III. Pläne, Ausbauten, Abschlüsse (von Friedrich II. bis auf Wilhelm II.)

Die Grundlinien für die stilistische Entwickelung der Stadt und Landschaft Potsdam sind in den beiden ersten Abschnitten gezogen worden; es erübrigt noch, sie hier und da ein wenig stärker nachzuziehen. Geistreiche Männer, wie es Friedrich der Große, Schinkel, Friedrich Wilhelm IV. waren, haben einen Überschuss an Entwürfen und Plänen aufzuweisen. Zwar sind diese nicht zur Ausführung gelangt, aber sie sind wertvoll für die Erfassung der Künstlerpersönlichkeiten, wertvoll auch bei dem feinen Verständnis jener Männer für Potsdam als Ausgangspunkte für Aufgaben der Zukunft.

König Friedrich der Große ließ mehrere Entwürfe für das von ihm geplante Neue Palais anfertigen. Dabei wurden verschiedene Gegenden Potsdams als Baustätten vorgeschlagen. Sie sind bezeichnend für Friedrichs Erfassung der Landschaft. In ihm lebt schon die Freude an den großen natürlichen Wasserflächen der Havel, und so kam ihm der Wunsch, sie nicht bloß von der Höhe aus zu überblicken, sondern sich in ihrer unmittelbaren Nähe anzusiedeln, um ihrer schönen, freien Wirkung froh zu werden. Der eine Entwurf von 1756, also bereits vor dem Siebenjährigen Kriege, zeigt das Neue Palais auf dem Kiewitt in der Achse von Sanssouci, dem Schlösschen genau gegenüber, in einer Linie, die durch die Waldemarstraße nach der Havel hin verläuft. Von hier aus bot sich ein herrlicher Blick auf die prächtige Fläche zwischen dem Tornow und Potsdam und die Höhe des Brauhausberges. Ja, Manger erwähnt einen noch weiter gehenden Plan von großer Kühnheit, die Erbauung des Schlosses auf dem Tornow selbst. Damit hätte der König allerdings eine Umgebung von überraschender Großartigkeit gewonnen; denn vom Schlosse her wäre der Blick auf den Templiner See hinzu gekommen. Wie sehr Friedrich diese Havelseen liebte, erkennen wir gerade während seiner letzten Lebenstage. Kurz vor seinem Tode ließ er sich im Wagen in stundenlanger Fahrt um die westlichen Seen fahren, auch um den Schwielowsee, ein rührendes Zeichen für seine Liebe zum Havellande. Er nahm Abschied von all dem, was ihn im Leben so oft erfreut und erhoben hatte. Der Wasserreichtum muss ihn besonders angezogen haben, hatte er doch schon sein Rheinsberger Schloss an großer Wasserfläche gebaut und sich der Wasserfülle des Grienerick- und des Rheinsberger Sees erfreut. Wir wissen nicht, aus welchen Gründen der Herrscher von jenen Plänen absah, sie sind sicherlich ungemein bezeichnend für sein feines Verständnis der Natur Potsdams.


Friedrich Wilhelm II. hat mit der Anlage des Neuen Gartens den Blick auf die Reize des Heiligen- und des Jungfernsees gelenkt, er hat die Pfaueninsel erschlossen und damit diese Gebiete in unseren Gesichtskreis gebracht. Die Schönheit und Mannigfaltigkeit der Gegend hat er mit klarem Blicke erkannt, wollte er doch auf der Höhe des Pfingstberges einen gotischen Aussichtsturm bauen lassen. Der jüngere Boumann legte aber einen weitergehenden Plan für ein Schloss auf dem Berge vor. Er wollte es als ein Zeichen seiner langjährigen architektonischen Bemühungen, als ein Denkmal eigener Kunst, als sein Meisterstück angesehen wissen. Kein Wunder, daß dieser Entwurf der großen Mode der Zeit entsprechend gotische Formen annahm. Das vorgesehene Gebäude bildete im Grundriss ein langes Rechteck in zwei Geschossen, besaß im Untergeschoss einen großen Grottensaal und über diesem einen ebenso großen gotischen Festsaal. Zahlreiche Gemächer für den König, Parolesaal, Audienzzimmer, Wohnung für den Trésorier Ritz schlossen sich an. Auf dem Dache befanden sich zinnengeschmückte Aussichtaltane. Ein mächtiger, gotischer Turm an der einen Schmalseite, als Aussichtsturm gedacht, überragte die gesamte Anlage. Er verlieh dem Gebäude eigentlich mehr das Aussehen einer Kathedrale als das eines Schlosses. Darin zeigt sich ein gewisses Unvermögen, den gotischen Stil auf die Schlossbaukunst anzuwenden. Der Künstler kommt eben von der Kirchenbaukunst her, an der man die Überreste der gotischen Zeit noch erhalten sah, von dem gotischen Profanbau fehlt ihm jede Kunde. Die Innenraumgestaltung bleibt schließlich die des Barock Schlosses, das ja der passendste Ausdruck für die Bedürfnisse eines Herrschers war. Somit wäre ein ungemein phantastisch anmutender frühromantischer Bau von größerem Umfange für Potsdam entstanden, der auch heute noch die Aufmerksamkeit auf sich lenken würde. Es war also ein Schloss mit Fernsicht auf dem Berge geplant, das zur höfischen Prunkentfaltung dienen konnte. Wie die Vigne von Sanssouci durch das Neue Palais, so hätte das Marmorpalais durch das Pfingstbergschloss eine notwendige Ergänzung gefunden. Friedrich Wilhelm II. starb zu früh, als daß dieser Plan, wie auch der eines Marmorpalais-Ausbaus reifen konnten.

Sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm III., wollte zunächst die im Bau befindlichen Flügel des Marmorpalais vollenden lassen. Es ist nicht richtig, daß er dieses Schloss gemieden habe. Er wollte es im Gegenteil zu seinem Wohnsitz machen, und auch die Orangerie wurde häufig benutzt. Die hohen Kosten haben ihn schließlich wieder schwankend werden lassen, und er begnügte sich um 1799 mit der Veränderung des Westflügels im Potsdamer Stadtschloss. Hier wurden damals die Räume westlich des Bronzesaals neu hergestellt, darunter das pompejanische Zimmer, sowie die Wohnung des Prinzen Heinrich im Westflügel nach der Schlossstraße zu für das Königspaar eingerichtet. Die Rokokodecken blieben, Tapeten und Möbel aber entsprechen dem Frühklassizismus der Zeit. Somit gab Friedrich Wilhelm das Marmorpalais auf und benutzte es nur zeitweilig als Sommeraufenthalt wie auch das Pfaueninselschloss. Ein gotischer Turm wurde um 1800 auf dem Brauhausberge errichtet; denn die Versuche Friedrich Wilhelms II., auf dem Pfingstberge Land anzukaufen, wurden nicht wieder erneuert. Vielleicht griff man dabei auf jenen ersten Entwurf Boumanns zurück, der den Baumeister zum Bauplan des gotischen Schlosses angeregt hatte. Auf dem Pfingstberg ließ 1800 Herr v. Oesfeldt auf seinem Besitztume den sogenannten Tempel der Pomona massiv umbauen. Dafür liegt im Besitz des Oberhofmarschallamtes ein Grundriss von Schinkel vor, den wir als erste Arbeit für Potsdam anzusehen haben. Das Gebäude ging im Jahre 1817 in den Besitz der Krone über. Um 1800 muss auch ferner das Stallgebäude an der Weinmeisterstraße auf Oesfeldtschem Boden entstanden sein mit seinen frühromantischen gotischen Formen. Aus Schinkels Kreise stammt sodann ein nicht ausgeführter Entwurf zum Umbau des Teltower Tores. Er befindet sich im Provinzialdenkmalarchiv zu Berlin. Zwei Torhäuser mit eingebauter Säulenhalle flankieren einen einfachen Triumphbogen, auf dem in Erinnerung an 1813 — 15 eine Victoria steht. In etwas anderer Form gelangte der Plan zur Ausführung. Die Säulen der Häuschen traten vor die gesamte Front. Das Tor selbst bestand aus einfachen Pfeilern mit Gitterverbindung. Es fiel bei der Anlage der jetzigen Kaiser-Wilhelm-Brücke. Nur eins der Torhäuschen blieb erhalten; die Säulen des anderen wurden zum Schmuck der Wand an der Dampferanlegestelle verwertet. Eine Zeichnung Schinkels im Schinkel-Beuth-Museum befasst sich mit einer künstlerischen Ausgestaltung des Mühlenberges. Hier sollte sich ein Ehrentempel für Friedrich den Großen erheben. Augenscheinlich griff der Meister damit auf Friedrich Gillys berühmten Entwurf für den Leipziger Platz zurück, nur daß an Stelle der streng dorischen Form, wie eine flüchtige Bleistiftskizze andeutet, die korinthische gewählt werden sollte. Eine Triumphpforte hatte den Eintritt zu vermitteln, eine Bogenbrücke sollte über die Bornstedter Landstraße führen und die Verbindung mit dem Schlosse von Sanssouci hinter der Bildergalerie herstellen, östlich des Schlosses war ein Museumsbau vorgesehen, der der Bildergalerie parallel liegen sollte.

Ebenfalls aus den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts (1823) stammen Risse Schinkels für ein großes Wasserschloss auf dem Tornow. Sie gehen wohl auf eine Anregung des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. zurück. Eine Bogenbrücke stellte den Übergang zum Flussufer her. Auf einem mächtigen Sockel, dessen Pfeiler auf der Vorderseite mit großen Reliefs geschmückt sind, erhebt sich der breitgegliederte Bau. Er bildet im Grundriss ein von Säulen umstelltes Quadrat, das in der Mitte von einem Rechteck durchbrochen wird. Dieses Rechteck ist eine durch das ganze Gebäude hinlaufende Säulenhalle, um die sich andere Gemächer gruppieren. Über dem ganzen Bau erhebt sich ein Stockwerk höher ein Pavillon, von Karyatiden getragen, mit der Statue des Windgottes auf dem Giebel. Zwei Freitreppen führten an der Vorderseite des Schlosses zu einer großen ionischen Säulenhalle, deren Unterbau mit Reliefs aus dem Panathenaeenzug geschmückt ist. In der Säulenhalle, die der des Alten Museums ähnelt, befinden sich Fresken mit der Darstellung von Wassergöttern. Im großen Giebelfeld eines Säulenvorbaus fährt der Sonnengott empor, auf der Spitze dieses Giebelfeldes steht die Gruppe des Freundespaares von Ildefonso. Anspielungen auf ein Leben in der Umgebung des Wassers, der frischen, freien Natur, der Freundschaft geweiht, lassen sich nicht verkennen. Eine Ausführung mußte unterbleiben, da der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm 1825 Charlottenhof zum Geschenk erhielt. Nunmehr beginnen die Arbeiten Schinkels und des Kronprinzen zur Ausgestaltung des Lieblingssitzes. Wenn uns die Umgebung des Schlösschens an die Renaissancevillen gemahnt, der Kranz der Parkanlagen am See trägt Lennéschen Landschaftscharakter. Jenseits des Hippodroms mit dem Stibadium des Plinius (Abb. 71) war übrigens nach Westen noch eine Fortführung der Anlagen mit einem zweiten See südlich des Freundschaftstempels geplant. Hier wurde aber 1842 — 1844 der Fasanengarten mit der Fasanerie, einer Villa im italienischen Stil, eingefügt. Die Anlage der römischen Bäder seit 1835 vervollständigte die Gruppe des