Fortsetzung

Im Herzogtum Weimar verlangte 1775 und 1790 der Oberforstmeister Maßregeln gegen die „Barbarei“ der unberechtigten Ausrottung von Weihnachtsbäumen; doch folgte erst 1800 ein ernstliches Verbot bei gleichzeitiger Regelung des Verkaufes von Tannen und Fichten durch die Forstbehörden. Damals schwankte der Preis für Weihnachtsbäume zwischen sechs Pfennigen und zwei Groschen. Im Norden, wo Kiefern häufiger sind, bescherte man im Lichterglanz verschieden hoher Leuchter und der „Pyramiden“, wie dies Darstellungen Chodowieckis von 1776 und 1799 bezeugen. Auf dem Kupferstich von 1820 hängt das lichterlose Christbäumchen von einem Balken der Holzdecke herab.

So selbstverständlich uns heute der geschmückte Lichterbaum erscheint, so langsam vollzog sich doch seine Verbreitung zuerst durch unser eigenes Vaterland und von da aus durch die weite Welt. Die ersten Weihnachtsbäume sind für Berlin seit 1780, für Hamburg sechzehn Jahre später, in Dresden 1807 und in Wien 1817 nachweisbar. In Budapest wurde der Weihnachtsbaum durch Deutsche 1819 und in Paris und London 1840 eingeführt. Langsam kam der Brauch in verkehrsferneren Teilen unserer Heimat in Aufnahme; so ward der Lichterbaum in Altbayern seit 1855 allgemeiner. Im Vintschgau kennt man ihn seit 1889 und in Rauris in Tirol sogar erst seit zweiundzwanzig Jahren. In diesen Gegenden vertrat ihn das sogenannte „Paradies“.


Erhielten in ältester Zeit, lange bevor Weihnachten am 25. Dezember gefeiert ward, die Kinder nur Esswaren, so fand seit dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts das Schenken von allerlei Früchten, Backwerk, Spielzeug und nützlichen Dingen größere Verbreitung. Nicht immer waren solche Kinderbescherungen in älterer Zeit so protzenhaft wie in unseren Tagen. So schrieb 1571 Thomas Vinita: „Die Kinderlein finden in ihren Bündlein gemeiniglich fünferlei: erstlich Geld, viel oder wenig, nachdem das Haus reich ist; doch lassen sich die armen Kinderlein auch einen Pfennig oder Heller, in einen Apfel gesteckt, genügen und sind guter Dinge darüber. Danach finden sie auch Christstollen, Zucker, Pfefferkuchen und daneben Äpfel, Birnen, Nüsse. Aber auch ergötzliche und zu Freuden gehörige Dinge, als Puppen und mancherlei Kinderwerk. Zum vierten finden sie nötige und zur Bekleidung und Zier des Lebens dienstliche, hübsche Kleiderlein von gutem Gezeuch und reinlicher Arbeit gefertigt.“ Aber auch „Abc-Täflein“, schöne Bücherlein, Schreib- und Federzeuge und Papier fehlten nicht. Im Jahre 1662 bekamen die Kinder des reichen Nürnberger Patriziers Behaim verschiedene Ellen Zeuge, Borten, Knöpfe, hundert Nadeln, Faden, Häklein und Schleiflein, Stiefel, Pantoffel, Schuhe, einen Schulkorb, einen Schurz, eine Tafel und farbige Schächtelchen. Man sieht, das Nützliche stand obenan, trotzdem die Zeit der „schweren Not“ des Dreißigjährigen Krieges seit 1648 beendet war.

In großen handwerksreichen Städten, wie zum Beispiel Nürnberg und Augsburg, gab es Weihnachtsmessen, die ursprünglich der Nikolausbescherung Anfang Dezember vorausgingen. Dieser „Kindlesmarkt“, auf dem alles Erdenkliche zu haben war, wurde in Nürnberg 1697 auf die Zeit kurz vor dem jetzigen Heiligen Abend verlegt.




Aus dem ganzen Frankenland wanderten die Leute dahin, und Christophorus Wagenseil schrieb 1697, dass dann „alle Leute in Nürnberg wieder zu Kindern würden“.

Wilhelm Raabe sagt in seinem Roman „Die Chronik der Sperlingsgasse“ von den Kindern: „An das Treiben vor den Buden, an den grünen, funkelnden Tannenbaum knüpft das junge Gemüt seine ersten wahren und, was mehr sagen will, wahrhaft kindlichen Begriffe an.“ Die Zeiten der Armut und des schlichten Lebens, die Raabe schilderte, sind bis 1914 für große Schichten unseres Volkes nicht mehr die gleichen gewesen. Das Warenhaus mit seinem übersteigerten falschen Prunk verdrängte die einst in den Buden feilgehaltenen bescheidenen Dinge, und unser Weihnachtsfest war mehr und mehr veräußerlicht. Man spürte so gut wie nichts mehr von einstiger Schlichtheit der Geber und Genügsamkeit der Beschenkten. Für viele war das Fest immer mehr zur schweren Last geworden, seit man sich übernahm und nicht mehr zu bescheiden wusste. Nun ist das Elend über uns gekommen und die Not. Und der Zwang wird es fügen, dass nicht alles mehr an bloßem Flittertand und aufgebauschten schalen Nichtigkeiten hängt. Betrachtet man die hier abgebildeten Bescherungen aus der Zeit vor mehr als hundert Jahren, so wird man finden, dass es nicht laute, schreiende, prunkhafte Feste gewesen sind. Für uns wird es hohe Zeit, dass wir uns auf die wahrhaften Schätze besinnen und sie aus der Tiefe des Seelenlebens wieder zu heben suchen, worin sie in einer in rohe Genüsse versunkenen Zeit fast untergegangen wären. Die wahren Freuden häuslichen Glückes sind nicht in Äußerlichkeiten zu finden. Gütige Gesinnung und Liebe bedürfen keines falschen Prunkes. Höher als alle noch so reichen Gaben steht der Friede der Seele. Möchten ihn im Lichterglanz alle finden!

Die älteste Darstellung des „Christbescherens“. Stich von Joseph Kellner,
Die Mutter am Christabend. Nach einem Stich aus dem Jahre 1820.
Die Pyramide auf dem Weihnachtstisch. Nach einem Stich von Daniel Chodowkecki. 1799.
Verkaufstisch mit süßen Zwetschgenmännern auf dem Weihnachtsmarkt.
Nikolaus und das Christkindel. Nach einem Gemälde von Georg Schuster-Woldan.
Eine Weihnachtspyramide aus der Zeit um 1820.
Tölzer „Paradies“ mit dem Nikolaus.
Auf dem Weihnachtsmarkt. Von Richter.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Unser Weihnachtsbaum.