Kapitel 6 - Auf dem Weg nach Tübingen - Die Solitude – Ludwigsburg – Hohenasperg und ein Besuch bei Schubart – Hohenheim – Die Fahrt nach Tübingen – Die Chausseen

Wir machten die angenehme Nebenreise von Stuttgart nach Ludwigsburg und von da zum Hohenasperg in Gesellschaft des Herrn Professor Abel und des Herrn Bibliothekars Petersen. Wir sahen zuerst einen Teil der herrlichen Gegend um Stuttgart an einem der schönsten Sommermorgen, an dem wir sehr früh aufbrachen. Der Weg geht den Hasenberg hinauf, von dem man einen Teil des lachenden Tals übersieht, in dem Stuttgart liegt. Wir kamen sehr schnell zum herzoglichen Lustschloß Solitude. Es war uns angenehm, hier den Vater des berühmten Schiller, Herrn Hauptmann Schiller, kennenzulernen, der damals die Aufsicht über das Schloß hatte. Wir warfen auf das Schloß, so prächtig es ist, nur einen flüchtigen Blick. Ich habe der prächtigen Schlösser so viele gesehen, und wir wollten weiter. Indessen war zu bemerken, daß es in einem leichten, heiteren Geschmack von einem französischen Baumeister namens Guebière erbaut wurde, welcher viel für den Herzog baute und nachher nach Mannheim ging. Der ovale Saal in der Mitte ist ein schönes Stück. Um das Schloß herum stehen eine Menge Gebäude verschiedener Art, besonders einzelne Pavillons mit den Namen verschiedener Prinzen, wovon allerlei erzählt wurde. Der schöne Morgen lockte uns vielmehr, den Garten zu sehen, der uns sehr gerühmt worden war. Wir waren aber noch keine paar Minuten darin gegangen, als der Gärtner mit einem sehr trotzigen Wesen auf uns zukam und uns bedeutete, es sei ohne besondere Erlaubnis des Herzogs nicht gestattet, den Garten zu sehen. Weil wir überhaupt diesen Ort nur beiläufig besuchten und es uns ganz einerlei war, wo wir Gottes schöne Luft genossen, ließen wir gern dem guten Mann das Vergnügen, unhöflich zu sein, wo er glaubte, etwas zu befehlen zu haben. Der Garten schien, soweit wir hineinkamen, die große Orangerie ausgenommen, nicht eben sonderlich bemerkenswert zu sein. Wir sahen da mancherlei viereckig geschnittene Hecken und kleine Pyramiden. Außerdem ist der Boden hier sandig und nicht gerade sehr fruchtbar, so daß auch manches nicht zu gedeihen schien. Ich hätte gern die Bildsäule des Herzogs zu Pferd aus vergoldetem Gips gesehen, die er hierhersetzen ließ, aber es sollte ja nicht sein. Vor dem Schloß ist ein halbrunder, mit Statuen besetzter Platz, der zu unserem Zweck ebensogut geeignet war. Denn von der Freitreppe, die zum Schlosse führt, hat man eine herrliche Aussicht auf fruchtbare, grünbewachsene Berge mit mehreren Dörfern und in der Ferne bis an den Hohenasperg mit seiner Bergfestung.

Als der letztverstorbene Herzog nach dem Siebenjährigen Krieg, der viel Kosten verursacht hatte, mit seinen Landständen in Streit geriet, gefiel es ihm in Stuttgart nicht mehr. Er hielt sich in Ludwigsburg auf, ließ nachher hier an einem Ort, der wegen fünf zusammengewachsener Eichen Fünfeichen genannt wurde, einen Wald roden und wollte sich dahin in die Einsamkeit zurückziehen und die Ruhe genießen. Dies sagt auch die Überschrift an der Vorderseite des Schlosses: Tranquillitati sacrum voluit. Dem ersten Anblick nach scheint hier weder Einsamkeit noch Ruhe zu sein, denn es gibt hier viele Gebäude, einen großen Marstall, Kasernen für das Husarengarderegiment und sogar ein Operntheater. Die Benennung Solitude bei einer solchen Menge von Gebäuden und die Aufschrift Tranquillitati sacrum, bei allen Einrichtungen für die Bedürfnisse eines prächtigen und folglich nicht ruhigen Hofes, schien mir bedeutend für den Charakter des Erbauers. Freilich kann man auch bei all diesem Lärm einsam und ruhig sein, aber wenn ein Wohnplatz der Ruhe erbaut wird, scheint doch all das nicht dazuzugehören. Mir fiel beim Anblick des Schlosses und dessen Zubehörs Friedrichs II. Aufenthalt in Sanssouci ein. Da war eine wahre schöne solitude. Da sah man gar keine Spur von Hofhaltung, kaum einen Bedienten und gar keinen Soldaten.


Der Herzog, nachdem er 1775 wieder nach Stuttgart gezogen war, scheint diesen Fleck nicht mehr oft besucht zu haben, denn es waren bei meiner Anwesenheit schon manche Zeichen des Verfalls zu sehen. An den fünf Eichen, welche dem Ort ehemals den Namen gaben, waren die Treppen schon in einem Zustand, daß man nicht mehr hinaufsteigen konnte. Gleichwohl wurde hier noch Verschiedenes angelegt. Wir sahen mit Vergnügen eine Maschine, mit deren Hilfe zwei Menschen, die in einem Trittrad gehen, in zwei Minuten sechs Eimer Wasser 140 Fuß in die Höhe befördern. Der große Eimer, der diese Masse Wasser enthält, wiegt mit dem Tau allein 300 Pfund, mit dem Wasser 500 Pfund. Er entleert sich mittels eines Hakens selbst in eine Rinne. Diese nützliche Maschine wurde von einem Franzosen namens Jean Michel im Jahre 1780 erbaut. Derselbe hatte im Sinn, durch ein Pumpwerk ein großes Wasserbehältnis auf einer Anhöhe zu füllen, welches zu Wasserspielen dienen sollte. Ob dies zustande gekommen ist, weiß ich nicht.

Wir folgten nun unserem Weg nach Ludwigsburg. Er geht bergan, ist steinig und nicht so angenehm wie der von Stuttgart hierher. Nur die angelegten Alleen verschönern ihn. Bei unserer Ankunft dort hatten wir gleich das Vergnügen, den durch seine Werke über die deutsche Sprache rühmlich bekannten Herrn Fulda zu umarmen, welcher nachher der deutschen Literatur viel zu früh durch den Tod entrissen worden ist. Der würdige, nun auch schon verstorbene Herr Prälat Sprenger hatte vermittelt, daß wir einander hier treffen sollten. Die Annehmlichkeit des schönen Tages wurde durch die Gesellschaft dieses vortrefflichen Mannes sehr vermehrt. Schon sein Äußeres mußte sehr einnehmen. Er war ein kleiner Mann, aber sein ganzer Körper wohlproportioniert, sein Gesicht voll Kraft und Anmut. Seine schöne breite Stirn war voll Furchen, welche nicht das Alter, sondern die Weisheit gezogen zu haben schien. Er hatte eine wohlgebildete römische Nase, etwas dünne Lippen, aber eine schöne Mittellinie zwischen beiden, die sich, auch wenn er in Eifer kam, nie unangenehm oder widrig verzog. Seine Gespräche waren ebenso unterhaltend wie lehrreich. Er urteilte mit Bescheidenheit, aber sehr gründlich, denn er hatte alle Wissenschaften in seinem Gebiet ernsthaft studiert. Über Philosophie und Religion hatte er feste und edle Prinzipien, streng gegen sich selbst, nachsichtig gegen andere. Er hatte etwas so Natürliches wie auch Eindringliches, sowohl in seiner Stimme wie in seinem Ausdruck. Hätte dieser Mann, der soviel Gelehrsamkeit wie Urteilskraft und Scharfsinn besaß, es über sich bringen können, so faßlich zu schreiben, wie er sprach, er würde zu den ersten Schriftstellern Deutschlands gerechnet werden müssen. Er begleitete uns vormittags und nach Tisch auf allen unseren Wanderungen durch Ludwigsburg, und unser Mittagessen war ein wahrhaft sokratisches Mahl, wodurch sowohl Körper als auch Geist ergötzt und gestärkt wurden.

