Expedition in ein Goldland

Schon damals glaubte man in Rußland ein Goldland gefunden zu haben. Der Statthalter von Sibirien, Fürst Gagarin, hatte an den Zaren eine Probe von Goldsand geschickt, die in den verschiedenen Flüssen der Bucharei gefunden worden war. Was konnte einem Herrscher, der zu seinen großen Unternehmungen so viel Geld brauchte als Peter der Große, angenehmer sein als solch ein Fund? Er war zu aufgeklärt und verständig, um sich, wie andere Regenten seiner Zeit, von Alchimisten betrügen zu lassen; aber ein solcher Fund von Goldsand lag nicht außer den Gesetzen der Natur, und er beschloß, die Sache genau untersuchen zu lassen. Er verband noch damit einen geographischen Zweck, nämlich den, untersuchen zu lassen, wie weit die Stadt Jerken in der kleinen Bucharei vom kaspischen Meere entfernt sei, und ob nicht von da, oder doch aus der Nachbarschaft, sich Flüsse in das Meer ergossen, um damit einen Handel nach Indien vorzubereiten, auch von den Russen bewohnte entfernte Gegenden in Asien vor den Angriffen der Kalmücken zu sichern.

Da frühere versuche dieser Art, die auf dem Wege der Unterhandlung gemacht worden waren, fehlgeschlagen, so wählte der Zar statt der friedlichen Handelsexpedition einer Karawane, die immer den räuberischen Anfällen halbwilder Völkerstämme ausgesetzt war, einen bewaffneten Heerzug, der geeignet war, ihnen Respekt einzuflößen.


Ein Abgesandter des Chans von Chiva in der großen Bucharei hatte ebenfalls des Goldsandes erwähnt und den Zaren versichert, daß sein Chan, der Beherrscher der Gegend, den Russen allen Beistand gewähren würde, wenn einige Bewaffnete dahin kämen, um den Goldsand zu untersuchen.

Der Fürst Gagarin hatte indes mehr die kleine Bucharei, oder das Land der Kalmücken, im Auge, und drang auf die Anlegung einiger Festungen an dem Flusse Jrtisch.

Peter beschloß, beide Projekte mit einander zu vereinigen. Der Garde-Kapitain Fürst Tscheskaski wurde über Astrachan und das kaspische Meer in die große Bucharei und nach Chiva geschickt, indes der Obristlieutenant Iwan Buchholz den Auftrag erhielt, 1.500 Mann über Tobolsk nach dem See Jamysch zu führen, dort eine Festung zu bauen, nach der Stadt Jerken in der kleinen Bucharei seinen Zug fortzusetzen, sich derselben zu bemächtigen, und über den Goldsand umständliche Nachrichten einzuziehen.

Der Erfolg entsprach indes den Erwartungen nicht.

Beide Unternehmungen in der großen und der kleinen Bucharei hatten ihre nächsten Zwecke verfehlt. Der Oberstlieutenant Buchholz, der in die kleine Bucharei gesendet war, um am See Jamysch eine Festung anzulegen und sich wo möglich der Stadt Jerken zu bemächtigen, hatte, von den Kalmücken gedrängt, die Festungen, die am gedachten See und am Omflusse wirklich errichtet waren, wieder verlassen müssen. — Der Goldsand, den man gefunden hatte, war so selten und geringhaltig, daß er die Arbeitskosten nicht deckte. Deshalb blieb indes doch diese Expedition für die Zukunft nicht so ganz ohne Erfolg, wie es damals den Anschein gewann, denn es waren doch längs dem Flusse Jrtisch Festungen angelegt, die den Besitz eines mit den Kalmücken streitigen Landes entschieden. Man hatte dadurch die schon früher von den Russen bewohnt gewesenen Gegenden vor feindlichen Anfällen und Streitereien in Sicherheit gesetzt, auch bessere Kenntniß von Ländern erhalten, die künftig für das russische Reich viele Vorteile versprachen.

Noch unglücklicher war Tscherkaski (der Fürst Alexander Bekowitsch) in der großen Bucharei gewesen, da er durch Verräterei des Chans von Chiva sein Leben verloren hatte, und der Verlust der am kaspischen Meere von ihm errichteten Festungen war die unmittelbare Folge seines Todes gewesen. Der Fürst war dabei freilich nicht ohne Schuld, denn er war so nachlässig gewesen, die nochwendigsten Vorsichtsmaßregeln zu unterlassen, aber er war menschlich zu entschuldigen. Die unerwartete Nachricht, daß seine geliebte Gattin mit ihren Kindern, die ihm hatten folgen wollen, schon in der Nähe von Moskau in einem leck gewordenen Boote mit allen ihren Kindern, bis auf einen Sohn, untergegangen war, hatte ihn so erschüttert, daß er darüber alle Besonnenheit verloren hatte, und sein eigener redlicher Charakter hatte dem verräterischen Chan von Chiva zu sehr getraut. Das war ein Fehler edler Naturen, der ja auch früher schon Karl XII. bei Pultawa und Peter den Großen am Pruth ins Unglück gebracht halte. Der Tod hatte übrigens den Fürsten der Verantwortung entzogen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.