Kommunikations-Wege und Mittel.

Die Insel Norderney bietet die große Annehmlichkeit dar, daß sie von der Küste des Kontinents aus zu Wasser und zu Lande erreicht werden kann. Das Letztere wird durch die Ebbe möglich gemacht, während welcher Zeit das Wasser so bedeutend abläuft, daß die 1¼ Meilen breite Strecke zwischen der Insel und der Küste, das sogenannte Wat, auf der am höchsten liegenden Stelle fast ganz trocken gelegt wird, und die Badegäste zu Wagen und zu Pferde und, wenn sie nasse Füße nicht scheuen, selbst zu Fuß auf die Insel mit großer Bequemlichkeit gelangen können. — Der Punkt an der Küste, von wo aus dieser Weg zu Lande eingeschlagen werden muß, ist das Hilgenrydersyhl. Es ist dieses ein Vorzug, den Norderney vor allen andern auf Inseln befindlichen Seebädern voraus hat, und alle der Badegäste, die nicht mit der See vertraut sind, und die Beschwerden einer Seefahrt, besonders aber die Seekrankheit scheuen, in den Stand setzt, aller der großen Vorteile, die ein auf einer Insel befindliches Seebad schon durch die stets gleiche Seeatmosphäre vor jedem an der Kontinentalküste gelegenen voraus hat, zu genießen, ohne sie durch eine Seefahrt erst erkaufen zu müssen. —

Während der Flutzeit dagegen muß man das Wat zu Schiffe passieren, und embarquiert man sich zu diesem Zwecke am Fährhause zu Norddeich, eine halbe Stunde von der ostfriesischen Stadt Norden.— Da nun weder hier noch am Hilgenrydersyhl *) Gasthäuser zur Aufnahme von Reisenden vorhanden sind, so ist es am ratsamsten die Nacht in Norden zuzubringen, wo man in zwei Gasthöfen recht gut aufgehoben ist.


*) Zur größeren, Bequemlichkeit der Reisenden läßt jetzt der beeidigte Wattführer Poppinga am Hilgenrydersyhl ein wohleingerichtetes Gasthaus erbauen, wo die Reisenden, welche zu Lande das Wat passieren wollen, künftig stets ein gutes Logis finden werden, um die Ebbe in Ruhe zu erwarten.

Hier kann man mit Leichtigkeit erfahren, zu welcher Stunde täglich das Fährschiff vom Norddeich abgeht, welches in den öffentlichen Blattern immer im voraus bekannt gemacht wird; oder wann der Zeitpunkt der Ebbe eintritt, welcher die Passage zu Lande vom Hilgenrydersyhl ab zulässt, wovon im Allgemeinen die Regel gilt, daß man sich 4 bis 5 Stunden später, als das Fährschiff vom Norddeich absegelt, am Hilgenrydersyhl einfinden muß, um die Landreise über das Wat zu beginnen. Man hat dann seine Abreise von Norden so einzurichten, daß man früh genug vor dem angegebenen Zeitpunkte an einem der beiden Abgangspunkte an der Küste eintrifft, da die Abfahrt zu Wasser und zu Lande von dem Eintritt der Flut und Ebbe abhängig ist und daher keinen Aufschub gestattet. —

Die Überfahrt mit dem Fährschiffe wird bei sehr günstigem Winde in ¾ Stunden, bei ungünstigem in 2 bis 3 Stunden gemacht.

Das taxmäßige Fährgeld*) vom Norddeich bis auf die Rhede der Insel beträgt für einen Erwachsenen 8 Ggr., für jedes Kind oder einen Domestiken 4 Ggr. und für Pakete oder Koffer über 25 Pfund an Gewicht 2 Ggr. Wer ein Extraschiff für sich allein haben will, kann dieses stets für 2 Rthlr. bekommen. — Von dem Schiffe wird man auf einem Char à banc abgeholt, der bis dicht an die Seite des Fährschiffes in das Wasser hinein fahrt, so daß man mit großer Bequemlichkeit vom Schiffe aus ihn besteigen kann und wohlbehalten vor seine Wohnung oder, wenn man keine im voraus bestellt hatte, vor das Konversationshaus oder auch vor eins der beiden Gasthäuser gefahren wird. Die Taxe für diesen Transport beträgt für die Person 2 Ggr., ebensoviel für einen Koffer über 25 Pfund schwer, und ebensoviel für den Bagageträger oder Wegweiser. — Die Abreise von der Insel nach der Küste wird auf dieselbe Weise bewerkstelligt, und wird täglich die Stunde der Abfahrt des Fährschiffes von der Insel durch den Ausrufer öffentlich bekannt gemacht. —

