Samstag 18. bis Sonntag, 19. Juni 1836

Samstag, 18. Juni. Gut, aber kurz geschlafen. Um halb vier Uhr wach und um halb sechs aufgestanden. Nach langer Zeit wieder einmal zum Frühstück Kaffee genommen, der mir nicht behagt. Freilich ist auch der hiesige Thee nicht der englische.

Hierauf fort in die St. Jakobskirche. Zu sagen, was da für Schätze von Gemälden sich vorfinden, scheint unmöglich: Ein toter Christus von Van Dyk. Rubens: als heiliger Georg mit seinen drei Weibern. Christus und die Ehebrecherin, von Rubens' Lehrmeister, wo, wie mir dünkt, Christus' Charakter besser getroffen ist, als in irgend einer andern Darstellung dieser Art. Eine Innigkeit in Blick und Stellung, die, bei all seiner Größe, Rubens ihm nicht abgelernt hat. Eine Versuchung des heiligen Antonius mit der Chiffre Albrecht Dürers. Vortrefflich, aber, wie mir scheint, nicht in der Manier dieses Malers. Gemalte Fenster, die ihresgleichen in der Welt nicht haben. Die Geschichte von Rudolf von Habsburg und dem Priester, von Albrecht und seiner Gattin Isabella gestiftet. Es ist ein Reichtum zum Erdrücken. Maler, größer als ihr Name, und solche, deren Name größer ist als sie. Antwerpen ist, außer den italienischen Städten, die merkwürdigste in Kunstrücksicht, weil all das weder gekauft, noch gestohlen ist, sondern hier gewachsen.


Darauf in die Citadelle. Die Belagerungsgeschichte im Detail angehört. Wenn Chassé seine Drohung erfüllt und diese Kunstsachen zerstört hätte, man müßte ihn mit den türkischen Helden in Athen in eine Reihe stellen. Darauf in die Franziskanerkirche. Die berühmte Geißelung von Rubens. Eine Kreuztragung von Van Dyk, nicht vollendet, verderbt. Der Kopf des Erlösers unübertrefflich. Am Hochaltar drei Marmorgruppen, darunter eine Jungfrau Maria, die, nicht im Stil, aber in der Lebendigkeit des Ausdrucks, nicht ihresgleichen hat. Nach Tisch auf der Eisenbahn nach Brüssel. Das Land ein Garten. Niemand fragte nach unseren Pässen.

Zu Brüssel im Hôtel de Suède abgestiegen, unsern schwedischen Reisebegleitern zuliebe. Abends noch mit Schultze die Stadt durchstreift. Einige schöne Straßen. Der Park sehr angenehm. Schöner botanischer Garten, einer Privatgesellschaft angehörig. Das Gebäude zweckmäßig und schön. Früh zu Bette.

Sonntag, 19. Juni. Gut geschlafen. Vielleicht eine Folge des vortrefflichen Bettes, das, weiß wie Schnee, das Darinliegen zu einem wirklichen Genuß machte. Um zehn Uhr zu vieren ausgegangen. Zuerst ins Museum. Ein Reichtum von vortrefflichen Sachen. Die Bekanntschaft eines Malers, wie mir wenigstens scheint, vom ersten Range gemacht. Kaspar de Crayer, von dem eine Masse ausgezeichneter Bilder hier sind. Rubens nicht besser als überall. Van Dyk sich selbst beinahe unähnlich. Sehr gute Jordaens. Ein merkwürdiger Ruysdael u. s. w., an vierhundert Stück, sehr gut erhalten. Meine Begleiter hatten weniger Geduld als ich, mußte daher die älteren Sachen ziemlich schnell abfertigen. Von ganz neuen ein nach meinem Urteil vortreffliches Stück, die Revolution von 1830 darstellend. Ich weiß kein Bild, neue Ereignisse darstellend, das ich diesem vorziehen, ja nur gleichstellen möchte, höchstens die Farbe gegen den Vordergrund zu etwas bleich, aber komponiert, gedacht, gefühlt, wie wenig. Der Meister ist wahrscheinlich in der Kunstwelt allbekannt, ich weiß ihn nicht.