Ludwigsburg liegt in einer etwas sumpfigen, aber fruchtbaren Niederung. Es ist eine Stadt, schön und öde, prächtig und unfertig, hat eine herrliche Allee von sechsfach gesetzten hohen Bäumen, auf der man sowenig wie in den Straßen Menschen sieht, zwei herzogliche Schlösser, die niemand bewohnt, und ein Opernhaus, obgleich nur aus Holz, doch vielleicht größer als irgendeines in Deutschland, worin seit langer Zeit keine Oper gespielt worden ist und vermutlich auch lange Zeit keine mehr gespielt werden wird. Diese Stadt war der Schmollwinkel zweier Herzöge von Württemberg. Herzog Eberhard Ludwig, unzufrieden mit Stuttgart und mit seinen Landständen, ließ sie im ersten Drittel dieses Jahrhunderts anlegen, verlegte alle Verwaltungseinrichtungen von Stuttgart hierher und wohnte hier bis zu seinem Tode. Er ließ sich dort um 1728 von einem italienischen Baumeister namens Donat Joseph Frisoni, der den Rang eines Oberstleutnants und Oberlandesbaudirektors hatte, ein Schloß von mäßiger Größe bauen, das einen Hof einschließt, mit vier Pavillons an den Ecken und einer an der hinteren Fassade eigens angebauten Hofkapelle, desgleichen eine Fasanerie und eine sogenannte Favorite bzw. ein Lustgebäude im Garten. Herzog Karl Eugen kehrte mit der Verwaltung nach Stuttgart zurück, und Ludwigsburg verödete. Herzog Karl war in den sechziger Jahren ebenfalls mit Stuttgart und seinen Landständen unzufrieden, zog wieder nach Ludwigsburg, legte eine neue Straße, die Karlsstraße, an und ließ durch den schon erwähnten Baumeister und Major Leopold Retti das Schloß so sehr vergrößern, daß es nun vier Höfe einschließt. Was Retti geschaffen hat, ist viel besser als das von Frisoni.

Der Herzog wurde dieses Aufenthalts aber auch wieder überdrüssig, baute die Solitude und danach Hohenheim, verließ endlich 1775 Ludwigsburg ganz, zog den größten Teil der Garnison ab, und die Stadt verödete zum zweiten Mal, ungeachtet der späteren Versuche, sie wieder emporzubringen. Einer Liste in der Geographie Württembergs S. 552 zufolge waren daselbst im Jahre 1775, als der Hof noch anwesend war, 11429 Menschen, im Jahre 1776, nachdem der Hof es verlassen hatte, nur 3835 Menschen. So ist es mit den Städten, die bloß vom Aufenthalt eines Hofes ihren Wohlstand erhalten; sie sind wie ein Treibhaus, in dem die Pflanzen sogleich vergehen, sobald die künstliche Wärme fehlt. Aber unbegreiflich ist es, daß im Jahre 1777 gleich wieder 6227 Menschen gezählt worden sein sollen und in den Listen die Anzahl in regelmäßiger Ordnung bis 1781, als wir dort waren, zunimmt und 6750 Menschen angegeben wurden. Von da an nehmen sie regelmäßig ab, so daß die Anzahl für 1786 nur 5391 beträgt.

Das Ludwigsburger Schloß

So öde es ist, enthält Ludwigsburg doch so viele Merkwürdigkeiten, daß ich, auch ungerechnet die Schönheit der Stadt und meine so vorzügliche Gesellschaft, doch sehr viel verloren haben würde, wenn ich diese Stadt nicht besucht hätte. Schon um den Herrn General von Nikolai kennenzulernen, wäre es der Mühe wert, die Reise hierher zu tun. Bei diesem Manne, der berühmt ist als klassischer Schriftsteller in der Kriegskunst, brachte ich eine angenehme, lehrreiche Stunde zu. Er unterhielt uns unter anderem mit einer Reise, die er in die Schweiz bis auf den St. Bernard gemacht hatte, um dem Marsch Hannibals über die Alpen an Ort und Stelle nachzuspüren, und mit seinen dabei für die alte Geschichte gemachten Entdeckungen. Er zeigte uns etwas von den Aufsätzen und Zeichnungen darüber, wovon, soviel ich weiß, noch nichts veröffentlicht ist.

In der Porzellanfabrik, die im Jahre 1756 angelegt worden war, wurde damals Fayence, gelbes englisches Steingut und echtes Porzellan hergestellt. Der Scherbel des letzteren ist weiß und fein. Die Materialien zur Masse und die Masse selbst werden in Bissingen, zwei Stunden von Ludwigsburg entfernt, auf einer von Wasserkraft getriebenen Mühle, die Glasur aber in Ludwigsburg auf einer Handmühle präpariert. Die Malereien sind meist mittelmäßig, doch einige sind gut und die Insekten, Vögel, Tiere und Blumen besser getroffen als die menschlichen Figuren. Eine schöne Vase vom Modelleur Schmid mit antiken Basreliefs war eben in Arbeit. Die Fabrik hat vier Brennöfen und zwei Emaillefeuer oder Schmelzöfen für die Bemalung. Alles in allem arbeiten dort ungefähr 80 Personen. Diese Fabrik, die erst durch Aktien eingerichtet und nachher vom Herzog übernommen wurde, soll eigentlich nichts einbringen, jedoch werden die Leute beschäftigt und wirklich schöne Sachen gemacht. Der damalige Direktor der Fabrik war Herr Ringler aus München.

