Vorrede.

Seit einigen Jahren schon ward das Bedürfnis eines Reisebuchs für das Berner-Oberland von Inländern und Ausländern öfter zur Sprache gebracht. So Mancher, der namentlich von Bern aus das schöne Gelände bereisen will, wünscht einen Wegweiser in die Hand; und so Mancher, der zurückkommt, verlangt nach einem Erinnerungsbuche, das auch in der Ferne noch die Seenen ihm wiedergebe, deren er in lebendiger Anschauung sich so innig gefreut. Es war natürlich, daß man am ehesten von einem Berner solch ein Werk erwartete; weil die Leichtigkeit eines öftern Besuches, eines bequemen Verkehrs mit den Bewohnern, und näherer Forschungen über einzelne Umstände jeder Art dem Berner ja möglich machten, das Land genauer und ausführlicher zu beschreiben, als selbst ein Ebel, trotz seinem ruhmwürdigen Fleiße, vielleicht hätte thun können.

Zwar gab es einige ältere Anweisungen zu jener Reise, welche sehr gute Dienste leisteten; aber sie waren im Buchhandel vergriffen, und wohl Manchem würden sie jetzt viel zu mangelhaft scheinen, seit man in der Lesewelt an so vortreffliche Reisebücher gewöhnt ist, wie sie seit Erscheinung jener Schriften recht häufig herausgekommen sind. Wir haben in der Einleitung die ältern litterärischen Hülfsmittel zur Oberländer-Reise kürzlich benannt und beurtheilt. Im Jahr 1814 endlich gab Herr Kunstmahler König durch seine Reise in die Alpen eine neue zweckmäßige Wegweisung, die schon umfassender, und durch schätzbare Eigenschaften bey sehr billigem Preise dem gefühlten Bedürfniß in hohem Grade angemessen war. Es zeigte sich aber gerade durch sein Buch in winkereicher Kürze, wie viel zu beschreiben, zu erörtern, zu genießen noch vorhanden wäre, wenn dem Geschäfte mehr Zeit und Aufwand gegönnt werden könnte. Der Wunsch nach bequemen Karten und einigen merkwürdigen Ansichten blieb vollends noch unbefriedigt; und für denjenigen, der nicht selber sich hinverfügen kann, war alles wiederum viel zu gedrängt bezeichnet worden.


Es läßt also sich hoffen, das hier erscheinende Werk sey durch kein früheres überflüßig, so gern es auch nach einem spätern und bessern sich dafür bekennen wird. Der Verfasser hätte zwar gewünscht noch 2 bis 3 Jahre mit dem Drucke zu warten, und dann etwas Befriedigenderes herauszugeben; allein die stürmischen Zeitwechsel in Europa gebieten, daß ein Unternehmen, welches auf Friedens-Zeiten und auf zahlreiche Besuche von Fremden in unserer Schweiz berechnet seyn muß, nicht fürder verschoben werde, da nun ein Ruhestand wenigstens für den Augenblick eingetreten ist, und der Zufluß von rathbedürftigen Reisenden, welche lange waren zurückgehalten worden, gerade jetzt am reichlichsten sich zu ergießen beginnt. Auch dürfen wir uns schmeicheln wenigstens so viel Nützliches und Angenehmes schon darzubieten, daß man uns nicht ganz einer unreifen Ausführung des gereiften Planes bezüchtigen werde. Durch wiederholte Reisen und eigene Anschauung ist die Grundlage dieses Werkes gelegt worden. Alsdann gaben neuerschienene Schriften wie eben die von König, Und das treffliche Voyage pittoresque de l'Oberland von Stapfer einen schönen Zuwachs des gesammelten Stoffes. Endlich kamen reichliche und höchst erwünschte Mittheilungen von verschiedenen Seiten und von so achtungswerthen Händen uns zu, daß wir schon nach diesen allein nicht wenig Theilnahme uns verheißen konnten. Fast bin ich verlegen, wo ich hier anfangen solle zudanken, wenn ich Alles übersehe, was durch Gönner und Freunde zu meinem Werke mir beygesteuert worden. Doch billig ehre ich zunächst den Veteran unserer Alpenschilderer und Alpen-Naturforscher, Herrn Pfarrer Wyttenbach an der Heiligengeist-Kirche zu Bern, von dessen Belesenheit und eigener Beobachtung häufigen Gebrauch zu machen durch seine freygebigen Belehrungen mir auf das gütigste gestattet ward. Herr Professor Meisner, zweymal mein Reisegefährte im Oberland, hat ebenfalls mich mannigfaltig begabt. Die Herren Professoren Studer und Trechsel trugen namentlich zur Verbesserung der Karten auf das wohlwollendste bey. Herr Oberförster Kasthofer, trefflich bewandert in den Eigenthümlichkeiten unseres Alpenlandes, gewährte mir selbst mehr, als ich benutzen konnte, wenn ich die naturgeschichtlichen Parthieen des Werkes nicht zu sehr wollte anwachsen lassen. Von Hrn. Siegmund v. Wagner kamen mir erwünschte Notizen und Winke aller Art. Endlich die verehrten Herren Pfarrherren in den oberländischen Thälern selbst, Herr Pfarrer Immer in Unterseen, Lutz in Gsteig, Weber in Lauterbrunnen, Lehmann in Grindelwald, Käsermann in Meyringen, und Bullinger zu Hasli im Grund haben mit zahlreichen, bald schriftlichen, bald mündlichen Nachrichten, Aufschlüssen und Angaben, die ich nicht genug verdanken kann, meine Arbeit auf das Gefälligste unterstützt, und so viel Anziehendes mir mitgetheilt, daß ich auch hier, — wenn meiner eigenen Auffassung noch Raum bleiben sollte, — nicht jede Beysteuer aufzunehmen im Stande war.

