105. Mädchen in Hasengestalt.

In Trent lebte früher ein Mädchen, welches von seiner Großmutter einen Hexenriemen geerbt hatte; so. bald es den Riemen umschnallte, konnte es sich in einen Hasen verwandeln. In dieser Gestalt hatte sie schon oft einen in der Nähe wohnenden Förster geäfft; denn alle Schüsse, die derselbe auf den vermeintlichen Hasen abgegeben hatte, waren von dem Fell desselben abgeprallt. Da merkte er denn, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehe, und lud daher einen Sargnagel, den er sich zu verschaffen wusste, in seine Flinte; als er das nächste Mal den Hasen wiedersah, traf er ihn in einen Hinterlauf. Im selben Augenblick aber verschwand der Hase, und an seiner Stelle stand das Mädchen vor ihm, welches ihn unter Tränen um Hilfe bat, da sie am Fuße schwer verletzt wäre. Um das Mitleid des Försters zu erregen, gestand sie ihr Unwesen ein und versprach auch, in Zukunft keinen Gebrauch mehr davon zu machen. Eine Zeit lang hielt sie ihr Versprechen; kaum aber war der Fuß besser geworden, so fiel sie in ihr altes Laster zurück. Auf dem nahe gelegenen Gute Zubzow diente nämlich ihr Bräutigam als Futterknecht, und um diesen recht oft und ungestört besuchen zu können, nahm sie ihren Riemen fleißig zur Hand. Der Bräutigam hatte keine Ahnung davon, und als seine Braut eines Tages an seiner Seite als Hase erschien — da sie noch nicht Zeit gehabt hatte, menschliche Gestalt anzunehmen — schlug er mit einer Wassertrage nach ihr. Sie vergoss infolgedessen viel Blut und gestand ihrem Bräutigam unter Tränen, wie es um sie stände. Da löste dieser das Verhältnis zu ihr; das Mädchen aber blieb lahm bis an ihr Lebensende. Der Hexenriemen soll später auf dem Grabhügel der Großmutter eingegraben worden sein.

Mündlich aus Trent.