Gärtnerhauses (1829), des Tempels am See (1829) und der Erinnerungsbank an die königlichen Eltern (1834). Um 1839 plante Friedrich Wilhelm noch eine neue Gebäudegruppe ,,am Rande des Grabens“, d. h. jenseits des Wasserlaufs, der die römischen Bäder begrenzt und von einer Wasserlaube nach Geßners Vorbild überwölbt wird. Drei Brücken führen auf der einen Zeichnung des Königs zu einer dreischiffigen Basilika mit Querschiff, Kampanile und Säulenkreuzgang. Ein Pfarrhaus sollte sich dieser Anlage angliedern. Diese Gedanken des Herrschers lebten später in der Schöpfung der Friedenskirche und der angrenzenden Baulichkeiten an anderer Stelle wieder auf. Zwischen dem Schloss Charlottenhof und dem Hippodrom war noch ein größerer Bau im antiken Stile vorgesehen. Er sollte Säulenhöfe, Kuppelsäle, ein Orangenhaus, Festräume einschließen. Ausführliche Zeichnungen des Königs sowie ein ausgeführter Entwurf Schinkels für diese Bauten liegen vor. In großartiger Hochrenaissanceform gewannen in den 50 er Jahren diese Absichten in der Neuen Orangerie, in die Hochrenaissance übersetzt, Gestalt. Nur die rein antike Form hat man dabei aufgegeben, die Grundgedanken jedoch, eine Villa mit einem Pflanzenhaus, zu vereinigen, zur Durchführung gebracht. Die Anlagen nördlich des alten Sanssouci Parks, oberhalb der Landstraße, die hinter Sanssouci an der Historischen Mühle nach Eiche zu vorbeiführt, sollten noch in Zusammenhang gesetzt werden. Davon zeugt ein ausführlicher Plan im Potsdamer Stadt Museum. Eine große Bogenbrücke verbindet auf ihm den Mühlenberg mit Sanssouci und dies Schloss wieder mit der Orangerie und dem Klausberg. Hinter dem Grottentor an der Historischen Mühle liegt ein Nymphäum, an Stelle des Nordischen Gartens ein Kavalierhaus, von dem aus man in den unteren Park gelangt. Nur die Orangerie hat mit ihm keinerlei unmittelbare Verbindung. Ausgeführt wurde später der Mühlenberg (Abb. 72) mit einer Villa von Hesse und einem Triumphtor nach dem Vorbild des Bogens der Goldschmiede in Rom mit Reliefs zu Ehren des badischen Feldzuges des Prinzen Wilhelm (Abb. 73). Die Anlagen des Ruinenberges wurden geschaffen. Der Nordische Garten (Abb. 74) mit seiner säulengeschmückten Grotte, die einen Altan trug, entstand; weiterhin der Paradiesgarten als Verbindung zwischen Orangerie und Drachenhaus. Jenseits des Klausberges erhob sich die Villa Lindstedt (1859-60), sowie das Quellnymphenhäuschen nahe dem düsteren Teich und der Tempel bei Eiche. Damit war das Neu-Sanssouci nördlich des alten Parks vollendet. Einige Ergänzungen im alten Park traten hinzu. Die Seitenflügel Sanssoucis (Abb. 74a) erhielten ihre heutige Form. Auf die von Friedrich Wilhelm II. erbaute grottenartige Kastellanwohnung östlich vom Schlosse hinter der Bildergalerie setzte Friedrich Wilhelm IV. einen klassizistischen Aufsatzstock. An die Mauer der Historischen Mühle lehnte sich das Kastellanwohnhaus mit einer Treppe und Statuenwand nach dem Grottentor hin. Die Neuen Kammern erhielten eine klassische Ausgestaltung an der Nordwestseite mit der Pergola aus Marmor. Klassizistische Gärtnerhäuser unterhalb der Orangerie grenzten von Süden her an die große Landstraße. Auch der Zugang zum großen Hauptportal wurde würdig gestaltet. An der Ecke der Hohenzollernstraße, wo sie nach Sanssouci umbiegt, fand die Villa Tiecks ihre Stätte gegenüber der mit einem Turm geschmückten Villa Keller. Das Haus des Dichters erhielt nach der Seite eine schöne Gartenhalle, vor dem Mittelfenster unter einer Verdachung die sitzende Muse (Abb. 75). Daran schloss sich als Eingang für den Friedensgarten das vom König entworfene, von Hesse ausgeführte Drei-Königstor. David, Salomo, Karl der Große, Sinnbilder geistlich-weltlichen Fürstentums, wie die Romantik sie auffasste, wurden hier als schmückende Standbilder in offenen Nischen errichtet. Am Eingang des Grünen Gitters baute man das Große Kabinettshaus, am Hauptfahrwege vom Grünen Gitter her einander gegenüber das Kleine Kabinettshaus, sowie die Villa Liegnitz. Im Umkreise um die Stadt schlössen sich in klassizistischem Stile an: die Villa Jägerallee 19/20, dann Jägerallee 1, ferner die Villa Arndt, Ecke der Spandauer Straße, sowie die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke, die Villa Jacobs in der Bertinistraße. Gotischen Stil zeigte die Villa Thummley in der Neuen Königstraße, romantische Burgenform das abgerissene Gebäude und der Schornstein der Jacobsschen Zuckersiederei an der Havel gegenüber der Freundschaftsinsel. Burgenstil mit Renaissancemotiven erhielten ferner die Husarenkaserne, die Garnisonverwaltungsgebäude in der Neuen Luisenstraße, sowie die Nedlitzer Brücke mit dem Fährhause. Die zinnen- und turmgeschmückten Gebäude ragten an allen Seiten der Stadt auf; Friedrich Wilhelm hatte für die romantische Stimmung, die sie anregten, eine besondere Vorliebe. Im Neuen Garten wurde das große Walmdach von der einstöckigen Meierei abgenommen, ein zweiter Stock in Backstein aufgesetzt, mit Zinnen geschmückt; der Schornstein des Wasserwerks erhielt Bergfriedform. Eine Mühle in der Nähe der heutigen Gasanstalt wurde als Burgturm maskiert, Burgform zeigte das Haus am Eingange des Wildparks, auf dem Ruinenberge der Aussichtsturm. Die praktischen Zwecke mußten sich überall dem Willen nach künstlerischer Wirkung unterordnen, ein

