Erste Fortsetzung

Von allen Seiten der weite Raum, den der Wind bewegt, der Raum der Wüste oder des Meeres. Und wir befinden uns ohne Schutz, unser Gepäck liegt zerstreut auf dem Boden. Und der Tag erlischt langsam über unserer Verwirrung.

Einige Tropfen Regen. Aber in diesem Lande achtet man nicht darauf; man weiß, dass es nicht regnen wird, dass es nicht regnen kann. Die Leute, die rauchend auf den Ruinen saßen, haben soeben ihr Moghreb Gebet gesprochen, und die Nacht sinkt herab, Unheil verkündend.


Wir warten auf unsere Tiere, die noch immer nicht kommen. In der Dunkelheit tönen von Zeit zu Zeit die Glöckchen zu einem Glockenspiel zusammen, und jedesmal flößen sie uns Hoffnung ein. Aber nein, es ist irgendeine fremde Karawane, die vorüberzieht: zu zwanzig oder dreißig, die Maultiere streifen uns; um sie daran zu verhindern, unser Gepäck und uns selbst zu zertrampeln, schreien unsere Leute — und alsbald verschwinden sie, dem fernen Nebel entgegen. (Wir sind hier am Eingang zu der Straße von Bouchir nach Ispahan, einer jener großen Straßen Persiens, und dieser kleine, verfallene Hafen ist ein sehr besuchter Durchgang.)

Endlich kommen sie an, die Unsrigen, auch sie mit lauttönenden Glöckchen.

Eine Nacht, die immer dichter wird, unter einem niedrigen, unruhigen Himmel.

Alles liegt auf der Erde durcheinander geworfen. Die Tiere machen Sprünge, schlagen hinten aus — und die Zeit schreitet fort, wir sollten uns eigentlich schon längst auf dem Marsche befinden. Zuweilen hat man im nächtlichen Alpdruck ähnliche unlösbare Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, hat vor diesen unentwirrbaren Hindernissen, inmitten wachsender Nebel gestanden. Wirklich, es erscheint unmöglich, wie so viele verschiedene Dinge, Waffen, Decken, Geschirre, die in aller Eile in Bouchir gekauft und nicht eingepackt wurden, und die jetzt hier im Sande verstreut liegen, in einer solchen Nacht wie der heutigen so schnell auf glöckchenbehangenen Maultieren verladen werden können, die dann in einer langen Reihe, eins hinter dem anderen in der schwarzen Wüste untertauchen.

Indessen, man geht an die Arbeit, indem man von Zeit zu Zeit innehält, um Gebete zu sprechen.

Die Gegenstände in große Karawanensäcke von buntbemalter Wolle verstauen, dieselben zuschnüren, umwinden, wägen, das Gewicht jedes Tieres abmessen — das alles geht unter dem Scheine zweier kleiner, jämmerlich anzuschauender Laternen, inmitten des unruhvollen Dunkels vor sich. Kein Stern, keine Öffnung dort oben, durch die der geringste Strahl fällt. Die Windstöße wirbeln mit klagendem Geheul den Sand auf. Und während der ganzen Zeit ertönt hinter der Szene das Geläute der Schellen und Glöckchen; unbekannte Karawanen ziehen vorüber. Jetzt führt mir der Orts-Vorsteher drei Soldaten zu, die mit meinen Dienern und meinen Maultiertreibern diese Nacht meine Wache ausmachen sollen. Die beiden kleinen Laternen, die man auf die Erde gestellt hat, und die die Heuschrecken anziehen, zeigen mir von unten in unbestimmtem Licht die beiden Ankömmlinge: hohe schwarze Hüte über feinen Gesichtern, lange Haare und lange Barte, weite Kleider mit einem Einschnitt in der Taille und mit Ärmeln, die wie Flügel herunterhängen . . .

Endlich gelingt es dem Mond, dem Freund der Nomaden, das schwarze Chaos zu entwirren. In einem jähen Riss, am Rande des Horizontes geht er riesenhaft und rot auf und enthüllt im selben Augenblick die noch nahen Gewässer, auf denen sein Widerschein sich zu einem blutigen Tuch verlängert (eine Ecke des Persischen Golfes), enthüllt auch die Berge dort unten, die er zu einer Silhouette ausschneidet (die große Kette, die wir morgen besteigen müssen). Sein wohltuendes Licht ergießt sich über die Wüste, macht den Unmöglichkeiten des Alpdrucks ein Ende, befreit uns von den unlösbaren Verwirrungen, zeigt uns einander, Gestalten, die sich von dem weißen Sand in schwarzer Zeichnung abheben, und vor allen Dingen, sondert uns ab, uns die Gruppen, die für dieselbe Karawane bestimmt sind, von anderen gleichgültigen Gruppen oder Wegelagerern, die hier und dort Aufstellung genommen haben und deren Gegenwart uns überall beunruhigte.