Porzellan-Manufaktur

Die sogenannte Bijouteriefabrik, oder Les Entrepreneurs en Bijouterie, wie die Firma eigentlich heißt, ist im Jahre 1780 aus Pforzheim in Baden hierhergezogen. Sie ist ein Zweig der dortigen, wohl viermal größeren Fabrik, die unter dem Namen Atoral läuft, eigentlich aber dem Markgrafen gehört. In Ludwigsburg werden Uhren gemacht: Uhrketten aus Stahl, Gold und Similor, und andere Galanterien dieser Art. Die seidenen Schnüre zu den Uhrketten machen die Posamentierer. Auch wurden Degengefäße, Stockknöpfe und andere Knöpfe nebst anderen Arten von Stahlarbeit verfertigt. Wir sahen mit Vergnügen die Schmiede, wo die stählernen Waren geschmiedet wurden, die Maschine, wo Stahlarbeiten wie auf der Münze geprägt wurden, und die Stahlarbeiten auf einer drehbaren Scheibe, an der 20 Arbeiter arbeiten konnten. Die Goldarbeiter und die Graveure machten sehr feine und schöne Arbeiten, und es war auch ein Herr Dechamps aus Paris da, der sehr artige Knöpfe in Basrelief mit elfenbeinernen Medaillons machte. Herr Pierre Huguenin aus Genf, einer der Teilhaber der Gesellschaft, und die Herren Dollfuß aus Mühlhausen und Packbusch aus Leipzig, sehr unterrichtete Männer, zeigten uns mit größter Gefälligkeit und Bereitwilligkeit alle Arbeiten dieser Fabrik. Ich hörte, daß diese Gesellschaft 110 Personen in dem großen Haus, das der Herzog ihr gegeben hatte, beschäftigte und insgesamt an die 250 Personen in Ludwigsburg ernährte. Die Unternehmer waren also doch wohl nützliche Leute für das Land. Gleichwohl klagten sie bitterlich über Religionsbeschwerden. Es war ihnen als Reformierten beim Eintritt ins Land freie Religionsausübung versprochen und dazu die Hofkirche in Ludwigsburg eingeräumt worden. Kaum aber waren sie in Ludwigsburg eingetroffen, starb die Herzogin im April 1780. Nun hieß es, Ludwigsburg habe sonst zwar die Rechte einer Kolonie gehabt, alle Religionen zu tolerieren, habe dieses Recht aber verloren. Dies läßt sich nun wohl nicht denken, wäre es aber geschehen, so sollte man offenbar ein solches Recht erneuern, um einem so verödeten Orte aufzuhelfen. Was die reformierte Hofkirche betrifft, so sagte die lutherische Geistlichkeit, sie sei nur eine Kirche der Herzogin gewesen, und da diese verstorben sei, jetzt unnötig. Man machte auch wirklich nach vielen Streitigkeiten und nach vielem Hin- und Herschreiben ein Holzmagazin daraus. Nun hielten die Arbeiter in der Bijouteriefabrik sonntags unter sich eine Zusammenkunft, durften aber nur zweimal im Jahr den reformierten Prediger aus Cannstadt kommen lassen, der ihnen das Abendmahl reichte, und auch dieses nicht, ohne es vorher dem Special, Herrn Zilling, anzuzeigen und von diesem Manne, der die Reformierten am meisten an ihrer Religionsausübung hinderte, die besondere Erlaubnis einzuholen. Herr Zilling muß wohl auch sonst als großer Eiferer bekannt sein, weil ihn Schubart nämlich in seiner Deutschen Chronik schon als solchen angeführt haben soll. Man beschönigte diese schreiende Intoleranz mit dem Vorwand, daß man mit Genehmigungen der Religionserlaubnis gegenüber Reformierten vorsichtig sein müsse, weil sonst der katholische Landesherr auch zum Besten der Katholiken die Religionsausübung weiter ausdehnen würde. Nun ist es zwar wahr, daß man mit den Katholischen äußerst vorsichtig umgehen muß, weil ihre Geistlichen bekanntlich nur gar zu geneigt sind, mit Schläue und Eifer alle Vorwände zu ergreifen, um sich auszudehnen und mehr Rechte zu erlangen. Dies gehört zu den großen Unannehmlichkeiten, die entstehen, sobald der Landesherr eines protestantischen Landes sich zur katholischen Religion bekennt, wenn er für seine Person auch tolerant und gerecht ist, was wohl niemand Württembergs Herzögen absprechen wird. Die reformierten Stahlarbeiter waren damals über den ihnen auf so unerträgliche Weise versagten Gottesdienst sehr aufgebracht und sprachen davon, daß sie wieder wegziehen wollten. Ich weiß nicht, was nachher aus dieser Fabrik geworden ist.

Der Marktplatz in Ludwigsburg

Waisenhaus, Zuchthaus und Irrenhaus befinden sich in einem Gebäude, was eine Zusammenstellung bedeutet, die sich an mehreren Orten findet, aber nicht zu billigen ist. In diesem Haus ist eine Manufaktur für Mull, Flanell und Tücher. Das Weben dieser wollenen Zeuge geschieht im Hause von gelernten Tuchmachern. Die Züchtlinge männlichen Geschlechts und die Waisenknaben säubern, kartätschen und kämmen die Wolle – nach dem Unterricht –, während die Frauen im Zuchthaus und die Waisenmädchen sie spinnen. Damals waren gerade grobe schwarze Tücher auf den Webstühlen in Arbeit, welche den Schülern in den vier württembergischen Klosterschulen als Kleidung und Kutten gegeben werden, denn Mönchskutten müssen sie noch tragen, so sehr hängt man an hergebrachten Gebräuchen, wenn sie auch noch so unschicklich sind. Es schien mir hier auch nicht wohlüberlegt, daß in ein und demselben Hause Übeltäter, die zu Zuchthaus verdammt sind, und Waisenkinder die gleiche Arbeit tun und zusammenleben. Dies muß sich im Geist der Waisenkinder niederschlagen und Gelegenheit geben, daß sie von sich selbst schlecht denken, was wohl bei jeder Erziehung zu vermeiden ist. Waisenkinder sind ohnehin auf gewisse Weise verlassen und werden so leicht herabgesetzt. Sonst aber machte es uns großes Vergnügen, zu sehen, daß hier mit dem Unterricht solcher Kinder, die künftig einmal von Handarbeiten leben müssen, von früher Jugend an die Anleitung zu wirklicher Arbeit verknüpft war.

Dieses Vergnügen hatten wir aber in noch größerem Maße bei der Besichtigung des hiesigen Militärwaisenhauses. Dies ist meines Erachtens die nützlichste Anstalt des jüngstverstorbenen Herzogs. Es ist 1779 in der ehemaligen Kaserne der Garde zu Fuß errichtet worden. Im Jahre 1781 waren darin 100 Kinder, 50 Knaben und 50 Mädchen, in blaue Uniform mit gelben Aufschlägen gekleidet. Sie werden in der Religion, im Lesen, Schreiben und Rechnen unterwiesen, und die Knaben lernen auch Geometrie und Geographie, etwas Zeichnen und Physik. Sowohl die Knaben als auch die Mädchen schrieben sehr schön und rechneten ordentlich. Die Kinder werden mit sieben Jahren aufgenommen und bleiben bis zum vierzehnten Lebensjahr, die Mädchen etwas länger. Dann werden die Knaben zu Handwerkern geschickt, und die Mädchen gehen in Dienste. Außer den Lehrstunden müssen die Knaben die im Haus nötigen Dienste verrichten, und die Mädchen besorgen den Haushalt, kochen, säubern die Zimmer, machen die Betten usw. Außerdem spinnen die Knaben Baumwolle, und die Mädchen stricken und spinnen Baumwolle und Flachs. Ich sah mit Vergnügen, daß man die Sorgfalt so weit erstreckte, den Mädchen, die Flachs spannen, ans Spinnrad eine Tasse Wasser zu setzen, damit sie sich durch das Benetzen der Finger keinen Schaden zuziehen sollten. Man zeigte uns sehr feines baumwollenes Garn, welches die Knaben und Mädchen zur Probe gesponnen hatten. Man hatte damals erst seit vier Monaten sechs Stühle aufgebaut, auf denen die Knaben baumwollene Schnupf- und Halstücher für das Haus machten. Auch wurden diese Tücher im Hause von den Knaben blau und schwarz gefärbt, und zwar unter der Aufsicht eines Färbermeisters aus einer anderen Manufaktur der Stadt. Man zeigte uns auch einen guten Vorrat von gesponnener Baumwolle zum Verkauf und einen Schrank voll fertiger Schnupftücher, desgleichen an die 500 Paar baumwollene Strümpfe, zum Teil sehr feine, die zum Verkauf gestrickt waren, ohne die, die im Haus selbst verbraucht wurden.