Darauf in den Palast des Prinzen von Oranien. Mußten bei einer Stunde warten, bis man uns einführte, uns Pantoffel anziehen ließ und durch einige Prachtzimmer hetzte, so daß man einen Raphael, Paul Veronese, Perugino nur im Fluge sehen konnte. Der Führer vertröstete auf einen künftigen Tag, da heute der Zudrang zu groß war. Für mich gibt's hier leider keinen künftigen Tag, besonders da, wenn man auch noch einen zugeben wollte, der Montag ebenso tumultuarisch sein soll. Dann zerstreuten sich meine Begleiter, und ich besah allein das Hôtel de ville, ein imposantes Gebäude, und die Kirche St. Gudule mit den vortrefflichsten Fenstergemälden, besonders, wie mir schien, auf der rechten Seite des Presbyteriums. Meisterhaftes Schnitzwerk unter der Kanzel: Adam und Eva mit dem Apfel, Engel und Tod dabei, das schönste Laubwerk mit Vögeln und Tieren, Suchte auch eine Kirche der Notre Dame, die in Büchern gerühmt wird, konnte sie aber nicht finden, weil es drei Kirchen dieses Namens mit verschiedenen Beinamen in Brüssel gibt. Fragte mich sterbensmüde in den Gasthof zurück.

Die Stadt recht hübsch, nur unbequem wegen der Ungleichheit des Bodens. Ganz nach Pariser Sitte alle Buden am Sonntag offen.

Nach Tisch ein wenig die Stadt durchstrichen. Nahmen Abschied von unsern schwedischen Freunden, die ins Theater gingen. (Einer ist ein Graf Rosen, der andere ein Baron. Seinen Namen habe ich nicht behalten, obschon er der Liebenswürdigere war. Beide Offiziere.) Nahmen Thee. Um acht Uhr auf die Post und fort nach Lüttich. Fanden einen recht angenehmen Deutschen mit seiner Frau. Noch einen Deutschen, der besoffen war, von einem auf den andern fiel und stets zu speien drohte. Die kalte Nacht schlaflos vorübergegangen. Gegen acht Uhr Ankunft in Lüttich. Hübsche Stadt. Wenn Hoffnung gewesen wäre, jenes berühmte große Fabriksetablissement zu sehen, wären wir geblieben. Man sprach uns aber alle Hoffnung ab. Wir wollten die Sehenswürdigkeiten der Stadt betrachten, es regnete in Strömen. Da beschlossen wir, nach zwei Stunden wieder fortzufahren. Da wir nicht wußten, wo der Ort des Einsteigens war und im Thore des Posthauses stehen blieben, fuhr mit einemal der Wagen an uns vorüber, und kaum konnten wir ihn laufend einholen. Die Spitzbuben hatten, statt uns, eine ganze belgische Familie mit zwei ungerechneten Kindern aufgenommen, die nun im Wagen standen, saßen, wie es gehen wollte. Ein Engländer mit dem deutschen Namen Meyer und seine artige Frau fuhren mit. Ein Frankfurter Goldarbeiter, aufgeweckt und gescheit. Die Unterhaltung war ganz angenehm. Preußische Grenze; Paßabgabe. Endlich Aachen. Höfliche, nachahmenswürdige Behandlung auf dem Zollhause. Wir kehren im Gasthofe zur Kaiserkrone ein. Notmittagsmahl, durch eine große Flasche Rheinwein verbessert. Darauf ausgegangen. Das Rathaus besehen mit dem Krönungssaale, wo der König von Preußen in knapper Lieutenantsuniform an der ehrwürdigen Stelle hängt. Haben denn diese Diebe gar kein Schicklichkeitsgefühl. Es war zu spät, den Dom anders als von außen zu besehen. Gingen auf einen artig bepflanzten Hügel am Rande der Stadt, besahen im Abendgrauen die wunderschöne Gegend, nahmen Thee und gingen zu Bette.