Spurzheim, Johann Caspar (1776-1832) deutscher Phrenologe. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie, Band 35
Autor: Pagel, Julius Leopold (1851-1912) Mediziner und Medizinhistoriker, Erscheinungsjahr: 1893
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Johann Christoph Spurzheim, der bekannte Phrenologe, Freund und Mitarbeiter Gall’s, ist am 31. Dezember 1776 als Sohn eines Pächters zu Longwich bei Trier geboren. Er studierte seit 1791 Theologie in Trier, begab sich nach Ankunft der französischen republikanischen Armeen nach Wien, wo er 1799 das Studium der Medizin begann, wurde Hauslehrer einer vornehmen Familie, wo er den berühmten Begründer der Kranioskopie Joseph Gall (s. d.) kennen lernte, 1800 dessen Privatvorlesungen hörte und ihn seit 1804 als Sekretär und Assistent auf seinen Reisen durch Deutschland, die Schweiz, Holland und Frankreich begleitete. Doch geriet er mit seinem Lehrer später in Zwistigkeiten, trennte sich 1813 von ihm, bereiste dann allein Großbritannien und Irland und hielt phrenologische Vorlesungen zu London, Bath, Bristol, Dublin, Cork, Liverpool, Edinburg. Im Juni 1817 siedelte er nach Paris über, wo er als Arzt und Lehrer der Phrenologie eine rege Tätigkeit entfaltete und 1824 eine Wittwe heiratete, welche die Zeichnungen und mehrere Steindrücke zu seinen Werken verfertigte, aber schon zu Ende des Jahres 1829 starb. Später begab sich Spurzheim abermals längere Zeit auf Reisen, zunächst durch mehrere Städte Frankreichs, dann zu wiederholten Malen nach Großbritannien und Irland und schließlich im Juni 1832 nach Nordamerika. speziell nach Boston, wo er jedoch bereits am 10. November 1832 am Typhus starb. Spurzheim war Dr. med. der Wiener Universität (seit 1813) und der Pariser Universität (seit 1821), Licentiat des Royal College of Phys. zu London (seit 1817) und Mitglied vieler anderer gelehrter Gesellschaften. Außer dem zweifelhaften Verdienst, das er sich um die Ausbildung und Propaganda der übrigens von Spurzheim selbst später teilweise noch modifizierten Gall’schen Schädellehre hauptsächlich in England erworben hat, kommt ihm das wirkliche zu, daß infolge seiner ausgezeichneten, zum Teil mit Gall zusammen verfertigten Arbeiten, denen vorzügliche Abbildungen beigegeben waren, speziell die Kenntnis der normalen und pathologischen Anatomie des Gehirns wesentlich gefördert und bereichert worden ist. Diese Arbeiten führten schließlich dazu, daß man auch die Seelenstörungen und Geisteskrankheiten als Affectionen des Gehirns aufzufassen lernte, und so muss denn Spurzheim auch als Begründer der neueren, mehr somatischen bzw. pathologisch-anatomischen Richtung in der Psychiatrie angesehen werden. Von seinen Arbeiten – Ein vollständiges Verzeichnis seiner Arbeiten findet sich in Callisen’s med. Schriftstellerlexikon Bd. XXXII, S. 401 bis 405.