mi de Mann mit den schönen Namen nich einmal vör? – Mi frür nich mihr, mi göt dat gläugnig heit äwer.

De Platzmajur kamm herut un säd mi, dat wir en Verseihn von't General-Auditoriat, min Bliwens wir nich hir, ick müßt bald wider, vörlöpig süll ick en Prisong hewwen, wo en Leutnant in seten hadd, de wegen Verrücktheit in't Lazarett kamen wir.

An de Hauptwach würd en ollen Mann rute raupen, de kamm mit en Bund Slätel tau Rum un slot nebenan 'ne Dör up; wi gungen 'ne Trepp tau Höchten, un ick stunn in 'ne lütte virkantige Kabach mit ein Fack düstere Finstern, natürlich mit iserne Gardinen. En ollen wackeligen Disch, en dreibeinigen Hüker, en Waterkraus un en Strohsack, dat was de Utrüstung.

De Platzmajur gung; oll Vatter Kähler makte Füer in den Aben un gung ok, slot äwer baben un unnen de Dör tau.

So satt ick denn nu allein – ach, wo allein! – 't is 'ne schöne Sak üm dat Alleinwesen, wenn einen fri üm't Hart is un hei mit sick tau Rat geiht äwer dat, wat in em lewt un wewt, wat em hölt un wat em driwwt, wenn hei olle Tiden vör sick upstigen lett un mit ehr vergahene Truer un vergahene Lust, un wenn hei vör sick süht un von de Taukunft drömt; äwer wenn hei mit sick Rat hölt, möt hei ok Rat weiten, de ollen Tiden mit ehre Lust un Truer möten verwun'n sin, dat Hart darw dorbi nich mihr rascher slagen un sick ängsten, un de Taukunft möt vör em liggen as en hellen Morgen. Äwer – as ick segg – dat Hart möt fri sin, un dat olle Unglück verwun'n. – Min Hart was nich fri; min Hart satt deiper in Keden un Banden as mine Knaken; Johr un Dag dat sülwige! Un hüt dat sülwige sid Johr un Dag! – Nicks was verwun'n, un in de Taukunft legen dörtig Johr Fängnis. – Dröm sick doch einer mal äwer dörtigjöhrige Nacht in en hellen Morgen henäwer.

Ick satt up minen Strohsack allein, wo lang', weit ick nich; wat ick an desen Abend dacht heww, weit ick ok nich. Ick wakte von en Slätelklimpern up – dorvon wakt jeder Gefangen up, un set hei ok dusend Johr –, üm mi was dat Nacht; ick hadd woll lang' so seten. Min Dör würd upslaten, mit fasten Tritt kamm einer in min Kamer rin: »Guten Abend! – Haben Sie hier kein Licht?« – Ick säd, ick hadd kein. – »Kähler«, säd de Mann, »setzen Sie die Laterne hierher und holen Sie Licht.«

Dat geschach, un vör mi stunn en middelgroten unnerset'ten Mann in en grisen Militörmantel un 'ne Feldmütz. Hei kunn twischen virtig un föftig sin, sach äwer frisch un gesund ut, un sin Hantieren was strack un stramm, as einer, de lang' kummandiert un sick ümmer kort resolviert hett.

Ick was upstahn un stunn vör em. »Ich bin der zweite Kommandant, Oberst B.«, säd hei, »und wollte mich doch mal nach Ihnen umsehn.« – Ick antworte dor wat up, wat 'ne Höflichkeit sin süll; 't mag äwer woll en beten snurrig rutkamen sin, denn mi was nich nah Höflichkeiten tau Sinn.

»Sie werden hier nicht lange bleiben können«, süd hei, »Sie werden bald weiter versetzt werden.« – Ick säd, dat wüßt ick all, de Herr Platzmajur hadd mi dat all seggt.

»Warum haben Sie kein Licht? Und warum haben Sie es sich noch nicht bequem gemacht?« frog hei wider. – Ick säd, ick hadd noch nich utpackt un hadd an't Bequemmaken noch nich dacht.

»Glaub's Ihnen«, säd hei, »aber quälen Sie sich nicht mit schweren Gedanken. Solange Sie hier sind, haben Sie es hauptsächlich mit mir zu tun, und ich werde, soweit es meine Pflicht erlaubt, Ihr Los zu erleichtern suchen.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid