62. Carl Ewert gewinnt den Zwergen einen Becher ab

Carl Ewert, ein Schäfer aus Patzig, ritt eines Tages durch die Ralswieker Berge. Ohne etwas zu ahnen, kam er an einen Hügel, auf welchem „die kleine Gesellschaft“ eben eine Hochzeit feierte. Da er nun wusste, dass die Unterirdischen in solchem Falle jedem Vorübergehenden, der sie darum bittet, einen Becher Weins geben mussten, so hielt er an und bat um einen Trunk. Einer der kleinen Leute brachte denn auch einen prachtvollen silbernen Becher, der bis zum Rande mit funkelndem Weine gefüllt war, und reichte ihn Carl Ewert dar. Kaum aber hatte dieser das kostbare Gefäß in der Hand, so schoss es ihm wie ein Blitz durch den Kopf: „Der Becher muss dein werden!“ Indem er sich so stellte, als ob er trinke, gab er plötzlich seinem Pferd die Sporen, und dieses rannte in großen Sprüngen von dannen. Die Zwerge waren im ersten Augenblicke so bestürzt, dass sie gar nicht wussten, was sie machen sollten, aber das dauerte nur kurze Zeit: dann befahl der König dem Läufer: „Eile dem Diebe nach und bringe ihn tot oder lebendig zur Stelle!“ Der Läufer war zwar auch nur ein kleines Männchen, wie alle anderen Zwerge, ja er hatte sogar nur ein Bein, aber laufen konnte er ganz furchtbar, und das schnellste Pferd einzuholen, war für ihn eine Kleinigkeit. Dieser setzte also dem diebischen Carl Ewert nach und war ihm auch bald dicht auf den Fersen. Die Zwergschar aber rief mit lauter Stimme hinterher:

Vierbeen loop;
Eenbeen kriegt di.


So ging es in wildem Laufe durch das Dorf, und schon glaubte sich Carl Ewert verloren, da sah er plötzlich die Mauer des Gutshofes vor sich. Er spornte sein Ross aus Leibeskräften an, und dieses setzte denn auch glücklich über die Mauer. Dadurch war Carl Ewert mit seiner Beute geborgen; aber der Läufer war doch so dicht hinter ihm gewesen, dass er seinem Pferd den ganzen Schwanz ausgerissen hatte.

Mündlich aus Bergen.