Missverstand 2.

Von drei Schlafkameraden war der eine eben am süssen Einschlummern, als der zweite zum dritten sprach: „Joachim, was soll das heissen, dass du seit am Montag nichts mehr mit mir redest, so wir doch unser Leben lang gute Freunde gewesen sind? Hast du etwas gegen mich, so sag’s.“--Der dritte erwiderte dem zweiten: „Wer mit mir nicht redet, mit dem rede ich auch nicht, mein guter Bartenstein. Wie man in den Wald schreit, so schreit’s wider.“ Darauf sagte der zweite: „So, du nennst mich mit meinem Zunamen? Ich kann dich auch mit deinem Zunamen nennen, mein guter Marbacher. Wie man in den Wald schreit, so schreit’s auch wider.“ Der dritte sagte wieder zum zweiten: „So war’s nicht gemeint, Bastian. Übrigens halte ich den Geschlechtsnamen meines seligen Vaters für keinen Schimpf. Ich hoffe, er hat dich als ein ehrlicher Mann zur Taufe gehoben.“ Darauf entgegnete der zweite: „Ich den meinigen auch nicht. Ich hoffe, deine Mutter hat einen ehrlichen Mann zum Beistand. Aber man erkennt etwas daran.“ Der dritte sagt: „Dein Vater ist ein braver Mann, der meiner Mutter mit gutem Rat redlich an die Hand geht.“ Der zweite sagt: „Dein Vater war auch ein braver Mann und hat mir viel Gutes erwiesen. Aber sie redeten miteinander.“ Der dritte fuhr gegen den zweiten fort: „Eben darum. An einem andern hätt’ es mich nicht verdrossen, dass du mir den Montag keine Antwort gabst, als ich dich zum zweiten Mal fragte, warum dich dein Meister fortgejagt hat.“ Als endlich der erste des Zwistes müde war, weil er gern hätte schlafen mögen und nicht dazu kommen konnte, fuhr er unwillig auf und sagte: „Hat jetzt euer Disputat bald ein Ende, oder soll ich aufstehen und den Wirt holen, dass er Frieden schaffe, oder soll ich’s selber tun?“ Dem erwiderte der dritte, weil er am Wort war: „Seid doch nicht wunderlich, Herr Landsmann, Ihr hört ja, wir explizieren uns nur, warum keiner von uns mit dem andern redet.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 4