Noch muß ich einiger handschriftlichen Sammlungen, besonders zur Schilderung von Lauterbrunnen und Grindelwald gedenken, welche mir durch die Güte von Hrn. Professor Studer aus dem Nachlasse seines sel. Bruders, Herrn Amtschreibers Gottlieb Studer zu Langnau, mit zuvorkommender Dienstfertigkeit und zu sehr gutem Gebraucht überlassen wurden.

Ist nun trotz all dieser ausgezeichneten Hülfsleistungen mein Buch noch immer unvollkommen, so beweist das, wie ganz unerschöpflich der Gegenstand desselben sey, und über wie viele Dinge noch Unwissenheit oder Zweifel walte. Ich habe deswegen absichtlich nicht eine Beschreibung, sondern eine Reise gegeben. Jene schien mir noch immer viel zu viel zu versprechen; diese dagegen erlaubte mir, da zu schweigen, wo ich gar nichts wusste, nicht selbst gesehen hatte, nicht hinreichend unterrichtet war, oder zwischen ungewissen Angaben noch nicht ins Klare gekommen. Es lag mir am Herzen, richtig, umständlich, und wo möglich auch gefällig zu werden in meinen Darstellungen. Ich wollte nicht dem Gelehrten insbesondere, und noch weniger ihm allein von Nutzen seyn; aber ich wollte auch nicht mit seichter Scheu vor allem, was man trocken heißt, in Oberflächlichkeit verfallen. Während ich also beyden, dem Gelehrten und dem Ungelehrten ansprechend schreiben wollte, bin ich freylich, wie zu geschehen pflegt, wenn man zweyen Herren dient, wohl mitunter dem Einen zu breit und zu üppig geworden, in Schilderungen, welche nicht lehrreich sind; — und dem Andern zu geschwätzig in Erörterungen von Gegenständen, die zunächst nur den Mann eines gewissen Faches festhalten können. Dergleichen begegnet, wenn man es Allen treffen will; man trifft es Keinem ganz. Aber ich wäre zufrieden, wenn ich nur jedem es halb getroffen, und wenn jeder die Mühe, so Vieles zu durchlesen, für hinreichend belohnt schätzte.

Daß in gelehrter Rücksicht einige Lieblingsmaterien vorzüglich herausgehoben sind, wird um so mehr zu entschuldigen seyn, da manche derselben, wie z. B. die Bergnamen, viele Sagen, und die Mythologie der Alpen noch sehr wenig berührt worden sind, während sie doch ein neues Gebiet von Unterhaltung eröffnen, das im gegenwärtigen Augenblick, bey der auflebenden Theilnahme für das Altdeutsche, wohl größere Theilnahme finden dürfte, als sonst freylich der Fall seyn könnte.