Vorgehen, in dem wie bei den Scheinbauten Friedrichs des Großen immerhin eine gewisse Gefahr lag. Indessen wurde doch so die künstlerische Einheit in den Gebäuden der Umgebung der Stadt aufrecht erhalten. Es berührt uns allerdings fremd, daß alle Schornsteine eine dem praktischen Zweck nicht entsprechende Ausstattung aufgezwungen erhielten. Der des Wasserwerks in Charlottenhof erschien als Kandelaber; die Dampfmaschine Borsigs für die Sanssouci Springwässer in der Alten Luisenstraße wurde in eine Moschee eingezwängt, der Schornstein bildete dazu das Minaret. Wir müssen aber diese Willkürlichkeiten der Gesamtwirkung wegen mit in Kauf nehmen. Die Türme der städtischen Landhäuser und der königlichen Villen der Orangerie und des Pfingstberges, von Lindstedt, und in den Parkanlagen, die zahlreichen Burgtürme, die Glockentürme der Friedenskirche, der Basilika von Nikolskoë und der Heilandskirche zu Sakrow, sie gewähren ein stets abwechslungsreiches, heiteres, anmutiges und doch einheitliches Bild inmitten der Parks, Wälder, Hügel und Wasserflächen der Landschaft Potsdam. Es ist ferner zu beachten, daß auch in den Parkanlagen eine Einheit durch den Baumeister Hesse und den Gartenkünstler Lenné hergestellt wurde. Neue Bauten, vielfach durch das Moment des springenden Wassers bedingt, sorgten für Abwechslung. In Sanssouci schmückte man die Mauer am Säulentor Knobelsdorffs mit Schalenfontänen, einer kleinen Kaskade, einem Baldachinspringbrunnen, und legte der Friedenskirche gegenüber eine Rundbank an. Südlich der großen Landstraße nach Eiche wurden neue Anlagen in der Nähe des Neuen Palais geschaffen. Hier fand unter Pyramidenpappeln Lennés Herme von Rauch eine Stätte, von einem Hügel grüßte Thorwaldsens Hirtenknabe, am später zugeschütteten Palaisgraben stand eine zum Kampf schreitende altertümliche Athene. Der alte Rehgarten empfing durch Lenné den hainartigen Charakter. Marmorwände mit Wannen, Statuen auf hohen Säulen belebten die Baumgruppen des Hauptweges. Der Wassergraben am Südrande des Parks wurde zum geschlängelten Flusslauf, der Landschaftsstil drang immer weiter und überwand die alte französische Form. Der Neue Garten unterlag gleichfalls durchgreifender Änderung, die ländliche Freiheit machte der kunstvoll gestalteten Wald- und Wiesenlandschaft im Sinne Lennés und Fürst Pücklers Platz. Das Marmorpalais erhielt den früher geplanten Flügelausbau, die Säulenhallen die Nibelungenfresken Ossowskys, ein ganz romantisches Motiv. Springbrunnen schmückten den Ziergarten vor dem Schlosse, im Innenhof sprudelte das Wasser aus dem Sockel des Prometheusstandbildes. Eine Wandlung im Lennéschen Stil macht ferner die Pfaueninsel durch, auch hier wurde das Wasser belebendes Element. So drückte im Sinne künstlerischer Einheit Friedrich Wilhelm IV. allen alten Anlagen seine Eigenart auf. Das alles geschah aber in so feinsinniger und zweckentsprechender Weise unter Schonung des Bestehenden, daß man die Veränderungen gar nicht mehr als solche empfindet. Sie sind mit dem Alten zu einer neuen Schönheit organisch verwachsen. Es hat demnach auf diesem Gebiete ein wahrhaft künstlerischer Sinn, eine vollendete Meisterschaft gewaltet.

Zwei Bruderschlösser erhoben sich, eine Erinnerung an die romantische Schönheit des Rheines, an den lieblichen Ufern der Havel: Babelsberg und Glienicke. Dies wird von dem klassizistischen, jenes von dem romantischen Zuge maßgebend bestimmt. Prinz Karl und Prinz Wilhelm, die Brüder Friedrich Wilhelms IV., schufen sich wie der König in Charlottenhof ihren besonderen Ruhesitz und gaben ihm der eigenen Veranlagung entsprechend ihr Gepräge. Die innere Verwandtschaft der drei Brüder kommt in ihren drei Wohnschlössern ebenso zum Ausdruck, wie die Verschiedenheit ihrer Charaktere. Babelsberg ist die Schöpfung eines überreichen Lebens, und es ist nicht verwunderlich, daß Erinnerungen an den gewaltigen Gang der deutschen Geschichte mit hineinklingen. Der Prinz, der Regent, der König, der Kaiser hat hier ruhige Erholung und in der freien und schönen Natur Anregung und Erhebung gefunden. Das empfindet man vor allem bei einem Blick vom Schlosse, von der Siegessäule, vom Flatowturm her. Das kleine Schlösschen genügte nach 1840 den Anforderungen nicht mehr. Schon 1839 war auf halber Höhe des Berges ein gotisches Kavalierhaus errichtet worden, das Damenhäuschen am Wasser für die prinzlichen Kinder entstand 1841/42. Die gleichen gotischen Formen erhielt später das Wasserwerk, das den großen Geyser in der Havel höher als die große Fontäne in Sanssouci emporsteigen ließ. Fünf Jahre (1844—49) dauerte der innere Um- und Ausbau des Schlosses durch Strack. Der große, von Strebepfeilern gestützte Festsaal wurde in der Mitte des Gebäudes eingefügt, da wo die beiden Wohnflügel sich im rechten Winkel treffen. 