Es war wirklich etwas viel, was da alles in so kurzer Zeit, von 1779 bis zum Sommer 1781, allein in diesem Haus gearbeitet worden sein sollte. Man wollte uns auch versichern, daß sich dieses Institut schon beinahe selbst erhalte, was freilich mehr sein würde, als man von den besten Anstalten dieser Art je gesehen hat. Ich muß es dahingestellt sein lassen, da es nicht näher zu untersuchen war. Der Aufseher dieser auf jede Weise so trefflichen Anstalt war damals Herr Hauptmann von Hoven. Seine Frau Gemahlin nahm sich der Aufsicht über die Mädchen mit einer sehr rühmlichen Sorgfalt an. Um das Vergnügen vollkommen zu machen, das uns die Betrachtung dieses Hauses gewährte, sahen wir eine große luftige Krankenstube, aber keinen einzigen Kranken darin. Als wir Abschied nahmen, war es eben Mittag, und wir sahen also noch die Kinder zu Tisch gehen. Die Mädchen und Knaben gingen im Gleichschritt. Das war zwar unnötig wie immer, jedoch eine Kleinigkeit, die bei so viel wahrhaft Zweckmäßigem übersehen werden konnte.

Unweit des Schlosses ist unlängst, im Jahre 1780, eine große Gerberei für Kalbsleder und Sohlenleder zu Schuhen von dem Kaufmann Herrn Rösch wieder angelegt worden. Es war schon 1750 eine vorhanden gewesen, ist aber zugrunde gegangen. Wie weit sie jetzt Fortschritte macht, ist mir nicht bekannt.

Den Schloßgarten, der etwas verwildert schien, sahen wir im Vorbeigehen, so wie auch die Fassaden des Schlosses. Aber das Schloß von innen zu sehen, hatten wir nicht die geringste Lust. Die bemerkenswerten Industrieanstalten waren uns lieber, und wir hatten noch die, obgleich nicht weite, Reise zu der Bergfestung Hohenasperg vor uns. Indessen mußte uns natürlich das Unbewohnte des ungeheuer großen Schlosses auffallen. In den Höfen wuchs Gras. Ich erinnerte mich an das Gräflich Schönbornsche Schloß Pommersfelden in Franken, das ich auch sah, als der Besitzer abwesend war. Da fand ich auf dem Schloßhof zehn oder zwölf arme Leute, die gegen Bezahlung das zwischen den Steinen gewachsene Gras ausrupften. So ließ man den Armen einen kleinen Verdienst zukommen, und die Spuren der Öde wurden vertilgt. Die Zeichen der Sorgfalt für die Unterhaltung machen, wo es auch ist, immer Vergnügen, die Zeichen der Vernachlässigung hingegen eine mißmutige Empfindung. Man bemerkt die Kennzeichen der Vernachlässigung nur an zu vielen fürstlichen Schlössern. Sie sind sprechende Bilder der Hofleute, die von niemandem mehr angesehen werden, sobald der Fürst an ihnen kein Belieben mehr findet.

Hohenasperg ist eine Bergfestung, die ihre Verteidigungskraft nicht von der Stärke ihrer Festungswerke, sondern von der hohen Lage erhält, die zugleich eine herrliche Aussicht bietet, da der Berg, auf dessen Spitze die Festung liegt, in einer ziemlich großen Ebene einzeln dasteht. Doch war es weder die Festung noch die schöne Aussicht, die uns nach Hohenasperg trieb, sondern das Verlangen, den unglücklichen Schubart zu sehen, der damals schon im vierten Jahr gefangen saß. Ich hatte eine Empfehlung an den Kommandanten, Herrn Oberst von Rieger, selbst ein sehr bemerkenswerter Mann. Als das preußische Infanterieregiment Württemberg für den jüngst verstorbenen Herzog als Erbprinzen im Jahre 1743 in Brandenburg eingerichtet wurde, kam er mit den Rekruten, welche dazu aus dem Herzogtum Württemberg gegeben wurden, als Regimentsquartiermeister mit dem Rang eines Hauptmanns in preußische Dienste und hat diese nachher wieder mit württembergischen vertauscht. Er war Adjutant des Herzogs und eine Zeitlang sehr bei ihm in Gnaden. Er wurde aber während des Siebenjährigen Krieges angeklagt, er habe mit dem König von Preußen korrespondiert, wurde daher auf die Festung Hohentwiel in ein sehr hartes Gefängnis gesetzt, danach in ein leidliches auf der Festung Hohenasperg, deren Kommandant er nun war, denn der Herzog hatte nach einiger Zeit entweder seine Unschuld erkannt oder geglaubt, er habe genug gelitten, und hatte ihn auf eine sehr feierliche Weise wieder in Gnaden aufgenommen. Herr von Rieger empfing uns sehr freundschaftlich. Seine interessante Unterhaltung verriet den Mann, der die Welt von mehreren Seiten genau kennengelernt hatte und über das, was er sah, philosophiert hatte. Obwohl sein Äußeres etwas ernsthaft und auch die Themen meist ernst waren, so war doch alles, was er sagte, mit Scharfsinn, Witz und Laune gewürzt. Dabei sprach er über manches mit seltener Offenherzigkeit. Er freute sich z.B. sehr, Herrn Fulda so unvermutet wiederzusehen, den er sehr schätzte, und sagte unter anderem nach einem sehr interessanten und heiteren Gespräch, indem er Herrn Fulda treuherzig die Hand schüttelte: »Ich kenne Württemberg sehr gut und habe mich schon über mancherlei in diesem Land gewundert, darunter vor allem, daß Moser, von Nicolai und Fulda zusammen darin sind.«