*) Alle vorkommenden Preisangaben in Silbergeld sind mit Ausnahme der Hamburger Preise, nach preußischem Münzfuße, den Thaler zu 24 Ggr. gerechnet, angeführt. Fremde tun am besten, sich mit Friedrichd'ors und preußischen oder hannoverschen Thalern zu versehen. —

Wer es vorzieht, die Reise zu Lande durch das Wat während der Ebbe zu machen, wird dann vom Hilgenrydersyhl aus durch einen zuverlässigen, beeidigten Strandvoigt, der als Wegweiser dient, die Locher und Balgen genau kennt und vor jeder Gefahr sichert, begleitet.

Mit gutem Fuhrwerke durchfährt man das Wat bis an das Ostende der Insel in einer Stunde, und ebensoviel Zeit wird erfordert, um von diesem, am Südstrande der Insel entlang, bis ins Dorf zu gelangen. Die Taxe für die Begleitung des Strandvoigts beträgt für einen Wagen: 12 Ggr.; für 2 Wagen: 16 Ggr.; für mehre zugleich abfahrende: 6 Ggr. für jeden; wird das Pferd des Strandvoigts zur Beschleunigung der Reise mit angespannt: 12 Ggr. für den respektiven Wagen besonders; für die Begleitung Reisender zu Pferde: ? dieser Ansätze.

Es ist den Reisenden sehr anzuempfehlen, nie ohne Begleitung eines Wegekundigen aufs Geratewohl allein diesen Weg zurückzulegen, der zwar durch ausgesteckte Baken bezeichnet ist, was jedoch den der Lokalität und der Flutzeit Unkundigen nicht hinreichend gegen die Gefahr sichert, von der steigenden Flut überrascht zu werden oder in eine Balge zu geraten.

Die Reise aus weiterer Ferne her.

Den Badegästen, welche aus entlegenen Gegenden her Norderney besuchen wollen, stehen verschiedene Wege dazu offen, von denen ich hier kurz die besten angeben will.

Von Dänemark, Schweden, Rußland, Preußen, Mecklenburg, Sachsen und Böhmen aus reise man direkt auf Hamburg, wohin von allen genannten Ländern aus entweder treffliche Chausseen, auf denen ein ganz vorzügliches Eilwagen- und Extrapostwesen organisiert ist, oder direkte und indirekte Dampfschifffahrt mit großer Schnelligkeit und Bequemlichkeit führen. — In Hamburg angelangt, muß man sich entscheiden, ob man zur See oder zu Lande nach Norderney weiter reisen will. Wer eigenen Wagen, Familie, besonders Damen und Kinder bei sich hat und die Seekrankheit fürchtet, tut am besten, den Landweg über Harburg, Bremen, Oldenburg, Aurich und Norden zu wählen, der sich mit Extrapost in 3 Tagen, und will man die Nacht durchfahren, noch schneller zurücklegen läßt. In allen den genannten Städten findet man ganz vorzügliche Gasthäuser und kann daher überall des besten Unterkommens gewiß sein. —

Für diejenigen, welche eine Seefahrt nicht scheuen, die bei heiterem Wetter auch selten durch die Seekrankheit gestört wird, bieten die beiden vortrefflich ausgerüsteten und eleganten Hamburger Dampfschiffe, die Elbe und der Patriot, von denen eins von Anfang Juli bis September regelmäßig jeden Sonnabend nach Norderney und jeden Sonntag von da zurück nach Hamburg fährt, eine herrliche Gelegenheit in der angenehmsten Gesellschaft und auf die bequemste Weise, in 14 Stunden, wenn das Dampfschiff direkt geht, und in 30 Stunden, wenn es erst bei Helgoland anlegt, die Reise zurückzulegen. Man zahlt dafür auf dem ersten Platze nur 21 Mark hamb. Courant, auf dem zweiten 18 Mark, und Kinder unter 12 Jahren und Domestiken die Hälfte; 30 Kubik Fuß Bagage sind frei, was darüber ist, wird mit 4 Schilling pr. Kubik Fuß bezahlt. Die Tage und Stunden der Abfahrt werden für jeden Monat in den hamburger Blättern, so wie durch die Norderneyer Bad-Direktion in verschiedenen Zeitungen öffentlich bekannt gemacht. —