1850 kam hinter dem Schlosse, auf Wunsch des Prinzen, der sich lange gegen die Ehrung gewehrt hatte, etwas versteckt, das Denkmal für den badischen Feldzug von 1849 zur Aufstellung. Es zeigt in gotischer Nische den Erzengel Michael von Kiß. Sechs Jahre später (1856) entstand der Flatowturm, so genannt nach dem Gute des Prinzen Wilhelm in Westpreußen, dessen Überschüsse beim Bau verwertet wurden. Der Oberbau, mit dem preußischen Adler geschmückt, ist eine Nachbildung des Eschenheimer Tores in Frankfurt a. Main. Der Unterteil ist romantischburgartig gestaltet, mit Bastionen, Wassergraben und Zugbrücke versehen. Kanonen aus dem badischen Feldzug halten hinter den Mauern Wacht. Hier in Potsdam erscheint die Erinnerung an die alte Reichs- und Krönungsstadt der deutschen Kaiser nicht ohne Beziehung zu den Plänen des damaligen Prinzen von Preußen, Deutschland unter Preußens Führung zur Einheit zu führen. In jedem Falle wollte der Prinz sich an einem Meisterstück echt gotischer, altdeutscher Städtebaukunst dauernd erfreuen; rührt doch das Eschenheimer Tor von dem größten Künstler des mittelalterlichen Frankfurt, Madern Gertener, her, der es 1426—28 aufführte. Nach 1870 wurde die Siegessäule mit Rauchs Victoria an herrlicher Aussichtsstelle den in drei siegreichen Kriegen bewährten Kämpfern von ihrem Kaiser dankbar geweiht. Die tiefe, vornehme Dankbarkeit des Herrschers gewann Ausdruck in der Anlage der Generalsbank. Ihr gegenüber steht einsam und bedeutungsvoll Bismarcks Büste. Sie erinnert an die echt deutsche, wahrhaft einzige Freundschaft, die den Kaiser mit seinem Kanzler verband. Sie verkündet die Auffassung Wilhelms I., daß die unvergänglichen Taten des Heeres, mit der unvergleichlichen Staatskunst des großen Mannes für alle Zeiten verbunden bleiben und dankbarer treuer Erinnerung gewiss sind. Mit der Gerichtslaube des ehemaligen Berliner Rathauses, einem Wahrzeichen Alt-Berlins, kam ein wertvolles Stück märkischer Backsteingotik in die Schöpfung Wilhelms I. hinein. Der Wiederaufbau des ehrwürdigen Bauwerks ist ein Zeichen der Pietät des Herrschers gegen die Überlieferungen seiner märkischen Heimat. Um alle diese Erinnerungsstätten schlägt der Park sein grünes Kleid. Dieser Garten ist Lennés Meisterwerk. Auf kleiner Grundfläche wird durch ein Gewirr von Wegen, Schlängelpfaden, Ausnutzung des Hügelgeländes der Eindruck der Weite und Tiefe mit ungemeiner Kunst erzielt. Es wird durch Wiesengründe, Baumgruppen, einzelne Bäume, Durch- und Ausblicke eine außerordentliche Reichhaltigkeit und Abwechselung der Motive geboten. Für alle Deutschen ist dies Fleckchen Erde geweiht durch Erinnerung an große Zeiten. Seit am 22. September 1862 die berühmte Audienz Bismarcks bei König Wilhelm in diesem Park stattfand, begann ein neuer Abschnitt der deutschen und damit ein neuer Abschnitt der Geschichte Europas überhaupt.

Einen größeren Umfang als Babelsberg nahmen die Besitzungen des Prinzen Karl von Preußen an. Auch bei ihnen gewinnen wir die Überzeugung, daß ein ungemein feinsinniger Geist seine Auswirkung gefunden hat. Ein Liebhaber des Altertums und seiner Kunst ist dieser in dei Öffentlichkeit wenig bekannte Prinz gewesen. Seine Wohnstätte ist angefüllt mit zahlreichen kleinen Kunstwerken aus der Antike, die er auf seinen häufigen Reisen zusammengebracht hatte. Es ist daher kein Wunder, wenn im alten Glienicker Park der Klassizismus stark hervortritt. Auch ein feines Naturempfinden macht sich an den verschiedensten Stellen geltend und gibt dem Park die persönliche Note. Schinkels Meisterhand erkennen wir zunächst am Schlösschen selbst (1825—26), das später noch einen Aussichtsturm in klassizistischem Stile erhielt. Die ungemeine Schlichtheit in der Außenform, der stimmungsvolle Innenhof, die eigenartige Löwenfontäne, die Gartenlaube und die sogenannte ,,Neugierde“, ein Gartenhäuschen, bilden eine geschlossene feinsinnig abgestimmte Gruppe. Die zweite Gruppe bilden die Gebäude an der Wasserseite. Hier ragt an der Ecke der Berliner Landstraße ein Rundpavillon hervor, dessen Mittelpfeiler, der sich über der Säulenhalle erhebt, Motive des Lysikratesdenkmals übernimmt (Abb. 77). In einer Linie mit ihm steht weiter nördlich am Uferwege das reizende Casino, eines der malerischsten klassizistischen Gebäude Schinkels. Es ist aus einem Umbau hervorgegangen (1824). Das zweistöckige Häuschen, der Lieblingssitz des Prinzen, zeigt nach beiden Seiten eine Pergola. Auf die Innenausstattung hatte der fürstliche Besitzer große Sorgfalt verwendet, z. B. den Fußboden in Marmor herstellen lassen. Die alte Glienicker Brücke (1831—36) mit römischen Bogenstellungen, das Lysikratesdenkmal, das Casino, sie waren als eine einheitliche, vom Künstler so beabsichtigte Baugruppe anzusehen, die in Abstimmung aufeinander, in der Gesamt Wirkung vor den grünen Bäumen des Parks ihresgleichen suchte. In späteren Jahren traten mit klassizistischen und italienischen Landhausmotiven das Pförtner- und Gärtnerhaus hinzu. Auf Schinkel zurück geht der Jägerhof (1829), ein Zeichen für die besondere Liebhaberei des Prinzen. Späterhin erfuhr die Besitzung noch durch ein Geschenk Friedrich Wilhelms IV. (1842) eine Vergrößerung. Der Park selbst erstreckte sich östlich einer festen Längsachse, die vom Schlosse her über die Anhöhen bis in die Gegend von Sakrow -Moorlake führte. Der Wasserweg mit seinen Ausblicken und Schluchten, seinem Waldcharakter gibt dem Park das besondere Gepräge. Stärker noch als in Babelsberg, gänzlich anders als in den Flächen gärten Sanssoucis, Charlottenhofs, des Neuen Gartens tritt der romantische Zug