Die Festung Hohenasperg

Er ließ Herrn Schubart bald rufen, der damals schon fast zwei Jahre nicht mehr in dem unterirdischen Kerker saß, sondern ziemlich bequem in einem Haus wohnte, in der Festung nach Gefallen umhergehen durfte und gewöhnlich beim Kommandanten speiste. Doch war das Verbot zu schreiben, besonders etwas, das die Festung verließ, noch so streng, daß der Kommandant, der sich in das Stammbuch meines Sohnes schrieb, Schubart nicht erlauben wollte, auf meine Bitte ein gleiches zu tun. »Es ist Torheit«, sagte er zu mir, »aber es könnte auf irgendeine Art bekannt und unrichtig dargestellt werden und dann den armen Mann unglücklich machen.« Einem Mann in Schubarts Lage war natürlich jeder Besuch angenehm, und wir brachten ein paar sehr vergnügte Stunden mit ihm zu. Schubart sprach von Literatur und Musik. Er spielte auf dem Klavier, obgleich etwas wild und unzusammenhängend, mit viel Fertigkeit. Wir spazierten auf der Festung am Rande des Berges entlang und genossen den herrlichen Anblick über lachende Felder und Weinberge. Von da gingen wir in Gesellschaft des Kommandanten in den unterirdischen Kerker, in dem Schubart 377 Tage in schrecklicher Einsamkeit trostlos gesessen hatte. Es war erschütternd, ihn hier, in dem Kerker selbst, Verschiedenes von seinen Leiden erzählen zu hören und einige Worte zu lesen, die er an die finstere, schmutzige Wand gekratzt hatte. Ich konnte nicht umhin, dabei zu denken: Warum hat der Mann dieses schreckliche Gefängnis erdulden müssen? In welchem Verhältnis steht das Verbrechen zur Strafe? Es war unmöglich, den Mann ohne Mitleid anzusehen, und der Gedanke an alle seine Fehler verschwand in dieser Empfindung. Ich prägte mir jedoch die Physiognomie seines Gesichts genau ein. Außer der Tatsache, daß jeder Muskel und jede Falte die Spuren des Kummers verrieten, hatte sie etwas Einfaches und nichts Empfehlendes. Am Tag zuvor hatte ich den alten J. J. Moser gesehen, dessen Gesichtszüge mit seinen emporstehenden grauen Haaren ich mir ebenfalls sehr genau eingeprägt hatte und die ich, da sie so lebhaft vor mir standen, in Gedanken mit dieser verglich. Ein Schöngeist, der Schubarts und Mosers Schriften kennt, würde gewiß glauben, die Kennzeichen der Geisteskraft würden sich eher in Schubarts als in Mosers Gesicht finden, zumal man in Deutschland zu sehr geneigt ist, jedes wild auflodernde Feuer für Zeichen des Genies zu halten. Es war aber gerade umgekehrt. Moser sah aus wie ein weiser und fester Mann, und so hat er auch in seinem ganzen Leben gehandelt. Schubart hingegen trug auf seinem Gesicht die Zeichen eines einfachen Geistes. Ich bin weit entfernt, dies zur Kränkung des unglücklichen Mannes noch nach seinem Tode anzuführen, und ich will meinen Lesern nur beiläufig von meiner damaligen physiognomischen Empfindung etwas mitteilen. Zudem sehe ich sehr wohl ein, daß einiger Unterschied darin lag, daß ich Moser nach überstandenem Unglück sah, Schubart hingegen noch im Unglück. Jedoch hat man noch einen anderen Anhaltspunkt, um diese Männer zu vergleichen. Beide haben ihr eigenes Leben geschrieben, und beide taten dies mit einer seltenen Offenherzigkeit. Wer sie aber aufmerksam liest, findet nicht nur den großen Unterschied in der Art, wie jeder der beiden während seines Lebens handelte, sondern auch die verschiedene Art, wie Moser und Schubart sich selbst beurteilten. Moser verfährt in dieser Selbstbeurteilung nach ernsthaften und festen Prinzipien, bei Schubart ist diese Beurteilung eher eine dunkle Empfindung, die ihm flimmernd vor der Einbildungskraft schwebt. Selbst der frömmelnde Ton, der in beiden Lebensbeschreibungen herrscht, ist nach dem Charakter beider Männer äußerst verschieden. Wenn man Mosers religiösen Grundsätzen auch nicht ganz beistimmen kann, so muß man ihn noch deswegen hochschätzen, weil durch die Resultate derselben alle seine Handlungen, selbst in den wichtigsten und widrigsten Begebenheiten seines Lebens, bestimmt wurden. Schubarts religiöse Gesinnung hingegen entstand erst in der Einsamkeit eines schrecklichen Gefängnisses, in welchem ihm nichts als düstere asketische Schriften zu lesen erlaubt war, und wurde durch seine erhitzte Einbildungskraft geformt. Sie war nichts als eine dunkle sinnliche Regung, vermischt z.B. mit dem Glauben an Träume usw., nicht aber Resultat reifer Überlegung. Anmerkungen und Vergleiche dieser Art zu machen ist der wahre Nutzen der Lektüre, von Autobiographien, die ich sehr liebe. Durch den Vergleich gewinnen sie ein höheres Interesse, können uns hindern, die Menschen nach Theorien zu beurteilen, und leiten uns zur richtigeren Beobachtung der Vielfältigkeit menschlicher Charaktere und ihrer so sonderbaren Nuancen an. Welche Verschiedenheit herrscht zwischen den Bekenntnissen eines heiligen Augustinus und eines J.J.Rousseau. Und doch besaßen beide einen gewissen Grad der Selbstgefälligkeit. Wie verschieden und wie übereinstimmend sind die eigenen Lebensbeschreibungen Hieronymus Cardans, der mit großer Bedächtigkeit Wunder von sich erzählt, und des ehrlichen Adam Bernds, der Blähungen für teuflische Versuchungen hielt! Wie verschieden charakterisieren sich Albert Haller, der mit einer pünktlichen Kleinlichkeit in seinem Tagebuch gewisse Empfindungen genauso aufzeichnete, wie sie ihm entstanden, und J. C. Lavater, in dessen gedruckten Beobachtungen über sich selbst mehrere Tatsachen erdichtet wurden. Es steht nämlich in seinem sogenannten geheimen Tagebuch, daß er sich habe frisieren lassen, obwohl er doch schlichtes Haar trägt, und daß er Schlitten gefahren sei, obwohl vermutlich in Zürich kein Schnee fällt und kein Schlitten vorhanden ist, zumindest aber in der Stadt nicht Schlitten gefahren wird, da es dort überhaupt verboten und nur über Land zu fahren erlaubt ist.