Den Gebrauch unseres Buches und den Ankauf selber wird es hoffentlich erleichtern, daß der Verleger, nicht ohne die Vermehrung seiner Kosten, die Veranstaltung getroffen, den Reisenden allenfalls nach ihrem Wunsch entweder die Reise oder die Karten sammt den größern Ansichten vereinzelt ablassen zu können. Zwar beziehen sich beyde nicht selten aufeinander, denn beyde kamen in der nämlichen Zeit und für den nämlichen Zweck zu Stande. Doch ist das Buch mehr dem Lesen vor Antritt der Reise, und der allfälligen Wiederholung, oder einer gefälligen Lektur für solche gewidmet, die nicht selbst das Land durchwandern. Es mag auch denen besonders nützlich seyn, welche sich längere Zeit zu Interlachen aufhalten, und von dort aus stückweise die Gegenden besuchen, von denen es handelt. Der kleine Atlas hingegen soll mehr an Ort und Stelle während der Reise selbst seine Dienste thun, damit man sich Schritt für Schritt orientiren, und besonders die Namen, auf die wir vielen Fleiß verwendeten, sich mit gehöriger Richtigkeit merken könne. Zugleich hat man ihm einige lange Blätter zum Ausziehen beygefügt, welche nicht bequem in das Werk selber sich hätten binden lassen, und dort auch eher vielleicht wären beschädigt worden. Ein Text wird ganz in der Kürze über all diese Stücke bey dem Taschen-Atlas selbst das Gehörige weiter berichten.

Für einige Wiederholungen in dem Buche, und für einige Correctur-Versehen müssen wir um Verzeihung bitten. Es ist erlaubt, sagt Horaz, daß über einem langen Werke zuweilen den Verfasser ein Schlaf beschleicht. Wenn sich die Weitläuftigkeit des Ganzen völlig hätte voraussehen lassen, und nicht viel des Stoffes erst über der Ausarbeitung daher gekommen wäre, so würde die Einleitung um ein paar Bogen kürzer ausgefallen seyn, und manche herbeygezogene, wenn auch anziehende, Bemerkungen verschiedener Schriftsteller dem Leser erspart haben. Es ist indessen dem Verfasser eines so großen Werkes verzeihliche Schadloshaltung, wenn er sich erlaubt an fremden bessern Gedanken für das viele Selbstgemachte, dessen er satt wird, eine kleine Vergütung zu nehmen, die am Ende auch den Leser vor Eintönigkeit in Styl und Ansicht schützen hilft.

Daß man der Rechtschreibung hie und da kleine Vorwürfe zu machen finde, kann bey den schwankenden Regeln derselben wohl verzeihlich heißen: einigemal hat alte Gewohnheit über bessere Theorie wider meinen Willen gesiegt. In einzelnen Ausdrücken oder Redensarten mag auch etwas Schweizerisches und Oberdeutsches unabsichtlich entwischt seyn; in andern jedoch ist dergleichen mit Vorsatz aufgenommen worden. Die Büchersprache darf nicht erstarren; sie muß bereit seyn Neues aufzunehmen, und besser nimmt sie es wohl aus bestehenden Mundarten, als von der Laune nicht allzuglücklicher Verschlimmbesserer der Sprache, die täglich mit frischen Ausgeburten sie zu bereichern streben. Uebrigens ist jede Sprache der Spiegel ihres Volkes und seiner Umgebungen, also daß es am leidlichsten ist, wenn Schweizerworte die Schweizernatur schildern helfen.

Von den Kupfern zu diesem Werke habe ich nichts zu bemerken, als daß sie sämmtlich neu an Ort und Stelle gezeichnet sind, und keine Nachbildung älterer liefern. Um selbst den Schein davon zu vermelden, hat man bekannte Gegenstände, wie den Staubbach und die Jungfrau gänzlich übergangen, oder hat solche, wenn auch aus einem minder günstigen, so doch aus einem noch unbenutzten Standpunkte aufgenommen, welches z. B. mit dem untern Grindelwald-Gletscher der Fall seyn dürfte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise in das Berner-Oberland. Band 1