Wie Radlauf den Küchenzettel macht und der schwarze Hans dabei sein will. ...

Wie Radlauf den Küchenzettel macht und der schwarze Hans dabei sein will.

Kaum war Radlauf in der Küche, als er ein hübsches Feuer auf dem Herd machte und alles Geschirr recht reinlich ausscheuerte, wobei er sich immer besann, was er für Lieblingsgerichte aufschreiben sollte; aber es wollte ihm auch gar nichts anderes einfallen als gebrannte Mehlsuppe und Rühreier, denn er hatte sein Lebtag nichts anders gegessen und kannte auch kein anderes Gericht.


Unter diesen Geschäften und Sorgen horchte er dann und wann nach der Türe hin, ob die Prinzessin etwa schon auf der andern Seite ihre Lieblingsspeisen daran schreibe; aber er vernahm noch nichts; sie schien beschäftigt sich umzukleiden.

Mit allem war er nun bereit, nur besann er sich noch immer auf irgend eine andere Speise und rieb sich die Stirne, indem er auf und ab ging. Er hatte aber am Fenster einen zahmen Star im Vogelbauer hängen, den er trotz langer Bemühung noch nicht hatte sprechen lehren können, wenngleich der Vogel eine besondere, ja beinah menschliche Klugheit verriet; als er nun den guten Vogel ganz tiefsinnig auf seiner Stange sitzen sah, als ob er sich auch auf einen Küchenzettel besänne, fragte er ihn, wie er gewöhnlich pflegte, wenn er seine Mahlzeit zubereitete:

Schwarzer Hans, du meine Freude!
Was kocht der weiße Müller heute?

Da antwortete der Star zum erstenmal, aber mit sehr trauriger Stimme:

Gebranntes Mehl und Rührei,
Der schwarze Hans ist auch dabei!

„Wohlan, so soll es auch dabei bleiben“, rief Radlauf aus, voll Freude, daß sein Vogel zum erstenmale gesprochen. Fröhlich ging er zum Vogelbauer, streute schönen Weizen hinein und füllte das Tröglein mit frischem Wasser; aber Hans blieb immer traurig, er wollte nicht fressen und nicht saufen; das Herz schlug ihm, als wenn er einer Katze gegenübersäße, und die Flügel ließ er hängen wie ein Leichenbitter. Radlauf konnte gar nicht begreifen, was den Vogel nur so betrüben möge. Endlich dachte er: er ist vielleicht erschrocken, als ihm auf einmal der Verstand aufgegangen und die Sprache gekommen, nun weiß er jetzt seines Studierens kein Ende, weil er vor lauter Gedanken gar nicht weiß, was er zuerst sagen soll. Um ihn ein wenig aufzumuntern, sprach er zu ihm:

Friß und sauf und bade dich
Und pfeife eins, Hans ohne Sorgen,
Weil ich zum Schmause lade ich;
Hast du kein Geld, ich will dirs borgen.

Worauf ihm aber der Star noch viel betrübter antwortete:

Was hilfts, wenn ich viel fresse,
Es ist mein Leichenschmaus;
Mich speist doch die Prinzesse,
Denn meine Zeit ist aus.

Was hilfts, wenn ich viel saufe,
Es ist mein Sterbetrunk;
Dem Tod ich nicht entlaufe,
Mich ißt ihr roter Mund,

Was hilfts, wenn ich viel bade
Mein Trauermäntelein;
Ich sterb heut ohne Gnade,
Ich muß gefressen sein.

Dabei legte er den Kopf ganz betrübt auf sein Freßtröglein, als wollte er ihn abgehackt haben. Radlauf bemitleidete ihn herzlich und machte ihm den Bauer auf und das Fenster, damit er sich eine Bewegung machen möge; denn er glaubte, er sei von vielem Studieren und Einsitzen so tiefsinnig geworden. Indem hörte er die Prinzessin mit der Kreide an der Türe schreiben, und schnell sprang er mit seiner Kreide auch an die Türe; sie schrieb von außen und er schrieb von innen, und sie schrieb noch lange, als er längst fertig war. Endlich machte sie die Türe auf und sprach; „Jetzt will ich lesen, was ich alles aufgeschrieben; wenn du es nicht hast, so gieb mir ein Zeichen.“ Da las sie:

„Gebackene Pflaumen von Wolfenbüttel?“

Der Müller mit dem Kopf schüttelt.

„Ein verzuckerter Schweinskopf?“

Der Müller schüttelt mit dem Kopf.

„Eine Schneckenleber-Pastete?“

Der Müller mit dem Kopf drehte.

„Ein vergoldetes Kalbshirn?“

Der Müller schüttelt mit der Stirn.

„Lämmerschwänzchen in Honig gebacken?“

Der Müller schüttelt mit den Backen.

„Ein kandierter Wasserhase?“

Der Müller schüttelt mit der Nase.

Endlich sagte sie:

„Gebrannte Mehlsuppe und Rührei?“

Der Müller sprach: „Es bleibt dabei.“

Dann las die Prinzessin noch:

„Einen frischen Starenbraten?“

Der Müller sprach: „Ach ja, Ihr Gnaden!“

und die Tränen liefen ihm in die Augen, denn der Star sprach einmal übers anderemal laut und vernehmlich, aber mit sehr betrübter Stimme dazu: „Der schwarze Hans ist auch dabei“; und Radlauf merkte wohl, daß der gute Vogel vorausgefühlt haben müsse, daß ihn die Prinzessin aufessen werde. Warum er das wußte und wie er es wußte und wozu es gut war, daß es geschah, das wußte damals kein Mensch und kein Star; vielleicht wird es im Fortgang dieser Märchen noch einmal bekannt. So viel ist gewiß, daß Radlauf wohl fühlte, er könne der Prinzessin keine Einwendung machen, so leid es ihm auch tat, den schwarzen Hans zu schlachten; denn er hatte ihr geschworen, alles, was in seinem Vermögen sei, für sie als Speise anzurichten, so sie es begehrte. Er verbeugte sich demütig vor der schönen Ameleya und sagte: „Sogleich werde ich die Ehre haben, Euer Holdseligkeit zu bedienen“, und somit zog er die Küchentüre wieder zu.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rheinmaerchen