Das von Riegersche Bataillon, das damals die Garnison in der Festung Hohenasperg ausmachte, war vom Herzog geworben worden, um es im Dienst der Krone Englands im damaligen Krieg nach Amerika zu schicken. Frankreich aber hatte dies nicht zulassen wollen. Der Herzog glaubte, Unannehmlichkeiten wegen seiner im Elsaß liegenden Besitzungen befürchten zu müssen; daher ging der Vertrag mit England zurück, und das Bataillon wurde auf Hohenasperg in Garnison gelegt. Der Chef dieses Bataillons war daher damals in einer mißlichen Lage, wie er mir bei einem einsamen Spaziergang auf der Festung selbst sagte. Die Leute waren größtenteils mißvergnügt, wie er sehr wohl wußte, weil sie sich in der Absicht, nach Amerika und in den Krieg zu gehen, hatten anwerben lassen. Sie waren hier eingeschlossen, ohne andere Beschäftigung als ihren Dienst und ohne jede Gelegenheit, außer ihrem Solde etwas zu verdienen. Ihr Chef befand sich mit ihnen allein und sah sehr wohl die Folgen ein, z.B. daß Langeweile und Überdruß die Leute etwa auf den Gedanken einer Empörung bringen könnten. Hier hatte ich Gelegenheit zu bewundern, wie dieser kluge Offizier die Leute in Ordnung zu halten und jeden Gedanken an Pflichtvergessenheit oder Desertion schon im Keime zu ersticken suchte, was er mir näher erläuterte. Sein Grundsatz war, im Dienste streng und außerhalb mit den Leuten gesprächig zu sein. Er versuchte, sie soweit wie möglich vom eigentlichen Dienst, mit Wachen und Exerzieren, zu verschonen; hingegen ließ er sie statt dessen, Teil für Teil, doch ohne jede Übertreibung, an der Ausbesserung und selbst an der Verschönerung der Festung arbeiten. Er besuchte sie täglich dabei, unterhielt sich mit ihnen, hörte wohl auch, wenn es Gelegenheit gab, ihre Ideen mit an. Er machte die sehr richtige Bemerkung, daß diese Beschäftigung den Leuten (da sie etwas, und sei es noch so wenig, hervorbrächten) angenehmer sei und sie mehr unterhielte als das bloße Exerzieren und daß die Langeweile auf den Schildwachen und in den Wachstuben eher gewisse Ideen bringen könne, die er verhindern wolle, als eine gemeinschaftliche Beschäftigung. Auch machte er die sehr feine Bemerkung, daß die Festung, die an sich allen ein unangenehmer Aufenthaltsort war, dadurch den Leuten angenehmer würde, wenn sie selbst etwas darin hervorgebracht hätten und also gewissermaßen ihr eigenes Werk vor sich sähen. Denjenigen, welche Handwerker waren, verschaffte er soviel wie möglich Arbeit für die Garnison selbst und in dem am Fuße des Berges liegenden Städtchen Asperg. Da aber dieses noch nicht ausreichte, alle genug zu beschäftigen, sann er mehrere Spiele aus, um die Leute bei gutem Mute zu halten und dadurch zu verhüten, daß widrige Ideen bei ihnen Wurzel fassen könnten. Ungeachtet dessen, daß er selbst etwas strenge religiöse Grundsätze hatte und persönlich wohl das Tanzen nicht lieben mochte, ließ er doch oft nachmittags bei schönem Wetter auf dem Platze der Festung lustige schwäbische Tänze spielen, so daß allen jungen und munteren Kerlen die Beine beweglich wurden. Die Geschicktesten ließ er allerlei Kunststücke machen, teils um sich selbst, teils um die anderen zu vergnügen, und gab den Besten zuweilen eine kleine Belohnung. Wir sahen ihren Tänzen und ihren gefährlich scheinenden Kunststücken zu, und er raunte mir ins Ohr: »Wenn die Leute müde sind, so laufen sie mir gewiß nicht weg.« Außerdem bediente er sich seines gelehrten Gefangenen, um ein Theater zu errichten, welches dem guten Schubart, dem es an Beschäftigung fehlte, ein sehr angenehmer Auftrag war. Denn dadurch wurde seine Liebe zur Literatur wieder geweckt, und die Besorgung des Theaters, das Austeilen und Abhören der Rollen half ihm, viele von den müßigen Stunden zu füllen, die er im Überfluß hatte. Wir konnten keines von den Stücken sehen, denn dieses Vergnügen war hauptsächlich für den Winter gedacht, wo die Leute nicht soviel Beschäftigung hatten wie im Sommer. Doch ließ der Herr Oberst die besten Schauspieler kommen, worunter der geschickteste ein Berliner sein sollte.

So wurde die Annehmlichkeit dieses Tages dadurch noch sehr vermehrt, daß ich in dem Kommandanten dieser Festung einen so interessanten Mann kennenlernte. Ich verließ Hohenasperg mit Hochachtung vor ihm und mit Mitleid gegenüber dem armen Schubart. Am Fuße des Berges nahm der vortreffliche Fulda nebst seiner Gattin Abschied von uns und ließ einen tiefen Eindruck seiner Einsichten und seines biederen Charakters in uns zurück. Diese drei merkwürdigen Leute, die ich an einem Tag kennenlernte, sind nun gestorben. Sie waren der Gegenstand unserer Unterhaltung bis zu unserer Rückkunft in Stuttgart.

Wir verließen Stuttgart am Sonntag, dem 22. Juli, nachmittags in Gesellschaft des Herrn Professor Abel. Der Weg nach Tübingen geht bergan, die schroffe Weinsteige langsam hinauf. Wenn man zurücksieht, erblickt man Stuttgart im Tale, von lachenden Weinbergen umringt. Sowie die Straße sich mit der Weinsteige von Stuttgart wegwendet, verändert sich die Szene und wird noch herrlicher. Die weite Aussicht wurde oft von grünen Hecken verdeckt und öffnete sich immer schöner, besonders da sie damals sehr vorteilhaft von der Sonne beleuchtet wurde. Ziemlich weit oben, beinahe auf dem Rücken des Berges, wendet sich der Weg links in ein Wäldchen; nun verschwand Stuttgart vor unseren Augen, und es blieb nur noch die Aussicht nach den weit entfernten Bergen in der Gegend von Hohenasperg. Die Bilder von Rieger und Schubart schwebten uns dabei vor Augen.

Man sah in dieser Gegend einen versperrten Weg zu dem so berühmt gewordenen Schlosse Hohenheim, den niemand außer dem Herzog befahren durfte. Man konnte dieses Schloß ohne besondere Erlaubnis des Herzogs nicht sehen. Wir wollten diese nicht einholen, obwohl man glaubte, wir würden sie vielleicht erhalten haben. Man findet eine kurze Beschreibung dieses berühmten Schlosses und Gartens in Hirschfelds Gartenkalender von 1786. In Hirschfelds Gartenkunst sind einige von den Anlagen des Gartens abgebildet. Ich kann freilich über den großen Garten zu Hohenheim nicht vollständig urteilen, da ich ihn nicht gesehen habe. Es besteht kein Zweifel, daß sich dort sehr schöne Partien finden, weil die Lage so günstig und unter anderem eine so große Menge fremder amerikanischer Sträucher und Bäume vorhanden ist und weil überhaupt die freie Vegetation der Natur, besonders im Sommer in ihrem größten Triebe, immer einen günstigen Eindruck macht, den die Kunst, auch wenn sie irrt, nie ganz verderben kann. Aber da nun in diesem Garten so viele größere und kleinere Gebäude und andere Kunstwerke stehen, so fragt man sich doch, ob diese den Pflanzungen angemessen seien, ob sich Einheit und Absicht darin finde, ob sie großen und bleibenden Eindruck machen? Und da urteilen freilich alle, die ich über diesen berühmten Garten habe befragen können, nachdem sie ihn gesehen hatten, daß dort die Menge der Gebäude und ihre Vielfalt verwirre, daß die inneren Verzierungen derselben nebst den kleinlichen Dimensionen der meisten ins Unschickliche und Spielerische fallen und daß man Einheit und Absicht überall vermisse. Der Verfasser der Beschreibung von Hohenheim im Tübingschen Taschenbuche zeigt aber ein Ansicht. Er sagt: »Die Idee des Stifters war, eine Kolonie abzubilden, die sich in den Trümmern einer römischen Stadt niederließ. Dies muß man notwendig wissen, um es schicklich zu finden, daß so viele kleinere und größere neue Häuser mit den Ruinen einer fremden und prächtigen Bauart durchwebt sind.« Die Idee ist zwar sinnreich, nur scheint sie mir eine rein poetische Idee zu sein. Sie ist in einer Beschreibung gut, kann allenfalls eine große Landschaft verschönern, aber in der Ausführung eines Gartens kann sie keine Wirkung haben und vermag eher ein Beispiel dafür zu sein, wie man künstliche Anlagen und Gebäude in einem Garten nicht anlegen sollte. Wenn Dinge von so ganz verschiedener Art ganz nahe beisammen stehen, müssen im wirklichen Herumwandeln die erregten Empfindungen verwirrt werden, sei die Idee auf dem Papier noch so poetisch gewesen. Und die Kolonie ist ja ohnehin nur eine Idee! Man weiß sehr gut, daß man im Garten eines regierenden Landesherrn wandelt; jeder Schritt zeigt es. Selbst der große herzogliche Palast erinnert daran. Zwar weist der Verfasser des Taschenbuchs sehr sinnreich auf die Gedanken hin, welche durch den Palast erregt werden sollen; ich bezweifle aber, daß sie durch den wirklichen Anblick so erregt werden, und geschähe dies, würden diese Anlagen von so disparater Natur wohl die ersten Empfindungen bald wieder auslöschen.