zutage. Mit ihm wird die Fähigkeit des modernen Gartenkünstlers sichtbar, die verschiedensten Bedingungen des Geländes für die Kunst der Gartenanlage fruchtbar zu machen. Wundervoll wirkt in diesen Waldgründen die tiefgrüne Einsamkeit des Sommers, der leuchtende Blätterfall des Herbstes. Die romantische Stimmung wird unterstrichen durch die Schöpfung einer Teufelsbrücke, den Wiederaufbau eines frühchristlichen Klosterhofes, durch Namengebung wie die des ,,Tals der armen Hirten“. Eine Art Fortsetzung für diese Anlagen bildete der Böttcherberg mit der Renaissanceloggia Alexandra außerhalb des eigentlichen Parkes von Glienicke. Jenseits des Glienicker Parks in der Richtung auf Wannsee wirkte die russische Romantik, dem Königshause durch die Heirat der Prinzessin Charlotte eigen, mit. An das Blockhaus des Leibkutschers Friedrich Wilhelms III., Iwan, (1819) schloss sich die basilikale Anlage der kleinen Kirche auf der Höhe (1834—36). Der Turm erhielt die russische Zwiebelkuppel. Das Gotteshaus steht in nächster Beziehung zu Glienicke. In ihm schlummern Prinz Karl und Prinz Friedrich Karl von Preußen. Prinz Friedrich Karl, der Sieger von Düppel und Le Mans, ist dann durch die Anlage des Jagdschlosses Dreilinden, durch die Errichtung einer Nachbildung der; Flensburger Löwen bis nach Wannsee hin vorgedrungen. An diesen Stätten haftet vornehmlich die Erinnerung an ihn. Sein Vater, Prinz Karl, schloss Ende der 50er Jahre die Lücke zwischen Babelsberg und Glienicke durch die Erwerbung des Schlösschens Klein-Glienicke, das aus der Zeit des Großen Kurfürsten stammte. Der Architekt v. Arnim unterzog es einem Umbau. Er wählte hierzu in Erinnerung an die Zeit des Großen Kurfürsten einen typisch französischen Barockstil. Neben dem Schlosse kam dieser besonders an den Parktoren zum Ausdruck (1861). Das Wassertor (Abb. 78) weist ihn auf und besonders das jetzt geschlossene Portal mit dem reizenden Pförtnerhäuschen. An dieser Stelle erinnerte die Büste des Großen Kurfürsten über dem Tor an den ursprünglichen Schöpfer Klein-Glienickes. Der angewandte Stil, der gewiss auch der Zeitmode entsprach, entbehrte doch durch die Erinnerung an die große Vergangenheit des Hohenzollernhauses nicht eines gewissen romantischen Schimmers. In den 90er Jahren hat dann Prinz Friedrich Leopold noch einen Umbau in den damals zeitgemäßen Formen der deutschen Renaissance vollziehen lassen, die sich im neuen Reich, der Zeit des nationalen Aufschwungs und der Rückblicke auf spezifisch deutsche Kunstrichtungen, einer besonderen Beliebtheit erfreute. Im Westen Potsdams begegnen wir schließlich noch einmal den Spuren dieser kunstsinnigen Hohenzollernlinie, am Karlsturm bei Alt-Geltow. Er ist altertümelnd-romantisch empfunden, und lässt auf eine besondere Freude des Erbauers an der breitflächigen Havellandschaft bei Caputh und Werder schließen (1870).

Die Zeit des Königs und Kaisers Wilhelm hat in Potsdam nur wenig monumentale Spuren hinterlassen, sehr stark war noch die Nachwirkung der Richtung Friedrich Wilhelms IV. Nur ein stärkeres Eindringen von Hochrenaissanceformen macht sich hier und da bemerkbar. Die ältere Strömung zeigt sich an der Villa Hoffbauer am Kietz (1868), Arnim (Augustastraße 20). Der jüngere Persius schuf die Landhäuser Kapellenbergstraße 5 und Spandauer Straße 5. — Der Hitzigschule gehören an: Villa Friedrichs (KaiserWilhelm-Straße 1), Villa Lessing (Jägerallee 21) und die sogenannte Henckelsche Villa am Pfingstberge auf dem Besitztum Prinz Karls. Romantisch empfunden im Sinne Friedrich Wilhelms IV. ist noch die Kaserne der 3. Garde-Ulanen mit ihrer Zinnenbekrönung (1868). Romantischen Nachklang bietet schließlich der bedeutendste Kirchenbau dieser Zeit: die katholische Peter-Pauls-Kirche (1867—68) (Abb. 79). Salzenberg, später Greheimer Oberbaurat, war der Erbauer. Er hatte im Auftrage König Friedrich Wilhelms IV. eine Reise über Verona, Ravenna nach Konstantinopel gemacht und dort eingehende Aufnahmen der Hagia Sophia vorgenommen. Die byzantinische, frühchristliche und frühromanische Baukunst stand ihm besonders nahe. Die Backsteinbauten Oberitaliens hatten auf ihn gewirkt. So wundem wir uns nicht, in dem Turm des Gotteshauses eine genaue Erinnerung an den herrlichen Kampanile von San Zeno in Verona, der schönsten frühromanischen Kirche Italiens, wiederzufinden. Der Wechsel von Marmorbalken mit Backsteinen mußte allerdings in Potsdam unterbleiben. Die Aufnahmen der Hagia Sophia waren von Salzenberg in einem großen Werk sorgfältiger Zeichnungen veröffentlicht worden. Sie weisen auf die besondere Freude des Künstlers an der byzantinischen Kunst hin. Die kommt im eigentlichen Kirchenhaus zu deutlichem Ausdruck. Wenn außen im Anschluss an den Turm die romanischen Formen, Radfenster, Zwerggalerien herrschen, der Grundriss ist ein byzantinischer, reiner Zentralbau mit den verkürzten Kreuzarmen des griechischen Kreuzes. Diese Kreuzarme sind nach byzantinischem Vorbilde vom viereckigen Hauptraum durch säulengetragene Bögen getrennt. Auch die Apsis ist byzantinisch, der dreifachen dei Hagia Sophia nachempfunden. Es ist nicht zu verkennen, daß dem Künstler die Vereinigung aller Grundbestandteile und die feine Einzeldurchbildung vorzüglich gelungen ist.

