Ueber das Seebaden und das Norderneyer Seebad

Vorwort.

Ein zweimaliger längerer Aufenthalt auf Norderney in der Saison der Jahre 1834 und 1835, die dankbare Anerkennung der wohltätigen Wirkung seines herrlichen Seebades, welche ich an einem großen Teile der Badenden, so wie an mir selbst zu beobachten Gelegenheit hatte, und die von mehren Seiten wiederholt an mich ergangenen Aufforderungen haben mich bewogen diese wenigen Bogen der Öffentlichkeit zu übergeben. — Ein anschauliches Bild zu liefern, von dem Standpunkte, welchen die Seebäder als Heilmittel einnehmen, die große Wichtigkeit derselben und ihrer allgemeinern Anwendung den Ärzten im Innern Deutschlands, denen die Entfernung mit dem Anblicke des Ozeans, auch die richtige Würdigung seiner Heilkräftigkeit erschwert, aufs Neue ans Herz zu legen, und sie namentlich auf die mannigfachen und großen Vorzüge Norderneys vor andern Seebädern aufmerksam zu machen, ist der Zweck dieser Schrift. Sie mag sich so, aus dem praktischen Gesichtspunkte den Gegenstand betrachtend, mit Übergehung alles historisch und literarisch Wichtigen, womit uns der gelehrte Geh. Med.-Rath Sachse so umfassend erst kürzlich beschenkt hat, an dessen verdienstvolles Werk über die Wirkungen und den Gebrauch der Bader, besonders der Seebader zu Doberan anzuschließen wagen. Und wie Sachses Buch mit einer detaillierten Beschreibung Doberans, des Repräsentanten der Ostseebader, schließt, mag eine treue Schilderung Norderneys der Repräsentantin der Nordseebäder, die letzten dieser Blätter als Parallele füllen. —

Bei der im Verlaufe derselben unvermeidlichen Erörterung der leider zu einer Streitfrage gewordenen größeren Vorzüglichkeit der Nord- oder Ostseebäder bitte ich den Leser, meine hier ausgesprochene Ansicht als das Resultat einer von jeder Animosität und Parteilichkeit freien Überzeugung anzusehen, die ich mir durch eigene Anschauung und Untersuchung der wichtigsten deutschen Nord- und Ostseebäder auf einer lediglich zu diesem Zwecke unternommenen Reise erworben habe. Namentlich ersuche ich den berühmten Schöpfer des ältesten Seebades an Deutschlands Küsten, den verdienstvollen Geh. Med.-Rath Samuel Gottlieb von Vogel, so wie dessen beide würdige Kollegen, die Geh. Med. Rathe Sachse und Becker, deren freundlicher Aufmerksamkeit ich so Manches während meines Aufenthalts in Doberan verdanke, diese meine Bitte besonders berücksichtigen zu wollen, da mir nichts so schmerzlich sein würde, als der Gedanke, mich von ihnen der Undankbarkeit beschuldigt glauben zu müssen. Vielmehr ergreife ich mit wahrem Vergnügen diese Gelegenheit, diesen drei ausgezeichneten Männern die aufrichtigste Anerkennung ihrer großen Verdienste um die Seebäder und namentlich um die zu Doberan hier öffentlich auszusprechen mit der Versicherung, daß die Verschiedenheit meiner Ansicht über eine wissenschaftliche Frage nie eine Verminderung meiner Verehrung für die Verteidiger einer entgegengesetzten Meinung weder zum Grunde noch zur Folge haben wird.

Was den Inhalt des Buches anlangt, so zerfällt er in zwei Abschnitte, von denen der erstere einige allgemeine Bemerkungen über das Seebaden enthält, welche in 3 Kapiteln

1. eine praktische Darstellung der Wirkung des Seebadens,

2. die Untersuchung der Gründe, weshalb die Seeluft einen so wohltätigen Einfluss auf die Gesundheit äußert,

3. die Beantwortung der Frage: ob die Wahl des Seebades gleichgültig sei,

umfassen, über die hieran sich knüpfenden genaueren Bestimmungen für die therapeutische Anwendung des Seebadens und seiner Modifikationen, sowie über die Baderegeln, welche von den Badenden zu beobachten sind, behalte ich mir vor, demnächst Ausführlicheres mitzuteilen, wozu es meiner Ansicht nach einer noch großem Menge sorgfältiger Beobachtungen bedarf, als mir bereits jetzt zu Gebote stehen, und die selbst anzustellen und zu sammeln ich jede Gelegenheit benutzen werde. —

Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit einer genauen Beschreibung des Norderneyer Seebades, welche dem ärztlichen wie dem badenden Publikum eine anschauliche Vorstellung von der Lokalität, den Anstalten und dem Badeleben daselbst verschaffen wird. Er zerfällt gleichfalls in 3 Capitel, von denen das Erste die Topographie der Insel Norderney enthält;

das Zweite die Kommunikations-Wege und Mittel bespricht;

das Dritte die Seebade-Anstalt mit vorzüglicher Berücksichtigung aller darauf irgend bezüglicher Partikularitäten zur Belehrung derjenigen, welche dieses Bad noch nie besucht haben, beschreibt. —