In Plieningen, unweit Hohenheim, werden Wetzsteine angefertigt und auch außer Landes verkauft. Auf dem Rücken des Berges führt der Weg durch fruchtbare Felder, und man erblickt von weitem einen eingezäunten schönen Park, der zu Hohenheim und Degerloch gehört. Bald ging der Weg wieder bergab durch unabsehliche Felder voll Getreide und Kohl bis Echterdingen, wo wir anhielten, um den durch seine mechanischen Kunststücke berühmten und wegen seiner theologischen Schriften etwas berüchtigten Pfarrer Hahn zu besuchen. Das Bild dieses merkwürdigen Mannes findet man in Lavaters Physiognomik, im III. Band, S. 274, nebst einem Urteil über ihn nach Lavaters Art, der so oft viel zu sagen scheint, wenn er wenig sagt. Das Bild ist recht ähnlich, nur sah der Mann nicht so mönchisch aus, wie er dort dargestellt ist. Er hatte tiefliegende, sehr freundliche Augen, die sich halb schlossen, wenn er etwas hörte, dem er zustimmte. Sein schlichtes schwarzes Haar, natürlich gelockt, stand ihm sehr gut. Es leuchtete aus seinem Gesicht eine besondere Zufriedenheit und Ruhe. Man war aufgrund des Gesichtes versucht anzunehmen, daß er ein redlicher Mann war, nur seine Stirn verriet sein Talent; auch bemerkt Lavater richtig, daß die Stirn im Bilde verfehlt ist. Leute, die nicht oft Schwärmer beobachtet haben, stellen sie sich im allgemeinen als trübsinnig vor. Keineswegs! Haben sie ein ruhiges Temperament und ist der Körper gesund, so wird ihre Einbildungskraft angespannt, ohne daß der Körper leidet: sie sind heiter, und sehr oft sitzt sogar in ihren Augen und auf ihren Lippen die fade Selbstzufriedenheit, was freilich bei Hahn nicht zutraf, der in mechanischen, obgleich nicht theologischen Sachen scharfsinnig und zugleich höchst bescheiden war. Liegt aber den Schwärmern Stolz in der Seele oder Verstopfung im Unterleib, so sind sie melancholisch und entweder mürrisch oder ängstlich oder beides. Dann freilich wird bei ihnen weltlicher Dünkel sehr oft zur Anmaßung höheren Christentums, und besonders bei Webern und Schustern werden Infarkte zur Weissagung. Der gute Hahn hatte sich fest in eine Idee vom Königreiche Jesu hineingedacht, eine Idee, welche auch mehrere Freunde Lavaters mit Eifer aufnehmen und sich dabei durchaus ein künftiges politisches Königreich Jesu denken. Ob auch Herr Lavater selbst, wie es mir fast scheinen möchte, dieser Idee zugetan ist, traue ich mich nicht zu behaupten; er erklärt es gar zu leicht für Bosheit, wenn man ihm eine Meinung zuschreibt, die er bei veränderten Umständen sich nicht zugeschrieben wissen will, gesetzt den Fall, sie wäre auch in seinen Schriften deutlich zu finden. Seine Schreibart hat ihre ganz eigenen schillernden Wendungen, vermöge derer ihm notfalls immer eine wohltätige Hintertür offenbleibt.

Ich bekenne übrigens sehr gern, in Hahns theologischen Schriften nur etwa einen halben Tag gelesen zu haben. Der ehrliche Mann schrieb mit einer ermüdenden Weitschweifigkeit, so daß man lange lesen mußte, bis man eine Art von Ideenfolge finden konnte. Er behauptete eine Art von Chiliasmus, soviel war ungefähr zu erkennen. An sich scheint mir eine solche Grille nicht mehr und nicht weniger schädlich zu sein als jede andere theologische Grille. Daß der gute Hahn schlechterdings darauf bestand, es werde im Alten und Neuen Testament ein künftiges Königreich Jesu auf Erden geweissagt, scheint mir an sich nicht bedenklicher, als wenn er ein künftiges Kurfürstentum Jesu oder eine künftige Grafschaft Jesu gefunden hätte, welches durch die Art der Auslegungskunst, wie Hahn und Pfenninger sie gebrauchen, auch wohl zu finden möglich sein müßte. Freilich liegt immer die Vorstellung, daß künftig die auserwählten Gläubigen herrschen sollen, zugrunde. Aber meiner geringen Einsicht nach könnte eine solche Idee nur dann bedenklich werden, wenn ein jetziges Königreich Jesu beabsichtigt wäre, das der jetzigen weltlichen Macht an die Seite gesetzt werden sollte und in dem die jetzigen Gläubigen mitregieren würden. Diese Behauptung hat sich aber der gutmütige Hahn gewiß nie in den Sinn kommen lassen und hoffentlich auch niemand von seinen Anhängern. Man hätte sie also, meiner Meinung nach, ganz gehen und, soviel sie wollten, von ihrem künftigen Königreich, in dem sie einmal mit dem Herrn Christus zu regieren dachten, träumen lassen sollen. Träume vergehen von selbst. Je mehr man aber solche Träumereien ernsthaft behandelt, desto wichtiger werden sie ihren Anhängern, wie die Erfahrung überall zeigt. Gleichwohl wäre der gute Hahn beinahe dieses von ihm behaupteten künftigen Königreichs wegen verfolgt worden. Man fand nämlich diese Lehre der gängigen württembergischen Orthodoxie nachteilig, obwohl diese schon seit 50 Jahren so viele Bengelsche, apokalyptische, Ötingerische und andere Abweichungen ertragen hat. Man fing an, seine Behauptung von dem geweissagten Königreich aufs genaueste zu untersuchen, und suchte auf den seltsamsten Wegen nach Beweisen dafür, daß er dieses wirklich behauptet hatte, was um so unnötiger schien, da der ehrliche Mann dies, soviel ich weiß, nie verhehlt hat. Er war schon vom Konsistorium in Anspruch genommen, als unvermutet seine Mechanik seiner Theologie zu Hilfe kam. Als der Herzog im Jahre 1767 die Universität Tübingen besuchte, hörte er von Hahns mechanischer Geschicklichkeit, ließ ihn zu sich kommen, bestellte bei ihm die astronomische Maschine, die ich oben erwähnt habe, und erwies ihm zugleich die Gnade, ihm eine bessere Pfarre näher bei Stuttgart zu versprechen. Daraufhin schwieg der Synodus.