Zu kurz war die Regierung Kaiser Friedrichs, um deutliche Spuren zu hinterlassen. Erinnerungsstätten an ihn sind aus der Kronprinzenzeit die Privatgärten am Neuen Palais, das von Friedrich Wilhelm IV. erbaute Amts- und Gutshaus zu Bornstedt, die ausgestaltete Basilika dortselbst mit Säulengang und Kampanile. Die Kirche zu Eiche wurde völlig wieder erneuert und verschönert, sie stammt noch aus Friedrichs des Großen Tagen, eine der wenigen guten barocken Dorfkirchen jenes Zeitalters. Die Kirchen zu Golm und Geltow in neugotischen Formen erfreuten sich des lebhaften Wohlwollens des Kronprinzenpaares. In der Stadt wandten die hohen Herrschaften ihr besonderes Interesse dem Bau des Victoriagymnasiums und vor allem dem stolzen Hochrenaissancepalast des Landgerichts zu. Das Landgericht ist unter dem Einfluss der Hochrenaissancerichtung entstanden, die am Berliner Kunstgewerbemuseum durch Schmieden und Felix Wolff Ausdruck fand. Es ist der Kronprinzenstil der 70er und 80er Jahre. Der künstlerische Vertrauensmann der Kaiserin Friedrich, Julius Raschdorff, schuf in Berlin den neuen Dom mit seinen ausdrucksvollen Hochrenaissanceformen, die sich dem Barock nähern. In Potsdam fiel ihm die Aufgabe zu, an das Peristyl vor der Friedenskirche das Mausoleum Kaiser Friedrichs anzubauen (Abb. 80). Erinnerungen an die Kirche zu Innichen in Tirol fanden Verwertung. Das Innere des Kuppelbaus ist durch die Schönheit des Materials, die vornehme Durchbildung der Renaissancemotive, die Säulenstellung in zwei Rängen außerordentlich wirkungsvoll und feierlich. Man merkt, daß dabei hochgesteigertes, kultiviertes Kunstempfinden zur Wirkung gelangt. Im Sinne ihres Gatten hat hier die Kaiserin mit Raschdorffs Hilfe ihrem eigenen Stilempfinden den unmittelbaren Ausdruck verliehen.

Aus der Zeit Kaiser Wilhelms II. können an dieser Stelle nur diejenigen Schöpfungen Erwähnung finden, die dem Stadt- oder Parkbilde eine gewisse Ergänzung, einen Abschluß verschaffen. In der Stadt sind eine Reihe von Monumentalbauten entstanden. Sie dienen nicht nur dem praktischen Zwecke, sie sind auch zur Herausstellung der Macht des neuen Reiches bestimmt. Daher ist ihnen der Neu-Barockstil gemäß. Das Repräsentative in dem Zeitalter Wilhelms II. ist durch Anwendung der ausdrucksvollen Hochrenaissance- und Barockformen zum Ausdruck gekommen. So weisen denn Post, Regierung, Oberrechnungshof, Kadettenhaus und der städtische Bau des Realgymnasiums Barockformen auf. Sie schließen sich aber überwiegend der im süddeutschen Barock ausgeprägten Formgebung an. Das tritt vor allem bei dem kleinen, aber sehr tüchtigen Bau der Synagoge hervor. Der rote Sandstein, hier nötig, um die schmale Fassade neben der Post zu heben, erinnert an Franken, die Gliederung der Geschosse an St. Johannes Nepomuk, das Asamkirchlein, in München. Es muss aber trotz dieser Erinnerung die Eigenart des Potsdamer Baus besonders anerkannt werden. Monumentale Abschlüsse gewähren die beiden großen Brückenbauten dieser Epoche, die Kaiser Wilhelm- und Glienicker Brücke. Sie bilden die Übergänge zur Königsstadt und haben starken Schmuck erhalten. Die Lange Brücke ist ausgezeichnet durch den Naturalismus der Berliner Schule, Herters Soldatengestalten. Desselben Künstlers Denkmal des alten Kaisers wirkt durch vornehme Ruhe und ungemein glückliche Aufstellung sehr stark. Die Standbilder sind ein wertvolles Denkmal der bedeutenden Künstlergruppe naturalistischer Richtung, die sich um Reinhold Begas scharte. Das starke Kraftstreben fügt ihre Schöpfungen glücklich der barocken Umgebung ein. Stark barock ist auch der Schmuck der Glienicker Brücke empfunden. Hier ist die überlieferte Form der Kolonnade für die Aussicht auf den Flusslauf in glücklicher Weise wieder aufgenommen worden. Eine Vervollständigung des Stadtbildes ergab die burgartig breit auf dem Rücken des Brauhausberges lagernde Kriegsschule. Schwechten schuf sie, der Erbauer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Deutsche Renaissanceelemente, besonders deutlich an der Hofseite, treten zutage und das moderne Studium des mittelalterlichen und Renaissanceburgenbaus ist nicht zu verkennen. So wurde hier in moderner Form eine alte Potsdamer Überlieferung fortgesetzt. Wirkungsvoll ist in gleicher Weise unter Anschluss an die Formen des zopfigen Vorklassizismus der Monumentalbau der Handels- und Gewerbeschule für Mädchen in der Neuen Königstraße, eine durch Feinheit der Auffassung und Kraft der Gestaltung hervorragende Leistung. Es bleibt noch ein Ausblick auf die Parkanlagen. Im Neuen Garten entstand das Landhaus des Kronprinzen, im modernen Landhausstil von Schultze-Naumburg errichtet. Um fünf Höfe gruppierte sich die Anlage, die im modernen Sinne auf große monumentale Wirkung Verzicht leistete. Nur das schöne Wohnen