Am 10. war das Fest des Kaisers,

Am 10. war das Fest des Kaisers, und ich borge zu dessen Beschreibung die Worte des Herrn von Kotzebue, I, Seite 167.

»Den 11. September. Zur Feier des Namenstages des Kaisers gab Herr Kriukow gestern der ganzen Equipage am Lande ein Mittagsmahl, und nachmittags begaben wir uns in eine große unterirdische Wohnung, wo eine Menge Aleuten zum Tanz versammelt waren. Ich glaube gewiß, daß ihre Spiele und Tänze in früherer Zeit, als sie noch im Besitz ihrer Freiheit waren, anders gewesen sind als jetzt, wo die Sklaverei sie beinahe zu Tieren herabgewürdigt hat und wo dieses Schauspiel weder erfreulich noch belustigend ist. Das Orchester bestand aus drei Aleuten mit Tamburins, womit sie eine einfache, traurige, nur drei Töne enthaltende Melodie begleiteten. Es erschien immer nur eine Tänzerin, welche ohne allen Ausdruck ein paar Sprünge machte und dann unter den Zuschauern verschwand. Der Anblick dieser Menschen, welche mit traurigen Gebärden vor mir herumspringen mußten, peinigte mich, und meine Matrosen, welche sich ebenfalls gedrückt fühlten, stimmten, um sich zu erheitern, ein fröhliches Lied an, wobei sich zwei von ihnen in die Mitte des Kreises stellten und einen Nationaltanz aufführten. Dieser rasche Übergang erfreute uns alle, und selbst in den Augen der Aleuten, welche bis jetzt mit gebückten Häuptern dagestanden, blitzte ein Strahl der Freude. Ein Diener der Amerikanischen Kompanie (Promischlenoi), welcher als rüstiger Jüngling sein russisches Vaterland verlassen und in dieser Gegend alt und grau geworden war, stürzte jetzt plötzlich zur Türe herein und rief mit gefalteten, zum Himmel erhobenen Händen: ›Das sind Russen, das sind Russen! O teures, geliebtes Vaterland!‹ Auf seinem ehrwürdigen Gesichte lag in diesem Augenblick der Ausdruck eines seligen Gefühles; Freudentränen benetzten seine bleichen, eingefallenen Wangen, und er verbarg sich, um seiner Wehmut sich zu überlassen. Der Auftritt erschütterte mich; ich versetzte mich lebhaft in die Lage des Alten, dem seine im Vaterlande glücklich verlebte Jugend jetzt in schmerzlicher Erinnerung vor die Seele trat. In der Hoffnung, im Schoße seiner Familie ein sorgenfreies Alter genießen zu können, war er hergekommen und mußte nun wie viele andere in dieser Wüste sein Leben enden.«


Die Russisch-Amerikanische Handelskompanie weiß durch Geldvorschüsse, die sie denen leistet, welche unternehmenden Geistes sich unter solchem Verhältnisse ihrem Dienste widmen, sie unter ihrem Joche zu erhalten. Dafür ist gesorgt, daß sie die Schuld zu tilgen nimmer vermögend werden, und, wie Friedrich vor seinem Militär gesagt haben soll: »Aus der Hölle gibt es keine Erlösung.«

Wir hatten Wasser eingenommen, die Arbeiten waren vollendet, und alles war am 13. September 1816 bereit, am andern Morgen mit Tagesanbruch die Anker zu lichten. Die Nacht brach ein, und Eschscholtz, der in die Berge botanisieren gegangen war, blieb aus und kam an das Schiff nicht zurück. Ich werde, sollte ich auch der Gefahr mich aussetzen, albern zu erscheinen, von der einzigen Begebenheit Meldung tun, wobei ich auf der ganzen Reise in Gefahr geschwebt zu haben mir bewußt bin. Kein Mensch hat Notiz davon genommen, kein Mensch hat es mir gedankt, und hier ist zum ersten Male die Rede davon. Der Kapitän beorderte mich mit etlichen Matrosen und Aleuten, den Doktor im Gebürge zu suchen, wo er sich beim Botanisieren verirrt haben mußte. Ich begehrte, daß uns ein paar Pistolen mitgegeben würden, um Signalschüsse machen zu können; es ward aber nicht beliebt. Ich führte meine Leute zu dem Absturz hin, der in den Bergkessel hinaufführte, den ich durchsuchen wollte. Die Matrosen meinten, man könne da nicht hinaufklettern. Als ich aber, der ich diesen Paß gut kannte, oben war, folgten mir alle, und wir erreichten von der innern Seite auf sanfterem Abhange die Felsenzinnen, deren Kamm ich verfolgen wollte. Da erscholl vom »Rurik« ein Kanonenschuß, der uns zurückrief. Ich überließ es nun meinen Aleuten, uns den richtigsten Weg von der Höhe, die wir erreicht hatten, zum Strande zu führen. Ich ward zu einer Schlucht geführt, die, vom schmelzenden Schneewasser eingerissen, von dem höchsten Felsenkamme, worauf wir standen, steil, fast senkrecht zum Meere abfiel. Ich nahm, wie sich's gebührt, die Vorhut, und einzeln, wie auf einer Leiter, folgten mir die andern nach; daß Steine rollten, war nicht zu vermeiden; wie in pechfinsterer Nacht ich und meine Leute, wir alle mit heiler Haut hinuntergekommen sind, habe ich später nicht begreifen können, wann ich zu dieser Schlucht hinaufgeschaut habe. Als ich mit den Matrosen am Bord anlangte, war der Doktor schon lange da, ich konnte ruhig zu Bette gehen; ich schlief noch, als wir den 14. September 1816 schon unter Segel waren.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise um die Welt