Da Hahns theologische Meinungen gar nicht die Ursache meines Besuchs waren, sprachen weder er noch ich von Theologie oder irgend etwas Ähnlichem. Die Rede galt nur seinen mechanischen Kunstwerken. Er zeigte uns besonders seine berühmte Rechenmaschine, mittels derer man in den vier Rechnungsarten bis 100 Millionen rechnen kann. Er ließ uns die innere Struktur sehen und erklärte uns das Ganze mit großer Deutlichkeit und viel Geduld. Desgleichen zeigte er uns ein kleines kopernikanisches System. Es war deshalb bemerkenswert, weil es ihn wegen der Langweiligkeit, die Räder zu den Trabanten des Jupiters zu berechnen, veranlaßt hatte, eine Rechenmaschine zu ersinnen. Er zeigte uns noch verschiedene kunstvolle Uhren und schöne Zeichnungen von anderen Maschinen, besonders von einer astronomischen Uhr, die damals noch bei seinem Bruder in Kornwestheim stand und welcher er noch den Vorzug vor der in Stuttgart sich befindlichen gab. Er hatte Uhrmachergesellen und andere mechanische Künstler im Hause, die seine Erfindungen ausarbeiteten. Dieser Mann sowie auch seine Gattin hatten etwas in ihrem Betragen, was sogleich Zutrauen und Achtung erweckte. Er ist inzwischen gestorben. Sein Schwiegervater war Herr Flattich, Pfarrer zu Monchingen, den uns Herr Fulda schon als einen trefflichen Mann gerühmt hatte, der alles durch eigenes Nachdenken aus sich selbst gezogen und besonders über die Erziehung der Jugend viel nachgedacht und sich auch praktische Kenntnisse davon erworben habe.

Hier verließ uns Herr Professor Abel, der uns so gütig hierher begleitet hatte, und ging zu Fuß zurück. Er hatte Kants Kritik der reinen Vernunft, die damals noch nicht lange erschienen war, als Begleiter für den Rückweg mit sich genommen. Von Echterdingen aus geht der Weg wieder bergan. Bald waren wir auf dem Rücken des Berges und sahen hinter uns Echterdingen in dem fruchtbaren Tal liegen, von der sich schon neigenden Sonne sehr malerisch beleuchtet, und große Herden Schafe und Vieh, die die Landschaft noch malerischer machten. Bald führte der Weg in einen dichten Wald von Birken und Eichen. Die Einsamkeit und das sachte Herunterrollen luden uns zum Nachdenken ein, dem wir uns auch überließen, denn die vielen interessanten Menschen und Dinge, die wir in und um Stuttgart gesehen hatten, gaben uns Stoff genug dazu. Wir wurden aus diesem angenehmen Traume durch eine Anzahl von Landleuten geweckt, die wir an einem kleinen Bache fanden, dem Reichenbach, über den eine große steinerne Brücke führt, weil er oft von dem Bergwasser stark anschwillt. Sie gingen mit uns eine ziemliche Strecke den Berg hinauf. Die Mädchen tragen hier das Haar in Zöpfen, von denen die schwarzen Bänder bis auf die Erde herabhängen. Die Männer unter den einfachen Leuten in Schwaben tragen das Haupt ständig mit Mützen bedeckt. So hatten auch diese hier alle ein rundes, plattes Käppchen aus schwarz gefärbtem Stroh auf dem Kopf. Schön waren weder die Männer noch die Frauen, aber alle hatten etwas Ruhiges und Zufriedenes, die Männer etwas Ehrliches und die Weiber etwas Naives in ihrem Aussehen. Sie gingen auch still und beinahe tiefsinnig vor sich hin, ganz anders als die jovialen Bayern und die sinnlichen Österreicher. Beim Anblick dieser Leute, deren Äußeres Wohlstand verriet, und bei dem herrlichen fruchtbaren Lande kam uns natürlich der Gedanke: Warum wandern die Württemberger aus diesem herrlichen Lande aus, in so großer Anzahl und nach so verschiedenen Orten? Die Gedanken darüber beschäftigten mich sehr.

Württembergische Trachten

Waldenbuch, wo wir die Pferde wechselten, ist ein schlecht gebautes Städtchen, das etwas armselig aussieht, aber in einer höchst romantischen Gegend in einem Tal liegt. Dort erhebt sich eine Anhöhe, auf der die Kirche und ein herzogliches Schlößchen stehen. Ein Forstmeister bewohnt es, und der vorige Herzog stieg hier zuweilen ab, wenn er wegen einer Hirschjagd oder Sauhatz in diese Gegend kam. Diese Lustbarkeiten schienen den Einwohnern nicht gerade zu gefallen, denn sie zuckten auf unser Befragen die Achseln und klagten über Wildschaden. Die Stadt wird von einem schnell rauschenden Bächlein durchflossen. Rundherum sieht man freundliche, zum Teil mit Wein bewachsene Berge, von denen eben eine blökende Herde wiederkäuend herabwandelte. Dieses schöne ländliche Gemälde, die Einwohner in ihrem reinlichsten Anzug, weil es gerade Sonntag war, und die unschuldig herumgaukelnden Kinder, denen die Kirchenordnung noch nicht das fröhliche Herumspringen verboten zu haben schien, machten einen sehr angenehmen Eindruck. Hier hatten wir auch Chausseegeld zu bezahlen. Diese kleinen Zahlungen sind in Württemberg üblicher als in Österreich und Bayern. Man zahlt wie dort für das Pferd einen Kreuzer für jede Wegstunde, aber ebensoviel für die Pferde, mit denen der Postillon zurückreitet. So schön wie in Österreich sind diese Kieswege hier nicht. Sie gehen nicht nur oft bergauf, bergab, sondern waren auch, wenigstens damals, nicht so gut unterhalten wie die österreichischen und bayerischen Hochwege. Freilich würde sich im nördlichen Deutschland der Reisende glücklich schätzen, wenn er nur halb so gute Wege fände wie im Württembergischen und sich nicht durch tiefen Sand oder tiefen Kot durchschleppen oder sich von großen Steinen, die im Weg liegen, zerschlagen lassen müßte. Es wäre wohl zu wünschen, daß man von allen Chausseen in Deutschland Informationen hätte, wann sie entstanden sind und wie weit sie gehen, da man in keiner Geographie davon etwas findet.

Von Waidenbuch geht der Weg wieder bergan. Hier verloren wir durch einen starken Stoß den Stern unseres Wegmessers, der nicht wiederzufinden war. Wir mußten ihn bis nach Basel entbehren, weil wir niemanden fanden, der ihn ersetzen konnte. Wir kamen nun in den großen Wald Schönbuch, der etwa zehn Meilen lang und sieben Stunden breit sein soll, wenn er nicht allzu groß angegeben ist. Wir fuhren meist darin oder an ihm entlang bis etwa eine Stunde vor Tübingen. Da bemerkten wir beim Sternenlicht eine gepflanzte Allee und fuhren gegen 11 Uhr abends in Tübingen ein, wo wir nur soviel sehen konnten, daß die Straßen bergig und uneben und die Häuser sehr schlecht gebaut waren, wobei uns die Bemerkung einleuchtete, daß Wissenschaften und Zufriedenheit auch in krummen Straßen und schlechten Häusern wohnen können. Wir stiegen im »Goldenen Adler« ab.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Unter Bayern und Schwaben