Neuneinhalb Uhr. Der Wind legt sich. Es teilen sich die Wolken, die Sterne kommen zum Vorschein. Alles ist eingepackt, verladen. Meine drei Soldaten sitzen im Sattel und halten ihre langen Gewehre gerade vor sich hin. Man führt uns unsere Pferde zu, auch wir sitzen auf. Unter fröhlichem Geläute setzt meine kleine Karawane sich in Bewegung, ein kleiner unordentlicher Haufe, aber schließlich schlägt sie durch die grenzenlose Ebene eine bestimmte Richtung ein.

Eine Ebene von grauem Schlamm, der gleich nach dem Sande beginnt, eine Ebene von Schlamm, den die Sonne getrocknet hat, und der mit Eindrücken übersät ist: Wege von hellerem Grau, die unzählige Fußtritte im Laufe der Jahre getreten haben, das sind die Pfade, die uns führen, und die sich vor uns in dem unendlichen Raum verlieren.

Sie befindet sich auf dem Marsch, meine Karawane. Und sechs Stunden Weges liegen vor uns, dann werden wir unser Quartier um drei oder vier Uhr morgens erreichen.

Trotz des entmutigenden Aufbruchs, der niemals ein Ende zu nehmen schien, befindet sie sich auf dem Marsch, ziemlich schnell, ziemlich leicht und behend zieht sie dahin, durch den unbestimmten Raum, dessen Ausdehnung durch keinen Merkstein begrenzt wird.

Noch nie zuvor war ich früher in tiefer Nacht durch die Wüste gereist. In Marokko, Syrien, in Arabien schlug man stets noch vor der Stunde des Moghreb sein Lager auf. Aber hier ist die Sonne so vernichtend, dass weder Menschen noch Tiere eine Reise am hellen Tage aushalten könnten: diese Wege kennen nur nächtliches Leben.

Der Mond geht am Himmel auf, schwere Wolken, die noch nicht verschwunden sind, hüllen ihn von Zeit zu Zeit in geheimnisvolle Nebel.

Meine Begleitung bilden lauter Fremde, Silhouetten, deren Umrisse echt persisch erscheinen; die Gesichter sind alle neu für mich, diese Kleidung, diese Rüstungen sehe ich zum erstenmal.

Unter eintönig harmonischem Geläute dringen wir allmählich in der Wüste vor: Große Glocken mit ernstem Ton, die unter den Bäuchen der Maultiere hängen, kleine Glöckchen und Schellen, die sich in einem Kranz um ihren Hals winden. Und ich höre auch die Leute meines Gefolges, wie sie in den hohen Tönen des Muselmanns ganz leise singen, als träumten sie.

Meine Karawane ist schon ein abgeschlossenes Ganzes geworden. Ein abgeschlossenes Ganzes, das sich zuweilen in einer langen Reihe ausdehnt, dessen einzelne Glieder unter dem Mond, in der grauen Unendlichkeit weiten Abstand voneinander nehmen, aber das sich dann unwillkürlich wieder schließt, das sich von neuem zu einem geschlossenen Körper formt, so eng, dass man sich gegenseitig mit den Beinen streift. Und man fasst Zutrauen zu diesem instinktiven Zusammenhang, so dass man nach und nach die Tiere laufen lässt, wie es ihnen beliebt.

Allmählich klärt sich der Himmel auf; mit einer Geschwindigkeit, die diesen Zonen eigen ist, zerteilen sich die Wolken dort oben, die so schwer erschienen, ohne Regen zu spenden.

Und in dieser Einöde strahlt jetzt der Vollmond, wunderbar und einsam. Die ganze heiße Atmosphäre ist gebadet in seinen Strahlen, die ganze sichtbare Ausdehnung ist überflutet von einer weißen Klarheit.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise durch Persien - Erster Teil