Verfahren und Hinrichtung von Fürst Gagarin

So fiel denn die ganze Verantwortung wegen dieser verunglückten Expedition auf den Fürsten Gagarin. Dieser hatte sich mit Buchholz entzweit. Man beschuldigte ihn verräterischer Absichten und großer Veruntreuungen. Gagarin wurde von seiner Statthalterschaft in Sibirien abberufen, und, obgleich keiner Schuld geständig, als ein überführter Verbrecher mit dem Tode bestraft. Dies geschah aber bald nach dem erfolgten Tode des Großfürsten Iwan am Ende des Jahres 1718 oder im Anfange von 1719.

Seine unermesslichen Reichtümer fielen durch Confiscation der Schatzkammer des Zaren anheim, und sein Sohn, der ein Schwiegersohn des noch immer sehr in Gunst stehenden Staatskanzlers Schaffirow war und noch vor Kurzem mit wahrhaft fürstlicher Pracht ganz Europa durchzogen hatte, mußte gemeiner Matrose werden.


Gagarin war unter Anderm beschuldigt worden, daß er sein so fern liegendes Gouvernement, Sibirien, zu einem unabhängigen Königreiche für sich und seine Nachkommen habe machen wollen, was bei seiner Prachtliebe und seiner Herrschsucht nicht gerade unwahrscheinlich war. Diese und andere erwiesene Anschuldigungen hatten denn zu dem Spruch geführt, daß er zum Strange verurteilt wurde. — Der Zar, der vor Allem Aufrichtigkeit und Wahrheit liebte und durch ein offenes Bekenntnis leicht zu versöhnen war, hatte ihn noch am Tage vor seiner Hinrichtung im Gefängnisse besucht und ihm zugeredet, Alles freimütig zu bekennen, was er noch begangen habe, da es ja ohnehin schon erwiesen sei. Wenn er mit Nichts zurückhalte, so wolle er ihn begnadigen und alles Geschehene vergessen. Der gefesselte Verbrecher aber traute dieser nur mündlich gegebenen Zusicherung nicht; er sah darin eine Falle und blieb hartnäckig beim Leugnen. Darüber aufgebracht verließ ihn der Zar und gebot die Vollstreckung des gesprochenen Todesurteils. Diese erfolgte denn auch am folgenden Tage, da viele Leute und selbst sein Sohn die vielen Unterschleife und Erpressungen, die er sich in seinem Amte erlaubt, bezeugt hatten, in der Weise, daß er in Gegenwart des Zaren und seiner großen Anverwandten vor den Fenstern des Justizkollegii an einen Kniegalgen aufgehenkt wurde. Bezeichnend für die Rohheit jener Zeit war es, daß sein Leichnam, nachdem er dort eine Zeit lang gehangen, nach dem Orte hin transportiert wurde, wo man ihn an einem recht hohen Galgen ausgestellt sehen konnte. Auf diesem großen Platze standen damals noch sehr viele Köpfe vornehmer Herren, auf einem dazu eigens aufgemauerten Schaffot aus eisernen Stangen aufgepflanzt.*) Man sagte, der Körper des Fürsten Gagarin solle aus der andern Seite des Stromes, noch zum dritten Male aufgehangen werden, um ein um so viel größeres Exempel zu statuieren, und dann solle er nach Sibirien geschickt werden, um daselbst am Galgen zu verwesen. Dieses wurde aber durch schon früher eingetretene Verwesung gehindert. Er hatte, nach dortiger Landessitte, ein Schnupftuch vor dem Gesicht und ein Camisol und Hosen von brauner Farbe, darüber ein weißes Hemd an und an den Füßen ein Paar kleine russische Stiefeln.
Fürst Gagarin war ein sehr kleiner Mann, aber einer der reichsten großen Herren in Rußland gewesen.

Dieses Beispiel von Strenge war nicht das einzige, wodurch der Zar, ohne Ansehen der Person, mit seinem eisenfesten Charakter Unfertigkeiten im Dienste zu bestrafen wußte. — Gleichzeitig mit der Hinrichtung von Gagarin erging noch über viele andere Große ein furchtbares Strafgericht, das wir hier, des Zusammenbanges wegen, erzählen wollen.

*) Wir werden dieses große Beispiel von strenger Justiz des Zaren im nächsten Abschnitte schildern.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.