Die Susdal'sche Verschwörung

Durch die Verhaftung ft vieler angesehenen Personen wurde es möglich, den Faden der entdeckten Verschwörung immer weiter zu verfolgen. Die Spuren desselben führten bis in die einsame Zelle der unglücklichen Zarin Eudoria im Kloster Susdal. Dort befand sich Alexeis verstoßene Mutter als Nonne unter strenger Klausur. Sie wurde beschuldigt, um die Flucht des Prinzen und seine Pläne gewußt zu haben.

Noch wurden drei bedeutende Männer, die Zutritt zu ihr gehabt hatten, der Mitwissenschaft angeklagt, und mit ihr als Gefangene nach Petersburg gebracht. Diese waren ihr Beichtvater Pustinoi, der Bischof von Rostow, Dosithei, und der Generalmajor Stephan Glabow.


In Petersburg wurde ein großes geistliches Gericht niedergesetzt, von welchem die beiden geistlichen Angeschuldigten ihrer Würden entkleidet, und dann, wie der General, dem weltlichen Arm der Gerechtigkeit übergeben wurden.

Dosithei, der vormalige Bischof, wurde beschuldigt, er habe Offenbarungen und Visionen vorgegeben, wonach es als unfehlbar prophezeit sei, daß der Zar binnen Kurzem sterben, daß Alexei den Thron besteigen und seine verstoßene Mutter aus ihrer Klause rufen würde, um mit ihr sein Glück auf dem Throne zu teilen. — Alsdann hieß es weiter in der Anklage: „Im Vertrauen auf die Erfüllung dieser Prophezeiung habe Eudoria schon ihre Nonnenkleidung abgelegt, ihren Klosternamen in dem Verzeichnis der Nonnen auslöschen lassen und befohlen, daß im Kloster Katharinas Name im Kirchengebet gelöscht, und der ihrige an dessen Stelle gesetzt werden sollte. Ja — noch mehr — sie habe weltliche Staatskleider, welche sie von der Halbschwester des Zaren, Maria, erhalten, angezogen, und habe Alle, die es wagen würden, dem Zaren von diesem ihrem Treiben und Beginnen Nachricht zu geben, mit der Rache ihres Sohnes bedroht, der unfehlbar binnen Kurzem den Zarenthron besteigen würde.

Man beschuldigte sie, noch verletzender für ihre Ehre, sie habe den General Stephan Glabow durch ein vertrautes Liebesverhältnis verleitet, ihr zu versprechen, für die Ausführung ihrer Pläne zu wirken.

Die betreffende Gerichtskommission erkannte Eudoria für schuldig. Öffentlich wurde eine Denkschrift im Volke verbreitet, welche die Beweise und Tatsachen ihrer Schuld darlegte. Glabow, Dosithei und Andere wurden schmachvoll hingerichtet. Die unglückliche Zarin aber wurde zu einer Klosterzüchtigung verurteilt, die in nichts Geringerem bestand, als im einsamen Zellengefängnis, strengem Fasten, Bußübungen und Selbstgeißelung vor dem Altare. Dies geschah in einem andern Kloster zu Neu-Ladoga, welches die strengsten Ordensregeln hatte, wohin sie geführt wurde.

Auch Kikin, dieser verurteilte Mitwisser um Alexeis Flucht, wurde öffentlich hingerichtet mit allen Denen, die in die Susdal'sche Verschwörung verwickelt waren.

Im schneidenden Kontrast dagegen empfing der Zar die Glückwünsche darüber, daß es ihm gelungen war, den Verrat glücklich zu entdecken, und durch seine Festigkeit und Strenge die Ruhe des Reichs wieder zu sichern.

Den Beglückwünschenden antwortete Peter: „Wohl war hier Festigkeit notwendig. Trifft das Feuer auf Eisen und Stein, dann ist es von selbst gedämpft, findet es Stroh vor sich, wer hemmt dann die Flamme?“

Die Prinzessin Maria wurde in die Festung Schlüsselburg gebracht. Doch nach einiger Zeit erhielt sie ihre Freiheit wieder, und starb am 23. März 1725, versöhnt mit ihrem Halbbruder, dem Zaren, der sie noch auf dem Sterbebette besucht halte.

Mit dem traurigen Ende dieser Susdal'schen Verschwörung, der Hinrichtung und sonstigen Bestrafung aller dabei Beteiligten glaubte man, daß das Gewitter sich vollständig entladen habe, und der Zar würde nun Gnade für Recht ergehen lassen gegen Alexei und alle noch unbekannten Mitschuldigen.

Dem war aber nicht so. Immer noch standen unfreiwillige Mitspielende hinter den Kulissen dieser großen Tragödie, die nach und nach durch abgezwungene Geständnisse des hartbedrängten Zarensohns zum Vorschein kamen, und ihr Geschick erfüllen mußten.

Peter hatte Moskau im Frühjahr 1718 verlassen, nachdem er die schwere Pflicht erfüllt hatte, die Bluturteile vollstrecken zu lassen.

Alexei und die noch nicht hingerichteten, der Teilnahme verdächtigen Personen wurden als Gefangene nach Petersburg gebracht. Dort sollte noch ein neues Nachspiel zu der großen Tragödie beginnen.

Der Zar hatte es für seine höhere Pflicht erkannt, durch unerbittliche Verfolgung seines Ziels einen Jeden unschädlich zu machen, der etwa nach seinem Tode sich einfallen lassen könnte, dahin zu wirken, daß Alexei einst auf den Thron gehoben würde.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.