14. Der Nachtjäger auf Rügen.

Der Nachtjäger, auch wilder Jäger genannt, treibt in gewissen Gegenden allnächtlich sein Unwesen. Von zahlreichem Gefolge umgeben, reitet er mit lautem Hallo, mit Kreischen und Pfeifen, unter Hundegebell, Peitschen. knallen und Pferdegetrappel durch die Lüfte dahin. Dem einsamen Wanderer ruft er zu:

Hallo! Hallo!
Holl den Middelweg,
Holl den Middelweg!


Doch sieht man den Nachtjäger niemals ganz in der Nähe; gewöhnlich ist er nur in einiger Entfernung, und dann auch nur wie in Nebel gehüllt, sichtbar. Wer des Nachts auf einsamer Landstraße wandert und das Herannahen des wilden Jägers wahrnimmt, muss sich vor allen Dingen in Acht nehmen, ein Liedchen zu pfeifen. Dadurch wird der Nachtjäger angelockt und zu dem Glauben gebracht, der Wanderer wolle an seiner nächtlichen Fahrt teilnehmen. Ferner muss man sich hüten, die Vordertür und Hintertür des Wohnhauses offen zu lassen. Sonst kommt der wilde Jäger, fliegt zu der einen Tür hinein und auf dem entgegengesetzten Ende wieder heraus, und was er dabei im Fluge erhascht, führt er mit fort. Besonders gerne nimmt er ungetaufte Kinder mit sich fort, wenn sich solche im Hause befinden; denn das ist seine liebste Beute. In der Regel treibt der Nachtjäger sein Unwesen auf öden Bergen und in unwegsamen Heiden. So soll er auf den Ralswieker Heidebergen allnächtlich zu treffen sein. Die Bewohner von Prißvitz haben ihn oft genug des Nachts in Gestalt eines Drachen mit langem, feurigen Schweife in der Richtung auf Ralswiek zu dahinjagen sehen.

Mündlich aus Ralow.