ist dabei ins Auge gefaßt und aus diesem praktischen Zwecke heraus alles entwickelt. Unter Benutzung des Ausblicks auf den Jungfernsee fügt sich aber diese fürstliche Wohnstätte dem Park willig ein und hat keine wesentliche Veränderung nötig gemacht. Anders liegt die Sache in Sanssouci. Das Neue Palais wurde kaiserliche Residenz. Die prächtige Terrasse mit den Kandelabern wurde nach der Gartenseite zu angefügt. Kein anderes Schloss als die wahrhaft königliche Schöpfung des großen Friedrich eignete sich so zum Wohnsitz eines mächtigen Herrschers. Dadurch wurde nun auch dem Sanssouci-Park neue Pflege zuteil. Unter der Leitung des Hofgartendirektors Fintelmann wurden die Anlagen nördlich von Sanssouci wieder in Stand gesetzt und die innere Einheit betont. Die Verbindung zwischen Orangerie und Klausberg wurde ins Leben gerufen und hier eine ganz neue Anlage geschaffen. Ebenso entwickelten sich neue Teile am West abhänge des Klausberges nach Lindstedt zu. Damit kam der Plan Friedrich Wilhelms IV. zur Verwirklichung. Das einheitliche Neu Sanssouci war gesichert und in seiner Schönheit erhalten. In neuester Zeit unterlag auch der untere Park durchgreifender Veränderung. Unter Hofgartendirektor Zeiningers Leitung wurde hier im ersten Teile unterhalb Sanssoucis der regelmäßige, architektonische Charakter der Gartenanlagen strenger betont und der Unterschied zwischen der Waldpartie des Rehgartens und der geregelten Form der übrigen Teile ausgedrückt. Durchblicke auf die Renaissanceterrassengärten Friedrich Wilhelms IV. kamen hinzu und zielten auf einen stärkeren, inneren, übersichtlichen Zusammenschluss der Gesamtschöpfung. In diesem Zusammenhang muss der Durchbruch nach der Neuen Orangerie und ihre Einbeziehung in den unteren Park betrachtet werden. Es handelt sich um eine wesentliche Änderung im Eindruck, den die Neuanlage hervorruft. Die Renaissancegärten Friedrich Wilhelms IV. sind nicht mehr einzelne Teile des Parks, sie sind zum festen Bestandteil seiner Erscheinung geworden.

Die Terrassen der Orangerie in den unteren Park treten zu lassen, hatte, so weit unsere Kenntnis reicht, Friedrich Wilhelm IV. nicht beabsichtigt. Das Verdienst, diesen Gedanken im Sinne des Königs zuerst erfasst und seine praktische Durchführbarkeit an Entwürfen (Abb. 83) und Modell gezeigt zu haben, gebührt dem Architekten Felix Wolff (später Direktor des Denkmalarchivs der Reichslande). Sein Entwurf aus den 90er Jahren mußte aber damit rechnen, daß die Hofgärtnervillen stehen blieben und die Straße nur etwas tiefer herunter geführt werden sollte. Im übrigen waren Treppenanlagen in ähnlicher Weise wie heute, nur auf schmalerer Basis, vorgesehen. Sie schlossen ein Wasserbecken ein. Der Kaiser hatte von diesem Plan mit großem Interesse Kenntnis genommen. Eine Ausführung aber erfolgte nicht. Ein neuer Entwurf von Geyer und Zeininger wurde dann zum Regierungsjubiläum 1913 in Angriff genommen. Der Weg unterhalb der Orangerie wurde erhöht, die Hofgärtnervillen umgebaut und, soweit nötig, aus dem Wege geschafft. Nunmehr konnte in breiter Front die Terrasse sich herabsenken. Eine architektonisch gehaltene moderne Gartenfläche unter Erhaltung alter, wertvoller Bäume breitete sich davor aus. Von ihr führte ein Pfad zum Hauptwege, zu dem neu ausgeschmückten Rundteil, auf dem einst Knobelsdorffs berühmte Kolonnade gestanden. Hier bietet sich denn ein überraschender Blick auf den neuen Gartenteil und nach wenigen Schritten erhebt sich der Orangeriebau vor dem Beschauer in überraschender Phantastik und starker künstlerischer Wirkung (Abb. 81). — Durchschreiten wir vom Obelisken her den Park, so ergeben sich die folgenden Augenpunkte bei einem Blicke nach rechts: die Muschelgrotte, die Bildergalerie, Schloss Sanssouci, die Neuen Kammern, die Treppen vor der Felsengrotte, der Terrassenaufstieg des Sizilianischen (Abb. 82) und Nordischen Gartens, die Neue Orangerie, das Belvedere auf dem Klausberg. Damit ist eine gewaltige Fülle abwechslungsreicher, eigenartiger Wirkungen erzielt. Die Schönheiten Sanssoucis sind auf einen Mittelpunkt hin zusammengezogen worden. So wurde hier ein wirkungsvoller, einheitlicher Abschluß aller früherer Schöpfungen erreicht.

In einem Zeitraum von mehr als zwei Jahrhunderten hat das ganze Herrscherhaus der Hohenzollern die Eigenart der Stadt Potsdam, der Parkanlagen, der gesamten Landschaft im Bunde mit bedeutenden Künstlern geschaffen. Dadurch ist eine in Europa einzige Leistung zustande gekommen. Eine unendliche Fülle persönlicher, künstlerischer, geschichtlicher Anregungen wird dem verständnisvollen Betrachter geboten; das Werden und Wachsen unseres Staates wird ebenso deutlich, wie das Werden und Wachsen unserer deutschen Kunst.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Potsdamer Baukunst