Reise durch Persien - Erster Teil

Autor: Pierre, Loti (1850-1923) französischer Marineoffizier und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1900

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reisen, Orient, Persien, Moscheen, Paläste, Asien, Karawanen, Wüste, Kamele, Arabien, Araber, Perser, Maultiere, Maultiertreiber, Barke, Iran, Rosenblüte
Inhaltsverzeichnis
  1. Erste Fortsetzung
Vorspiel

Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan sehen will, der entschließe sich, langsam in Etappen an meiner Seite zu wandeln, so wie im Mittelalter.

Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan sehen will, der mache sich gefasst auf die Gefahren eines Rittes über unwegsame Pfade auf stürzenden Pferden und auf das Gewirre der Karawansereien, wo man übereinander geschichtet in einer Nische aus gestampftem Lehm zwischen Mücken und Ungeziefer schläft.

Wer mit mir kommen und in ihrer trübseligen Oase, inmitten ihrer Felder von weißem Mohn und ihrer Gärten von roten Rosen die alte Stadt der Ruinen und der Mysterien, mit allen ihren kleinen Kuppeln, ihren blauen Minaretts von unwandelbarer Glasur aufsteigen sehen will, wer mit mir kommen und Ispahan unter dem schönen Maienhimmel sehen will, der bereite sich vor auf lange Märsche, in der sengenden Sonne, bei den rauen kalten Winden der höchsten Regionen, über diese Hochländer Asiens, die hochgelegensten und ausgedehntesten der Welt, die einst die Wiege der Menschheit waren, heute aber in Wüsten verwandelt sind.

Wir reiten vorüber an Phantomen von Palästen aus mausgrauem Kiesel, dessen Gestein dauerhafter und feiner ist als das des Marmors. Dort wohnten einstmals die Herren der Erde, und an ihrem Eingang wachen seit mehr als zweitausend Jahren Kolosse mit großen Flügeln, von der Gestalt eines Stieres, dem Antlitz eines Menschen und der Tiara eines Königs. Wir reiten vorüber, aber hinfort sehen wir nichts als das unendliche Schweigen der blühenden Gräser und der grünenden Gerste.

Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan sehen will, der mache sich gefasst auf unermessliche Ebenen, so hoch gelegen wie die Gipfel der Alpen, bekleidet mit niedrigen Kräutern und seltsamen bleichen Blüten, wo nur hin und wieder ein aus taubengrauem Lehm erbautes Dorf auftaucht, mit seiner kleinen baufälligen Moschee, deren Dom von entzückenderem Blau ist, als das eines Türkis, wer mir folgen will, der füge sich in eine lange Reihe von Tagen, deren Einsamkeit und Eintönigkeit nur von Luftspiegelungen unterbrochen wird.

                Unterwegs - Dienstag, 17. April. 18..

In der Dämmerung liegt unser Nomadengepäck ausgebreitet auf der Erde, durchnässt von dem Sprühregen, trostlos anzuschauen. Der Wind fegt unter den sich hochauftürmenden drohenden Wolken dahin. Die weiten Sandflächen, in die wir uns jetzt auf gut Glück hineinstürzen sollen, heben sich hell vom Horizont ab; die Wüste ist weniger dunkel als der Himmel.

Eine große Segelbark, die wir in Bender-Bouchir geheuert haben, wirft uns hier an der Schwelle der Einsamkeiten aus, auf das glühende Ufer des Persischen Golfes, wo Menschen aus unserem Klima die fiebergeschwängerte Luft kaum atmen können. Und hier ist der Ausgangspunkt, wo sich gewöhnlich die Karawanen bilden, die nach Chiraz und Mittel-Persien aufsteigen sollen.

Wir waren vor ungefähr drei Wochen auf einem Schiff von Indien fortgefahren, das uns jetzt langsam an der Küste entlang vorwärts trägt, indem es sich auf den schweren und heißen Gewässern dahinschleppt. Und seit mehreren Tagen sehen wir am nördlichen Horizont eine Art endloser Mauer, die, bald blau, bald rosa, uns zu folgen scheint, und die auch an diesem Abend sich vor uns aufgetürmt hat. Der Rand Persiens, das Ziel unserer Reise, das, zwei- oder dreitausend Meter über dein Meeresspiegel, in den ungeheuren Höheflächen Asiens ruht.

Der erste Empfang auf persischem Boden war für uns kein freundlicher: Als wir von Bombay ankamen, wo die Pest wütete, mussten mein französischer Diener und ich dort fünf Tage in Quarantäne liegen, allein auf einer sumpfigen kleinen Insel; eine Barke brachte uns jeden Abend die nötigen Lebensmittel, die uns vor dem Hungertode schützen sollten. In einer Backofenhitze, inmitten der Qualen des heißen Sandes, den uns das benachbarte Arabien sandte, inmitten der rätselhaften Winde, mussten wir lange dort leiden. Tagsüber von der Sonne zu Boden gedrückt, mit Bremsen und giftigen Fliegen bedeckt, nachts die Beute ungezählten Ungeziefers, das das Gras verpestete.

Als wir endlich in Bender-Bouchir, der Stadt der Trauer und des Todes, mit ihren verfallenen Mauern, mit ihrem unheilvollen Himmel, einziehen durften, trafen wir in aller Eile unsere Vorbereitungen, kauften Lagergegenstände, mieteten Pferde, Maultiere, Maultiertreiber, die, um wieder mit uns zusammenzutreffen, heute morgen aufbrechen mussten; sie hatten eine Bucht zu umschreiten, wir aber schnitten zu Wasser eine ganze Ecke ab, um auf diese Weise einen Marsch in der glühenden Sonnenhitze zu vermeiden.

So haben wir uns also an der Schwelle der Wüste niedergelassen, gegenüber einem ganz verfallenen Dorf, wo die Leute in Lumpen gehüllt auf Mauertrümmern hocken und rauchen und unserem Treiben zuschauen.

Lange Unterredungen mit unseren halbnackten Schiffern, die uns auf ihren triefenden Schultern ans Land getragen haben, denn die Barke musste wegen der Sandbänke ungefähr hundert Meter vom Ufer entfernt liegen bleiben. Lange Unterredungen mit dem Ortsvorsteher, der von dem Gouverneur von Bouchir den Befehl erhalten hat, mir eine berittene Begleitmannschaft zu stellen, und schließlich mit einem „Tcharvadar" (dem Anführer meiner Karawane), dessen Pferde und Maultiere hier sein sollten, die aber nicht ankommen.

Pierre, Loti (1850-1923) französischer Marineoffizier und Schriftsteller 1892

Pierre, Loti (1850-1923) französischer Marineoffizier und Schriftsteller 1892

Nasr-ed-din Schah (1831-1896) König von Persien

Nasr-ed-din Schah (1831-1896) König von Persien

Persien 09 Medrese des Schah Hussein zu Isfahan

Persien 09 Medrese des Schah Hussein zu Isfahan

Persien 112 Perser und Perserin

Persien 112 Perser und Perserin

Persien 102 Ruinen von Sultanie

Persien 102 Ruinen von Sultanie

Persien 256 Schiraser und Schiraserin

Persien 256 Schiraser und Schiraserin

Persien, 16 persische Landstraße

Persien, 16 persische Landstraße

Persien 186 Ein Teil des Hauptplatzes Mejdani Schah in Isfahan

Persien 186 Ein Teil des Hauptplatzes Mejdani Schah in Isfahan

Persien 225 Das Mausoleum von Maderi Szulejman

Persien 225 Das Mausoleum von Maderi Szulejman

Persien 238 Ruinen von Persepolis

Persien 238 Ruinen von Persepolis