Eine vortreffliche Restauration an Bord des Schiffes entspricht allen Anforderungen des Magens und selbst der Zunge. Die elegant dekorierte Kajüte und das obere Deck bieten einen angenehmen Aufenthalt dar, der mehr den Eindruck eines schwimmenden, glänzend besuchten Kaffeehauses gewährt, als den eines auf einer Seereise begriffenen Schiffes. Der Raum ist hinreichend groß, um mehr als 200 Passagiere zu fassen; Pferde und Wagen werden nicht aufgenommen, und schickt man die ersteren am besten zu Lande, die letzteren, falls man sie nicht bis zur Rückkehr mit dem Dampfboote in Hamburg stehen lassen will, mit einem Segelschiffe für den Preis von 4 — 6 Friedd'or für jeden Wagen, sicher nach Norderney.

Nimmt das Dampfschiff nicht direkt, sondern über Helgoland seinen Weg, so wird man für den dadurch veranlassten, obgleich nur geringen, Zeitverlust durch den Anblick und Besuch dieses schroff aus dem Meere aufsteigenden, pittoresken Felseneilandes entschädigt. Da das Dampfboot nicht zu Nachtreisen eingerichtet ist, so debarquiert die ganze Reisegesellschaft, um auf Helgoland die Nacht zuzubringen, und man hat bei dem geringen Umfange der Insel vollkommen Zeit genug, sie ganz zu besehen, nachdem man sich ein gutes Nachtquartier gesichert hat, woran es übrigens nie mangelt. — Am nächsten Morgen wird dann die kürzere Strecke von Helgoland nach Norderney in 6 Stunden und oft noch rascher zurückgelegt, woselbst man durch Schaluppen vom Dampfschiffe abgeholt, und aus diesen in bereit stehenden Wagen in das Dorf gebracht wird, an dessen Eingange die Badegesellschaft und das Musikkorps die neuen Ankömmlinge freudig empfängt. —

Vom mittleren und südlichen Deutschland und der Schweiz aus reise man direkt auf Hannover. Hier bieten sich wiederum 2 Wege zur Weiterreise dar, entweder nach Hamburg, wohin viermal wöchentlich ein Eilwagen geht, um dann von da mit dem Dampfboote auf die angegebene Weise weiter zu reisen; oder nach Bremen, wohin täglich Abends ein Eilwagen abgeht, der am nächsten Morgen in Bremen eintrifft, von da geht es zu Lande über Oldenburg, Aurich und Norden, oder auch mit einem der hier stets bereit liegenden norderneyer Segelschiffe weiter. Diese letztere Art zu reisen ist die wohlfeilste, (der Preis für die Person betragt nur 1 Friedrichd'or) und bei günstigem Winde rasch und unterhaltend. Dagegen sind die Bequemlichkeiten nicht sehr groß, und man muß sich selbst mit hinreichendem Proviant versehen, von dem man wohl tut lieber zu viel als zu wenig mitzunehmen, da eintretende Windstille die Fahrt, welche bisweilen in 10 Stunden gemacht wird, sich nicht selten auf 2 ja 3 Tage ausdehnt.

Von Westfalen aus wähle man den Weg über Lingen, Leer, Emden und Norden, der auch von den preußischen Rheinprovinzen aus der beste ist, wenn man nicht vorzieht, mit dem Dampfschiffe den Rhein hinunter bis Nimwegen zu fahren, und von hieraus durch Holland über Zwoll, Groningen, Delfzijl, Emden und Norden zu reisen. — In Delfzijl findet man auch häufig Gelegenheit für 4 bis 6 Rthlr. mit einem eigenen Schiffe direkt nach Norderney zu segeln, was bei günstigem Winde in 3 bis 4 Stunden geschieht.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber das Seebaden und das Norderneyer Seebad