Verfahren gegen die Anhänger Alexeis

Peter der Große war nicht der Mann dazu, irgend Etwas bei seinen Unternehmungen nur halb zu tun.

Es genügte ihm noch lange nicht, Alexei nur gedemütigt und zur eidlichen Entsagung gebracht zu haben — unschädlich konnte er erst für alle Zukunft gemacht werden, wenn alle seine Anhänger bis auf die letzte Wurzel vernichtet waren. Und dahin ging nun das energische Bestreben des Zaren.


In nicht geringe Verwirrung und Angst war durch die Rückkehr und Gefangenschaft des Prinzen Alexei die große Schar altgesinnter Russen versetzt worden, denen die Anlage von Petersburg, die neugeschaffene Manne, so wie die Verdrängung altrussischer Gewohnheiten und Vorrechte durch Fremde und durch die Sitten des Auslandes ein Gräuel gewesen war. Ihre glänzendsten Hoffnungen und Pläne waren zerstört, und Gefahren für Leben und Freiheit zogen sich mit jedem Tage drohender gegen sie zusammen.

Der davon am nächsten Bedrohte war Kikin, der Admiralitätsrat, der dem Zarewitsch den Gedanken zur Flucht eingegeben und dieselbe befördert hatte. Diese Gefahr hatte er vorausgesehen und seine Maßregeln darnach getroffen.

Durch große Geschenke hatte er einen der Leibpagen des Zaren gewonnen, daß er ihm, sobald er Gefahr für ihn bemerke, sofort durch einen Eilboten davon Nachricht geben solle. Dieser Page hieß Paklanowsky. Er stand eines Tages, bald nach jener Szene mit Alexei, hinter dem Stuhl des Zaren, als Dieser den Befehl an Mentschikoff schrieb, Kikin gefangen zu nehmen und gefesselt nach Moskau zu senden.

Sogleich zog sich der Page zurück, und sendete seinem Freunde einen Eilboten mit der verheißenen Warnung. Aber der Befehl des Zaren war wenige Minuten früher in Petersburg angekommen, und Mentschikoff säumte keinen Augenblick, dem erhaltenen Befehle nachzukommen. Es war Mitternacht, als durch Dragoner Kikins Haus besetzt wurde. Er lag noch im Bette, als ihn ein Diener weckte, und das so eben angekommene Schreiben des Kammerpagen überreichte. Kaum hatte er es entfaltet, und einen Blick darauf geworfen, so wurde furchtbar an die Haustür gepocht, und Waffengeräusch tönte von der Straße herauf. Kikin sprang aus dem Bett, und befahl, nicht zu öffnen. Aber es war zu spät. Die Dragoner stürmten schon die breite Treppe herauf, und Kikin hatte kaum Zeit, sich anzukleiden und von seiner Gattin, die für die schönste und liebenswürdigste Frau in Rußland galt, einen erschütternden Abschied für das ganze Leben zu nehmen, als er schon in Ketten geschlagen und in einem bedeckten Wagen unter Begleitung einer starken Wache in ein Gefängnis geführt wurde.

Welch ein Glückswechsel in Folge eines leichtsinnig gesprochenen Wortes! Auch Paklanowsky traf die Strafe des Verräters. Man hatte noch bei Kikin den Brief Desselben und den Boten gefunden. War der Brief auch anonym, so mußte der Bote doch bekennen, wer ihn aus Moskau gesendet hatte, und Mentschikoff entsandte einen Eilboten dorthin, mit dem Befehl, den Pagen zu verhaften, was auch erfolgte.

Aber noch viele Vornehme wurden in Alexeis Fall verwickelt. Zu den am höchsten gestellten Kompromittierten gehörten die Senatoren Samarin und Peter Aprarin — der aber bald wieder entlassen wurde — dann auch der Zarewitsch von Sibirien. Dieser Prinz war ein Enkel des früher n Zaren von Sibirien, der im Jahre 1587 sich dem Zaren Feodor Iwanowitsch hatte unterwerfen müssen. Er war der letzte seiner Familie. Er gehörte zu den Vertrauten Alexeis. Auch den Generallieutenant Wassili Dolghoruki traf das Los der Verhaftung. Als Mentschikoff selbst ihm seinen Arrest ankündigte, reichte er ihm den Degen, und sprach mit edler Fassung: „Ich bin unschuldig, aber ich habe nur einen Kopf zu verlieren.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.